Ernst Huttera muss zwei Mal in der Woche zur Physiotherapie. Für ihn ist das sehr wichtig, denn er hat seit 20 Jahren Parkinson. Der 72-Jährige wird mit dem Auto von seiner Frau Gabriele Lindlar gefahren. Mit fortschreitender Krankheit ist er immer mehr auf die Hilfe seiner 65-jährigen Frau angewiesen. Inzwischen machen sich beide Sorgen wegen ihrer Situation. Noch können sie allein in ihrer Wohnung leben. Gabriele Lindlar fürchtet aber, dass das irgendwann nicht mehr möglich sein wird: "Es wird ja bei mir auch nicht besser. Ich werde ja auch älter. Was ist, wenn er hinfällt? Ich habe ja vielleicht irgendwann nicht mehr die Kraft, meinen Mann wieder auf die Füße zu stellen."
Der Ehepartner schafft die Pflege irgendwann nicht mehr allein
Es kommt der Moment, in dem Hilfe von außen gebraucht wird. Das Ehepaar hofft, es noch möglichst lang hinauszögern zu können und selbständig zu bleiben. Laut einer Studie des VdK wollen die meisten Pflegebedürftigen genau das: Im gewohnten Umfeld bleiben. Genauso deren Angehörige: Statt die nahestehende Person in ein Heim zu geben, wollen sie sie lieber selbst pflegen. Aber was, wenn es die Kräfte nicht mehr zulassen? Das ist dann bitter, sowohl für Pflegende als auch Gepflegte: "Ich wiege noch 80 Kilogramm und ich versuche natürlich meine Frau zu unterstützen. Aber was machen Sie, wenn Sie Muskelkrämpfe haben und das Bein nicht dahin bewegen können, wo sie es gerne haben wollen?", sagt Ernst Huttera.
Wie geht es den Menschen, die daheim pflegen?
Über ein Drittel der Pflegenden fühlt sich extrem belastet und wünscht sich Hilfe, so eine Studie der Hochschule Osnabrück im Auftrag des Sozialverbands VdK. Danach gaben 63 Prozent der Pflegenden an, täglich körperliche Beschwerden zu haben und wegen der Pflege die eigene Gesundheit zu vernachlässigen. Eine Situation, die von der Gesellschaft nicht ausreichend wahrgenommen wird, findet die bayerische VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher: "Die Politik beschäftigt sich, auch wenn sie sich mit der Pflegesituation beschäftigt, eigentlich immer mit der Situation von stationärer Pflege. Das sind aber gerade einmal 20 Prozent der Pflegebedürftigen. 80 Prozent werden zuhause gepflegt. Also, das ist wirklich eine schwierige Situation!"
Mehr Pflegestützpunkte wären ein wichtiger Schritt
Um die Situation zu verbessern, fordert der VdK die Einrichtung von mehr Pflegestützpunkten. Ein Bundesgesetz von 2008 sieht vor, dass die Bundesländer solche Pflegestützpunkte flächendeckend einrichten. Hier sollen sich pflegende Angehörige umfassende und neutrale Beratung holen können: Wo erhalte ich finanzielle Hilfe? Wie beantrage ich professionelle Unterstützung bei der Pflege? Kann ich einen Tagespflegeplatz in Anspruch nehmen?
Nach Zahlen der Stiftung "Zentrum für Qualität in der Pflege" hat Bayern das Gesetz bisher nur lückenhaft umgesetzt. Landesweit gibt es demnach aktuell nur 42 solcher Pflegestützpunkte. In Rheinland-Pfalz beispielsweise sind es dagegen 135.
Bayernkarte: Standorte der Pflegestützpunkte
Bayern muss dringend nachlegen
Die bayerische VdK-Chefin Ulrike Mascher hält es deswegen für "wünschenswert, wenn wir auch in Bayern den Zustand erreichen, dass wenigstens in jedem Landkreis so eine Pflegeberatung, ein Pflegestützpunkt da ist. Da werde ich unterstützt, in der doch sehr ungewohnten Situation, wenn ich häusliche Pflege erstmals organisieren muss." Offenbar hat das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege das inzwischen auch erkannt und betont, dass allein seit 2019 33 neue Pflegestützpunkte geschaffen worden seien. Dazu erklärt Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek, dass die Kommunen hier zuständig seien, sie aber der Freistaat unterstütze: "Für mich ist der Aufbau neuer Pflegestützpunkte ein wichtiges Anliegen. (…) Ich kann die Kommunen in Bayern nur ermuntern, einen Pflegestützpunkt in ihrer Region zu errichten und die Fördermöglichkeiten zu nutzen – die Menschen vor Ort werden es Ihnen danken."
Sollte es der Staatsregierung gelingen, die Beratung flächendeckend auszubauen, dann könnte das nicht nur pflegende Angehörige entlasten, sondern auch die öffentlichen Kassen: Pflege im Privathaushalt durch Angehörige kostet nur den Bruchteil eines Heimplatzes. Es wäre also eine echte Win-Win-Situation.
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