Der Zensus ermittelt, wie viele Menschen in Deutschland leben, wie sie wohnen und arbeiten. Die Europäische Union schreibt vor, dass ihre Mitgliedstaaten alle zehn Jahre eine Volkszählung durchführen sollen. Die konkrete Durchführung des Zensus legt ein aktuelles Zensusgesetz fest.
Der bisher letzte Zensus fand 2011 statt, der neue wurde aufgrund der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben. Das Statistische Bundesamt schreibt, dass das Einwohnermelderegister allein nicht ausreiche, um die benötigten Daten zu liefern – deshalb die Extra-Befragung.
Projektleiter Michael Fürnrohr vom Bayerischen Landesamt für Statistik in Fürth berichtet im Interview mit BR24 zum Beispiel, dass nach dem Zensus 2011 die Einwohnerzahl Deutschlands um 1,5 Millionen nach unten korrigiert werden musste.
- Lesen Sie hier: "Volkszählung "Zensus 2022" beginnt"
Wer wird beim Zensus befragt?
Es gibt sozusagen vier verschiedene Zählungen:
Erstens die Haushaltsbefragung, die alle Bürgerinnen und Bürger betrifft. Anhand von Adressen werden stichprobenartig Menschen für die Befragungen der Haushalte ausgewählt. In Bayern betrifft das jeden Fünften, also 2,3 Millionen. Diese werden dann durch sogenannte Erhebungsbeauftragte - das sind geschulte, ehrenamtliche Interviewerinnen und Interviewer - kurz zu Hause befragt. Etwa die Hälfte der zwei Millionen Ausgewählten, also jeder Zehnte in Bayern, muss mehr Fragen beantworten.
Zweitens eine Befragung, die der Qualitätssicherung dient: Sehr wenige Menschen (vier Prozent) müssen dann nochmals die gleichen Fragen in einer Wiederholungsbefragung mit einem anderen Interviewer beantworten.
Drittens die Gebäude- und Wohnungszählung, die alle Eigentümer von Wohnungen betrifft. Rund vier Millionen Menschen werden hier vom Bayerischen Landesamt für Statistik angeschrieben und erhalten Zugangsdaten für einen Online-Fragebogen, in dem Daten wie die Heizungsart, die Wohnungsgröße und diesmal auch die Nettokaltmiete abgefragt werden.
Viertens findet auch in Wohnheimen und Gesamtunterkünften ein Zensus statt. Dort werden alle Bewohnerinnen und Bewohner ebenfalls durch Interviewer und Interviewerinnen befragt, in Altenheimen oder Einrichtungen für Menschen mit einer psychischen Erkrankung übernimmt das die Heimleitung stellvertretend für alle.
Wie weiß ich, ob ich beim Zensus dabei bin?
Eines vorneweg: "Es gibt keinen Besuch durch Erhebungsbeauftragte ohne schriftliche Terminankündigung", sagt Christina Reisinger, im BR24-Interview. Sie schult die Interviewerinnen und Interviewer, die die Bewohner an den ihnen zugeteilten Adressen befragen.
Die 20.000 Interviewer in Bayern arbeiten ehrenamtlich, bekommen eine Aufwandsentschädigung und werden nicht in unmittelbarer Nähe zu ihrer Wohnung eingesetzt. Sie geben einen Terminvorschlag postalisch ab. Wer an dem Termin, der vorgeschlagen wird, keine Zeit hat, kann mit dem Interviewer oder der Interviewerin Kontakt aufnehmen und das Treffen verschieben. Die Kontaktdaten stehen immer dabei.
Wie läuft die Befragung für mich ab?
Ist der Termin fix vereinbart, klingelt der Interviewer oder die Interviewerin an der Tür und zeigt unaufgefordert den Erhebungsbeauftragten- sowie den Personalausweis vor. Bei ihrem Einsatz in Bayern haben sie zudem ein Tablet dabei.
Das persönliche Gespräch, in dem im Prinzip der Personalausweis abgefragt wird, dauert circa fünf bis zehn Minuten. "Das sind Fragen zum Namen, Geburtsdatum oder der Anzahl der Personen im Haushalt zum Beispiel", sagt Schulungsleiterin Reisinger.
Gehören Sie zu der Hälfte der Stichprobe, die für den weiteren, längeren Fragebogen ausgewählt ist, können Sie diesen entweder gleich mit dem Interviewer zusammen ausfüllen, bekommen direkt von der Interviewerin individuelle Zugangsdaten für die Online-Variante oder können sich den Fragebogen postalisch zusenden lassen.
Der lange Fragebogen geht über demographische Fragen hinaus, es geht etwa um den Schulabschluss und Fragen zur Berufstätigkeit. Projektleiter Fürnrohr vom Statistischen Landesamt in Fürth betont: "Das Interview geht schnell, und es braucht niemand irgendwelche Unterlagen herrichten."
Übrigens muss dem Interviewer laut dem Bayerischen Landesamt für Statistik nicht unbedingt der Zutritt zur eigenen Wohnung gewährt werden. Eine Befragung an der Haustür ist auch möglich.
Was wird beim Zensus 2022 definitiv nicht gefragt?
Niemand muss Angaben zum Einkommen, Passwörtern, Impfstatus oder Bankverbindungen machen, und es wird auch kein Geld verlangt – wenn doch, handelt es sich bei den angeblichen Interviewern um Betrüger. In diesem Fall rufen Sie am besten die Polizei an und melden den Vorfall der zuständigen Behörde.
Wann Sie ebenfalls hellhörig werden sollten: Die Interviewer und Interviewerinnen haben grundsätzlich keine Kenntnis von den E-Mailadressen oder der Telefonnummer – außer Sie haben bei ihnen vorab angerufen, um den Termin zu verschieben.
- Zum Artikel: Warnung vor Betrügern: So läuft der Zensus 2022 ab
Wann klingeln die Interviewer bei mir?
Zurzeit werfen die Interviewerinnen und Interviewer Briefe mit Terminvorschlägen in den Briefkasten. Ab dem 16. Mai 2022 starten die ersten Befragungen. Nach Planungen des Landesamtes sollen sie nach etwa drei Monaten abgeschlossen sein. In diesem Zeitraum werden also sowohl die Haus- als auch die Wiederholungsbefragungen durchgeführt.
Kann ich die Auskunft verweigern?
Es besteht eine Auskunftspflicht laut dem Zensusgesetz. Wer zum Beispiel am angekündigten Termin unentschuldigt nicht anzutreffen ist, bekommt eine Erinnerung per Post. Projektleiter Michael Fürnrohr sagt, man bestrafe niemanden.
"Aber es gibt natürlich schon im Verwaltungsrecht Mittel, um dann letztlich jemanden dazu zu bewegen, die Auskünfte zu erteilen bis hin zur Verhängung eines Zwangsgeldes, das so lange aufrechterhalten wird, bis die Daten dann da sind." Erfahrungsgemäß sei dies aber nur im Ausnahmefall nötig.
Wichtig zu wissen ist auch: Die Interviewerinnen und Interviewer nutzen zwar ein Tablet mit digitalem Fragebogen. Aber eine reine Online-Befragung für die ausgewählten Haushalte ist im Gegensatz zur Eigentümer-Befragung nicht vorgesehen. Heißt: Wer einen Brief mit einer Terminankündigung zum Hausbesuch bekommen hat, kann die Befragung zu Hause auch nicht ablehnen.
Was hat sich seit 2011 geändert?
Drei Unterschiede zu damals gibt es, wie Bayerns Chefstatistiker Michael Fürnrohr erklärt: Erstens wird dieses Mal vor allem auf Online-Fragebögen gesetzt. Die Eigentümer-Befragung macht jeder eigenständig online. Das sei ressourcenschonend und erleichtere die Weiterverarbeitung der Daten. Zum Beispiel seien alle Interviewer mit Tablets ausgestattet. Zweitens wird diesmal die Nettokaltmiete mit erhoben. "Der dritte Unterschied ist", so Fürnrohr: "2011 war die Stichprobe beschränkt auf die Gemeinden über 10.000 Einwohner. Diesmal sind in diese Stichprobe alle Gemeinden einbezogen."
Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?
Fürnrohr wirbt um Vertrauen in die Datensicherheit der Landesämter und verweist auch darauf, dass die Interviewerinnen und Interviewer eine Schweigepflicht haben. Wird diese nicht beachtet, gelte das Strafrecht.
"Die Verarbeitung der Daten erfolgt zentral im Informationstechnikzentrum Bund. Das ist in einem komplett abgeschotteten Bereich, der wirklich abgekapselt ist", erklärt Fürnrohr. Zugriff auf die Daten haben demnach nur das Statistische Bundesamt und die entsprechenden Landesämter – "über ganz spezielle Zugangswege. Ansonsten ist das wie ein Datentresor."
Warum braucht es den Zensus?
Mit der ermittelten Einwohnerzahl werden zum Beispiel Stimmbezirke für Wahlen neu eingeteilt. Die Politik erhofft sich durch den Zensus auch genaue Zahlen, um Gesetze entsprechend anpassen zu können – zum Beispiel im Bereich Wohnen, Klimaschutz und Energieverbrauch.
Projektleiter Fürnrohr verweist auf die Art der Beheizung und deren Bedeutung für den Klimawandel. "Das Datenmaterial braucht man, wenn man den ökologischen Umstieg hier jetzt mit voller Kraft beginnen will. Und das Thema Miete ist ohnehin seit vielen Jahren aktuell." Nur wenn die genaue Mietstruktur bekannt ist, könnten Kommunen und Staat Entscheidungen treffen.
Die neu erhobenen Zahlen dürften deshalb nicht allen gefallen, denn entsprechend der Ergebnisse des Zensus werden auch die Finanzausgleiche neu bemessen - also die Milliarden-Beträge, die zwischen Bund, Ländern und Kommunen fließen. Hat eine Gemeinde etwa deutlich weniger Einwohner als bisher gedacht, gibt es deutlich weniger Geld.
Die Ergebnisse werden übrigens erst im kommenden Jahr veröffentlicht: im Herbst 2023.
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