Polizisten und Demonstranten stehen sich am Rande des Braunkohletagebaus bei Lützerath gegenüber
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Im Schlamm: Polizisten und Demonstranten stehen sich am Rande des Braunkohletagebaus bei Lützerath gegenüber

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Würzburg: 150 Klimaaktivisten aus Lützerath zurück

Regen und Schlamm, Bengalos und Wasserwerfer: Am späten Samstagabend sind die rund 150 Würzburger Klimaaktivisten von der Großdemonstration in Lützerath zurückgekehrt. Die Stimmung unter den müden Aktivisten war dennoch positiv und hoffnungsvoll.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

Kurz vor 23 Uhr kommt der erste Reisebus am Würzburger Busbahnhof an, die beiden anderen folgen wenige Minuten später. Die Bustüren öffnen sich. Müde Frauen und Männer klettern heraus, einige davon barfuß. Der Busfahrer hätte sie gebeten, ihre völlig schlammverdreckten Schuhe auszuziehen, erklärt eine Demonstrantin lächelnd.

20 Stunden auf den Beinen

Theresa Höne hat die Fahrt nach Lützerath mitorganisiert. Die Studentin zieht sich gerade ihre Wanderstiefel an, als sie vor dem Bus nochmal einen Schlachtruf anstimmt: "Ich sag: Lützi! Ihr sagt: Bleibt!" Etwa der halbe Bus stimmt in den Wechselruf ein. Ein wenig müde klingt es schon. Kein Wunder, viele Aktivisten sind seit 20 Stunden oder noch mehr auf den Beinen. Höne ist dennoch zufrieden. 35.000 Menschen seien da gewesen, eine Menge, die zeige, dass "Lützerath uns alle was angeht".

"Wie ein Alien auf einem zerstörten Planet"

Es sei eine schöne, friedliche Demonstration gewesen, "mit vielen Menschen, ganz divers: Alte, junge, Menschen im Rollstuhl“, betont Eddi. Der bärtige Berufschullehrer war – wie die meisten der Würzburger Aktivisten - das erste Mal in Lützerath. Seinen ersten Eindruck von dem Braunkohleabbau beschreibt er als "dystopisch, es ist ein riesiges Loch, das größte in Europa. Ich kam mir vor wie ein Alien auf einem fremden, komplett zerstörten Planeten." Matsch und Regen seien für ihn das unangenehmste gewesen.

Gewalt habe es gegeben, die sei aber von der Polizei ausgegangen, glaubt Eddi. Sie sei mit Wasserwerfern auf friedliche Demonstranten losgegangen. Demonstranten hätten die Beamten sicherlich provoziert, "aber was heißt provoziert? RWE provoziert den Klimakollaps. Und da ist es auch voll in Ordnung, dass man da versucht, durch die Barrikaden nach Lützerath zu kommen. Das ist nichts Verwerfliches." Was genau passiert ist, habe er aber nicht sehen können, da er nicht in der vordersten Reihe gestanden habe.

"Raketen, Bengalos und Schlamm" gegen Polizei

Antonia Grimm war näher dran. Die Demonstranten hätten Raketen abgefeuert und auch einige Bengalos geworfen. "Ein bisschen Schlamm und Dreck ist auch geflogen. Aber die Polizei war auch nicht zimperlich", betont die Auszubildende für Krankpflege. Viele Neudemonstrierende seien vom Auftreten der Beamten verängstigt gewesen, die "Angststrategie" der Polizei sei voll aufgegangen. Die Stimmung war aufgeheizt, es habe viele Diskussionen gegeben. Wenn es ernst wurde, habe sie sich aber immer zurückgezogen, sagt Antonia Grimm.

Auch sie war zum ersten Mal in Lützerath. Die riesige Abbaugrube sei "hässlich, da hat man richtig Hass bekommen, muss ich ehrlich zugeben." Dass die Polizei dort einen Konzern verteidige, der nur auf Kapital aus sei, dafür hätten die Demonstranten kein Verständnis gehabt.

"Klares Zeichen" und "Grund für Hoffnung"

Die Demonstration habe sich für die Auszubildende "zu hundert Prozent" gelohnt. Teil einer Gemeinschaft von mehreren zehntausend Menschen zu sein, sei eine Erfahrung gewesen, die Antonia Grimm nicht so schnell vergessen werde. "Wenn da so viele Leute stehen (…) und da so viel Zusammenhalt ist – da bekommt man Hoffnung!" Johannes, ein Student, sieht das ähnlich. "Ich denke, das war ein eindeutiges Zeichen, dass wir da gegeben haben. 35.000 Menschen, das sollte ein Statement an die Regierung sein, dass nicht alle Leute damit einverstanden sind, was dort passiert."

Johannes, Antonia oder Berufsschullehrer Eddi – sie alle antworten mit einem klaren "Ja" auf die Frage, ob sie nochmal nach Lützerath fahren würden, um dort gegen den Braunkohleabbau und den Klimawandel zu demonstrieren. Auch Theresa Höne würde wohl helfen, eine weitere Fahrt mitzuorganisieren – "wenn da dann überhaupt noch was von Lützerath steht", meint die Studentin nachdenklich.

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