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Horst Seehofer

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Seehofers Abrechnung mit der CSU-Fraktion

Seehofers Abrechnung mit der CSU-Fraktion

Noch-Ministerpräsident Horst Seehofer hat sich nun so einiges von der Seele geredet. Für Politikwissenschaftlerin Ursula Münch zeigt sich dabei ein verletzter und gleichzeitig weiterhin willensstarker Seehofer. Von Regina Kirschner

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Mehrere Stunden hat Horst Seehofer (CSU) diese Woche über sich, seine Gefühle und seine Zukunft geredet. Einmal vor Münchner Journalisten (der BR berichtete) und dann noch einmal im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Dabei wird deutlich: Noch-Ministerpräsident Seehofer fühlt sich unfair behandelt. Er wirkt wegen der Art und Weise, wie er zur Amtsaufgabe gedrängt wurde, immer noch sehr verletzt. "Fragen Sie bitte andere, warum ich in Bayern aufhören, aber in Berlin unverzichtbar sein soll", sagt er und vergleicht dann seinen Rückzug aus Bayern mit einem historischen Ereignis, dem Ende des Vietnamkrieges 1975.

"Ich habe das in den letzten Tagen immer verglichen mit dem Abrücken der Amerikaner aus Saigon. Ich will also nicht auf des Dach flüchten und dann aus der Staatskanzlei abfliegen." Horst Seehofer

Seehofers Ambivalenz

Für Politikwissenschaftlerin Ursula Münch zeigt sich hier eine gewisse „Ambivalenz“, mit der sich Seehofer derzeit abfinden muss: „Auf der einen Seite die fehlende Dankbarkeit von Seiten der Fraktion, weshalb er sich unfair behandelt fühlt. Auf der anderen Seite seine Aussage: ihr müsst weiterhin mit mir rechnen.“

"Alles Versprochene eingelöst"

Schließlich macht er in seinen Interviews auch deutlich, dass die CSU mit seinen Leistungen zufrieden sein kann. Im Bund, weil er für die CSU wichtige Kabinettsposten errungen habe, und in Bayern, weil er dort alles Versprochene eingelöst habe. Als Bilanz für seinen Erfolg als Ministerpräsident nennt er die Uniklinik Augsburg, die neue Universität Nürnberg, die Wiedereinführung des G9 oder auch die Stromtrassen unter der Erde.

"Demontage meiner Person"

Auf Spekulationen, er könnte seinen Rückzug aus der Landespolitik noch einmal überdenken, reagierte Seehofer diese Woche genervt und kritisierte die CSU-Landtagsfraktion deutlich. Die habe sich schließlich nicht an Vereinbarungen gehalten, keine Personaldebatte zu führen. Seehofer spricht von Demontage seiner Person.

"Die Diskussion, die dann eingesetzt hat, die kennen Sie, auch mit einer ganz erheblichen Demontage meiner Person. Ich habe zu dieser ganzen Entwicklung nie etwas gesagt." Horst Seehofer

Für die Leiterin der politischen Akademie in Tutzing, Ursula Münch, ist diese Äußerung aber keine unüberlegte, abwegige Abrechnung mit der Fraktion. Stattdessen habe er es damit geschafft, den "Menschen Seehofer" zu zeigen. Seine Enttäuschung über die Kritik aus der CSU-Landtagsfraktion hat er nach Ansicht Münchs zu Recht klar gemacht.

"Er hat hart in Berlin verhandelt. Da haben es sich die Leute zu einfach gemacht, ihn dafür zu kritisieren, er sei in München zu selten da und vernachlässige die Landespolitik. Der Hinweis, dass er darüber persönlich enttäuscht ist, ist angemessen." Ursula Münch, Politische Akademie in Tutzing

Schließlich könnten auch begabte Politiker sich nicht gleichzeitig an zwei Orten aufhalten, scherzt Münch. Das alles macht aber auch deutlich: Die Spannungen zwischen Landtagsfraktion und CSU-Chef Seehofer sind lange nicht vorbei. Nicht umsonst macht Seehofer gerne deutlich, dass die Landtagsfraktion eben „nur“ die Landtagsfraktion sei und auf Bundesebene die „CSU-Landesgruppe“ relevant sei.

Bundesinnenminister muss bei Flüchtlingspolitik liefern

Für die Landtagsfraktion wird Seehofer aber weiterhin durchaus relevant bleiben, warnt Politikexpertin Münch. Schließlich hat er es als Bundesinnenminister in der Hand, die restriktive Flüchtlingspolitik der CSU umzusetzen. Umgekehrt könnte Seehofer den Ärger aus Bayern zu spüren bekommen, sollte er scheitern.

"Wenn es Seehofer gelingt, ein starker Bundesinnenminister zu sein und die CSU-Forderungen in der Migrationspolitik durchzusetzen, dann nützt das auch der CSU auf Landesebene. Wenn er sich da aber schwer tut, dann wird Seehofer von Markus Söder unter Druck gesetzt werden." Ursula Münch, Politische Akademie in Tutzing

Wann der Machtwechsel in Bayern stattfinden wird, ist bislang noch offen. Seehofer will bei der CSU-Vorstandssitzung am kommenden Montag seinen Zeitplan vorlegen.

Lösung für Berliner Personalproblem?

Neben all seinem Ärger über die „Pyjama-Strategen“ der Landespolitik, wie er die Abgeordneten im Landtag schon einmal bezeichnet hat, könnte sich Seehofer nun über einen erneuten Erfolg in Berlin freuen. Nach einem Bericht des „Spiegel“ könnte die CSU noch einen weiteren Posten in Berlin bekommen, den eines Staatsministers für Digitales im Kanzleramt. Als Kandidatin dafür gilt Dorothee Bär, die Vizechefin der CSU. Politikwissenschaftlerin Münch hält die neuen Spekulationen um die Postenvergabe in Berlin für denkbar und bescheinigt CSU-Parteichef Horst Seehofer gutes Verhandlungsgeschick.

"Wenn es ihm gelänge einen erfolgreichen Entwicklungsminister im Amt zu halten, ohne auf eine weibliche Ministerin verzichten zu müssen, wäre das für Seehofer ein großer Erfolg." Urslua Münch, Politische Akademie in Tutzing

Regionalproporz und Geschlechterproporz

Seit dem Ende der Koalitionsverhandlungen der Union mit der SPD wird über die CSU-Posten in Berlin spekuliert. Das Problem: Es schien bislang mehr Kandidaten als offene Stellen zu geben. Das Gerücht, man könnte auf den schwäbischen Minister Gerd Müller im neuen Kabinett verzichten, um dafür wegen des Geschlechterproporzes die Staatssekretärin Dorothee Bär zu berufen, hat laut Münch in der Partei für viel Aufregung gesorgt. Mit Bär als Digital-Ministerin im Kanzleramt hätte Seehofer eine gute Lösung für die Personalfragen in Berlin. Er hätte eine fränkische Frau im Kabinett, mit Gerd Müller einen Schwaben und mit Andreas Scheuer einen Niederbayern. Regionalproporz und Geschlechterproporz wären berücksichtigt.

Zugeständnisse beim Superministerium

Ein Zugeständnis scheint Seehofer aber machen zu müssen: Sollte der Bericht des „Spiegel“ stimmen, würde Seehofer sein maßgeschneidertes Superministerium nicht bekommen. Er müsste die Zuständigkeit für die Entwicklung des ländlichen Raums beim Landwirtschaftsministerium (CDU) belassen und damit auch die Verteilung der entsprechenden Fördermittel.