Forstbetriebsleiter Florian Vogel stapft mit dem Wildbiologen Flurin Filli über eine Waldwiese. Der Förster will dem Biologen die Wildschäden im Staatswald Rothenbuch zeigen, verbissene Buchen und von Hirschen geschälte Fichten: "Wir können so nicht mehr weitermachen, wir haben im Spessart zu viel Rotwild." Florian Vogel will ein neues Wildmanagement in Rothenbuch einführen – und Flurin Filli soll die Staatsforsten dabei unterstützen.
Lebensraum fürs Wild verbessern
Flurin Filli ist ein Experte für Rotwild. Der Schweizer Wildbiologe war in den letzten Monaten oft im Spessart, hat sich die Wälder angesehen und mit Förstern gesprochen. Seine Erkenntnis: Allein mehr jagen hilft nicht, um das Rotwild in den Griff zu bekommen. Man muss auch den Lebensraum Wald verbessern. "Hier fehlen alle Requisiten, die der Hirsch zum Leben braucht. Strukturen im Wald, wo er Deckung findet, Wildwiesen, wo er äsen kann, und auch sichere Rückzugsgebiete."
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Hirsche werden in den Wald gedrängt
Der Spessart ist ein karger Lebensraum, es gibt von Natur aus nur wenige Kräuter und Gräser am Waldboden. Hinzu kommt, dass die intensive Forstwirtschaft Wälder geschaffen hat, in denen die Bäume gleich alt und somit gleichförmig sind. Es fehlen vielfältige Strukturen. Eigentlich ist das Rotwild – umgangssprachlich Hirsch – ein Tier des Offenlandes. Die majestätischen Tiere würden ihre Nahrung also auch auf nahe gelegenen Wiesen suchen, aber hier werden sie erst recht gejagt: Der Mensch hat das Rotwild in den Wald gedrängt. Und hier richten sie große Schäden an.
Die buschartige Buche wurde mehrfach vom Rotwild verbissen.
Keine privaten Jagdreviere mehr
In den vergangenen fünf Jahren hat Florian Vogel die Abschusszahlen beim Rotwild verdoppelt, von 145 auf 300 Tiere pro Jahr. Im Herbst wurden zwei Berufsjäger eingestellt, die die Jagd-Bemühungen der Förster unterstützen sollen: In der Jagdsaison gehen sie täglich auf die Pirsch und organisieren zudem so genannte Gesellschaftsjagden mit vielen Schützen und Hunden. Und das ist nur ein erster Schritt: Künftig soll es im Kerngebiet des Rotwildes nur noch Gesellschaftsjagden und Sammelansitze geben, das bisherige System mit privat verpachteten Pirschbezirken wird abgeschafft. Private Jäger dürfen dann nur noch unter Leitung von Berufsjägern oder Förstern schießen, sagt Florian Vogel. "Das hat den Vorteil, dass wir die Jagd unter Kontrolle haben und das Rotwild dort, wo gerade nicht gejagt wird, seine Ruhe hat." Damit würden auch die Wildschäden abnehmen, so die Hoffnung.
Ruhezonen für die Hirsche
Wildbiologe Flurin Filli rät dem Forstbetrieb zu einer Doppelstrategie beim Rotwild-Management: Einerseits professionell jagen – andererseits den Lebensraum verbessern. Er hat bereits konkrete Vorschläge: Die Waldwiese, auf der die beiden Männer stehen, sollte nicht mehr bejagt werden. Stattdessen sollen Kräuter und Gräser angesät werden, um den Tieren Nahrung und Ruhe zu bieten. Den Waldrand würde der Biologe strukturreicher und stufiger gestalten, also einige Bäume fällen, Totholz liegen lassen und so Deckung und Verstecke schaffen.
Wildbiologie und Jagd im Einklang
Das neue Wildmanagement im Spessart steht erst am Anfang. In den nächsten Jahren wird Flurin Filli immer wieder vor Ort sein, um die Entwicklungen zu begutachten. Für die Bayerischen Staatsforsten ist das Wild- und Jagdkonzept ein Paradigmenwechsel: Wildbiologie und Jagd in Einklang zu bringen ist eine Herausforderung. Aber Florian Vogel will einen Wandel im Spessartwald erreichen: "Die Buche muss ohne Verbiss aufwachsen können und die Schälschäden an den Baumstämmen müssen zurückgehen." Es sei einfach ein gesunder Waldbestand nötig, der dem Klimawandel trotzen könne.
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