In Miltenberg fehlen ab Ende Juni mehrere Kinderärzte.
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In Miltenberg fehlen ab Ende Juni mehrere Kinderärzte.

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In Miltenberg fehlen Kinderärzte: Nur ein lokales Problem?

Der unterfränkische Landkreis Miltenberg hat ab Ende Juni zu wenig Kinderärzte. Auch anderswo mangelt es an Ärzten, die Kinder versorgen. Manche beklagen deshalb die Entscheidungen "am grünen Tisch" in Berlin.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Ende Juni schließt eine Kinderarztpraxis im Landkreis Miltenberg. Vorerst wird dort eine relativ angespannte Versorgungslage herrschen. Da in der Praxis zwei Ärzte arbeiteten, werden dann nur noch sechs Kinderärzte im Landkreis niedergelassen sein, obwohl der Bedarf an Kinderärzten laut kassenärztlicher Vereinigung bei 8,5 liegt.

Laut einer Mitteilung des Landkreises wollen die bestehenden Praxen zusammenarbeiten, um weiter alle Akutfälle behandeln zu können. Ansprechpartner für Eltern bleiben also die Kinderartpraxen vor Ort. Dafür sei jedoch notwendig, dass das Fachpersonal der Praxen schon am Telefon eine erste Beratung und Priorisierung vornimmt und dann entsprechend bei dringenden Fällen Termine vergibt, so der Landkreis.

Landrat: Telefon-Beratung kein Abwimmeln

Miltenbergs Landrat Jens Marco Scherf (Grüne) bittet daher: "Gerade in der schwierigen Situation müssen wir einander Respekt und Wertschätzung entgegenbringen, um die derzeitige Versorgungslage durch den Verlust von Praxispersonal nicht noch weiter zu verschärfen." Die Beratung am Telefon sei kein "Abwimmeln", so Scherf, sondern eine kompetente medizinische Leistung und Unterstützung der Eltern.

Die bestehenden Praxen weisen darauf hin, dass der Großteil der Eltern Verständnis habe, einige jedoch überzogene Ansprüche und Vehemenz zeigten. Die Miltenberger Ärzteschaft hofft indes, dass die offenen Kinderarztstellen bald nachbesetzt werden können.

Nachbesetzung wird gefördert

Um die Nachbesetzungen kümmert sich derzeit die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB). Sobald der Landesauschuss eine drohende Unterversorgung feststellt, kann die KVB auch finanziell fördern. Auf ihrer Website ist einsehbar, dass ein Kinderarzt, der sich in Miltenberg neu niederlassen würde, bis zu 60.000 Euro Förderung erhalten könnte. Eine bestehende Kinderarztpraxis könnte bei Errichtung einer Zweigstelle mit bis zu 15.000 Euro rechnen.

Auch die Anstellung weiterer Ärzte in bestehenden Praxen wird gefördert. Für Letzteres gibt es im Landkreis Miltenberg derzeit Hoffnungen. Ein Kinderarzt vor Ort könne sich durchaus vorstellen, einen weiteren Kinderarzt bei sich anzustellen, teilt der Landkreis mit. Neben der finanziellen Förderung durch die KVB können auch Gemeinden und Städte etwa durch das Anbieten attraktiver Praxisräume die Ansiedlung neuer Ärzte fördern, wie die KVB auf BR-Anfrage erklärt.

Unterversorgung droht in zwei Landkreisen Bayerns

Aktuell ist Miltenberg zusammen mit dem Landkreis Regen in Niederbayern bayernweit der einzige Landkreis, dem laut KVB-Versorgungskarte eine Unterversorgung bei Kinderärzten droht. Die anderen Kreise sind mindestens regelversorgt, teils gar überversorgt. Auch wenn zu dieser Wahrheit gehört, dass viele der bayerischen Kinderärzte bereits über 60 Jahre alt sind und die Nachfolger-Suche oft schwerfällt.

Derzeit sind in Sachen Kinderarzt jedenfalls die Städte Würzburg, Erlangen und Fürth besonders gut versorgt, ebenso die Landkreise Deggendorf, Starnberg, Miesbach und Garmisch-Partenkirchen. Sie erreichen ein Versorgungsniveau von mehr als 140 Prozent.

Beispiel Würzburg: Der Kinderarzt-Versorgungsgrad liegt dort laut KVB bei 178 Prozent. Dieser errechnet sich aus der Zahl der minderjährigen Einwohner und der Zahl der Kinderärzte vor Ort. So gibt es in der Stadt Würzburg 16.300 minderjährige Einwohner. Einbezogen wird auch, dass auch Menschen aus dem umliegenden Land in die Stadt zu den Ärzten kommen. In der Bedarfsplanung sind 15 Kinderarztstellen vorgesehen, es gibt jedoch 19 Kinderärztinnen und –ärzte. Das heißt: Würzburg ist so gut versorgt, dass sich dort derzeit kein weiterer Kinderarzt ansiedeln könnte. Diese sogenannte Überversorgung ist ab 110 Prozent Versorgungsgrad erreicht.

Facharztmangel keine Seltenheit

21 Städte beziehungsweise Kreise in Bayern liegen bei Kinderärzten derzeit darunter. Dort könnten sich derzeit noch weitere Kinderärzte niederlassen. Jedoch ist der Großteil dieser Kreise und Städte deswegen nicht direkt unterversorgt oder davon bedroht.

In anderen Facharztbereichen abseits der Kindermedizin gibt es in Bayern jedoch sehr wohl drohende Unterversorgungen. In oberpfälzischen Cham fehlt es bei Haut-Medizinern, im oberfränkischen Wunsiedel an Augenärzten und Hautärzten und in Kronach, ebenfalls Oberfranken, fehlen derzeit gar Nerven-, HNO- und Augenärzte. Vielerorts in Bayern gibt es zudem zu wenig Hausärzte.

Versorgung auch Wahrnehmungsfrage

Wie viele Ärzte welcher Fachrichtung sich wo niederlassen können, legt nicht die KVB fest, sondern Ausschüsse in Berlin, aber auch auf Landesebene. Die KVB schreibt hierzu: "Allen Beteiligten, angefangen vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Berlin, über den Landesauschuss der Ärzte und Krankenkassen bis hin zu den unabhängigen örtlichen Zulassungsausschüssen in den Bezirken und der KVB, ist bewusst, dass die Wahrnehmung der örtlichen Versorgung von den Zahlen vom grünen Tisch in Berlin abweichen kann.

Dies zeigt auch eine aktuelle Pressemitteilung des Landkreises Aschaffenburg, der an den Landkreis Miltenberg angrenzt. Darin fordert der örtliche Landrat Alexander Legler (CSU) eine Verbesserung der kinderärztlichen Versorgung für seine Region. Die Überversorgung seines Landkreises Aschaffenburg in diesem Bereich existiere nur auf dem Papier und in der Theorie. In der Realität fänden Eltern mit Neugeborenen keine Kinderarztpraxis, moniert er.

"Daher fordere ich einen weiteren Kinderarztsitz im Landkreis Aschaffenburg und die Überarbeitung der Bedarfsplanung", schreibt er in einem Brief an die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns. Laut Versorgungsatlas der KVB hat der Landkreis einen Versorgungsgrad von 132,12 Prozent. Auf rund 40.000 Minderjährige kommen demnach 23 Kinderärzte.

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