Altenpflege (Symbolbild)
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Altenpflege: Insolvenz wegen hoher Preise "denkbar"

Die Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln erschweren auch die Situation in Senioren- und Pflegeeinrichtungen. Die Betreiber wissen nicht, wie sie die hohen Kosten künftig bezahlen sollen. An die Bewohner können sie diese nicht weitergeben.

Eins ist für Annette Noffz vom Würzburger Bürgerspital klar: "Wenn sich nicht endlich etwas Grundlegendes ändert, können wir die Altenpflege demnächst aufgeben." Die Spitaldirektorin, die für drei Seniorenheime und drei Wohnstifte zuständig ist, kämpft unter anderem mit dem Strompreis: Er ist um das Neunfache gestiegen. Und auch Lebensmittel seien um 25 Prozent teurer geworden, klagt Noffz. Deshalb führt sie unzählige Gespräche, um für das Kosten-Problem eine Lösung zu finden. In den Pflegesatzverhandlungen haben sich Kassen und Sozialeinrichtungen zwar vor einer Woche geeinigt. Alle Kostensteigerungen wurden dabei akzeptiert, berichtet Noffz. Allen sei aber klar, dass bei erneuten Veränderungen wieder verhandelt werden müsse.

Die Zeit drängt - Preiserhöhungen brauchen Vorlauf

Noch in dieser Woche muss die Direktorin wissen, was sie den Menschen in ihren Heimen künftig in Rechnung stellen kann. Denn Ende Oktober endet die Laufzeit der bisherigen Pflegesätze. "Geplante Preiserhöhungen müssen wir dem Heimbeirat einen Monat vorher ankündigen", sagt Noffz. Eine Heimleiterin könne nicht einfach verfügen, dass die Bewohnerinnen und Bewohner plötzlich tiefer in die Tasche greifen müssen. Sie müsse sich nach den Pflegesätzen richten, die mit der Pflegekasse und dem Sozialhilfeträger ausgehandelt werden.

Bewohner können Kosten nicht selbst stemmen

Alle Verhandlungspartner wissen, dass viele Pflegebedürftige nicht in der Lage wären, einen höheren Eigenanteil zu zahlen. Der liegt im Heim "Ehehaltenhaus" des Bürgerspitals ohnehin schon bei fast 2.800 Euro pro Monat. Noffz schätzt: Würden sämtliche aktuelle Kostenerhöhungen umgelegt, müsste der Eigenanteil pro Bewohner um 400 bis 500 Euro im Monat steigen.

Mehr Sozialhilfeempfänger durch steigende Kosten

In ganz Unterfranken beziehen laut Bezirksregierung mehr als 3.500 Senioren Sozialhilfe. Im "Ehehaltenhaus" sind es etwa ein Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner. Durch steigende Preise für Heimplätze drohten noch mehr Senioren in die Sozialhilfe abzurutschen. Das wäre für die alten Leute tragisch, so Maria Sievers von der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA) in Bonn. "Die Menschen haben teilweise 45 Jahre in Vollzeit gearbeitet", sagt sie. Dass sie an ihrem Lebensende ihre Versorgung nicht mehr finanzieren können, sei für die Senioren "schwer zu ertragen".

Große Nachfrage bei finanzieller Beratung

Angesichts explodierender Kosten wenden sich immer mehr Pflegebedürftige und Angehörige an die BIVA, um ihre finanzielle Situation zu klären. "Die Beratungen zu Kosten und Finanzierung waren schon in den letzten Jahren ein Hauptschwerpunkt, 2022 haben sie noch einmal stark zugenommen", sagt Sievers. Von insgesamt etwa 6.000 Beratungen im vergangenen Jahr entfielen 2.700 auf dieses Thema. Allein in den ersten acht Monaten des Jahres 2022 habe die Interessenvertretung bereits 3.000 Mal zu finanziellen Fragen beraten.

Weniger heizen: Keine Alternative in der Pflege

Wegen der "katastrophalen Situation" in der Pflege haben sich in Stadt und Landkreis Würzburg alle großen Heimträger zusammengeschlossen, um ein "Forderungspapier" für den Herbst 2022 auf den Weg zu bringen. Gerichtet ist es an den Bund und den Freistaat Bayern. Darin appellieren die Träger, den Rettungsschirm für Corona-bedingte Mindereinnahmen und Mehrausgaben wieder aufzuspannen. Er müsse ergänzt werden um die Erstattung von Mehrausgaben aufgrund des drastischen Preisanstiegs bei Energie und Nahrungsmitteln.

Kurzfristig Energie einzusparen, ist in der stationären Altenpflege kaum möglich. "Eine Absenkung der Zimmertemperaturen ist in Pflegeeinrichtungen nun mal keine Option", sagt Stephan Baumann, Vorstand des Verbands Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) in Berlin. Für ihn sind deshalb Insolvenzen "mittelfristig denkbar".

Mit Material von epd.

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