Montage Wolf und Bär
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Wolf und Bär - ist ein friedliches Nebeneinander mit den Menschen in Bayern möglich?

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Wölfe und Bären in Bayern – wie kann das funktionieren?

Wölfe und Bären sind wieder da, und es werden mehr. Die neue bayerische Wolfsverordnung soll ein schnelleres Abschießen ermöglichen, die Debatte ist aufgeheizt. Wie gehen Bürger und Bauern in den verschiedenen Wolfsregionen mit dem Thema um?

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Der Landkreis Donaus-Ries meldet in nur 14 Tagen 27 gerissene Schafe. Für einige davon soll ein Hund verantwortlich sein, für andere gelten Wölfe zumindest als Hauptverdächtige. Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Das Gleiche gilt für zwei gerissene Kälber in der Oberpfalz und in Oberbayern.

Zugleich beginnt jetzt die Weidesaison: An diesem Wochenende ist Almauftrieb am Königssee. Die Tierhalter in Bayern sind verunsichert, daran ändert auch die neue bayerische Wolfsverordnung nichts, mit der der Abschuss gefährlicher Wölfe leichter sein soll. Wir haben uns umgehört bei Landwirten und Schäfern in bayerischen Wolfsregionen.

Je näher die Wölfe in Bayern, desto mehr Unruhe

Seit im Landkreis Berchtesgaden und im Landkreis Traunstein Wölfe und auch mindestens ein Bär nachgewiesen worden sind, herrscht dort bei Almbauern Sorge: Wie soll es im Sommer weitergehen? Jungbauer Klaus Noichl aus dem oberbayerischen Grassau sagt, dass er sein Jungvieh "nur mit Bauchweh" auf die Almwiesen treibt. Denn Wölfe und Bären sind scheue, aber sehr mobile Tiere - und Bayern ist von Regionen umgeben, in denen es mehr Wölfe und Bären gibt.

Ein einzelner Wolf "kann bis zu 70 Kilometer in einer einzigen Nacht zurücklegen," erklärt der Biologe Stefan Kattari. Während das BR-Gespräch laufe, könne draußen schon wieder ein Wolf sein, erinnert er. Kattari ist Bürgermeister der Gemeinde Grassau im Chiemgau. Immer wieder gab es hier Risse. Dann dauert es Tage oder gar Wochen, bis nach Gen-Analysen feststeht, ob und wenn ja, welcher Wolf das Reh, Schaf oder Kalb gerissen hat - oder ob es wieder ein wildernder Hund war.

Gelassener Umgang und Zäune in der Oberpfalz

Auf den Truppenübungsplätzen in Grafenwöhr und Hohenfels in der Oberpfalz haben sich die Wölfe fest niedergelassen. Knapp 50 Kilometer entfernt hat Landwirtin Josefine Kick seit vielen Jahren rund zehn Mutterkühe auf der Weide. Die Tiere sind von Mitte Mai bis Oktober draußen auf der Wiese und bekommen dort auch ihre Kälber.

Noch war kein Wolf in der Nähe ihrer Tiere. Aber wenn doch? Eine Kuh könnte einen einzelnen Wolf vielleicht abwehren, aber kaum mehrere, befürchtet Josefine Kick. Ihre größte Sorge sind aber die Kälbchen: "Wenn da der Wolf käme, dann hätte natürlich so ein Kalb keine Chance."

Den Wolf mit Elektrozaun abschrecken

Die Bäuerin hat reagiert. Wenn sie ihre Tiere in den nächsten Tagen austreibt, soll der Wolf keine Chance haben: Denn Josefine Kick hat mit finanzieller Unterstützung des Freistaats ihre alten Zäune ersetzt durch einen neuen Elektro-Schutzzaun. Der erste Draht ist nur 20 Zentimeter vom Boden entfernt, damit der Wolf nicht darunter durchschlüpfen kann. Darüber vier weitere stromführende Drähte.

Aber es ist nicht damit getan, dass die zwei Kilometer neuer Zaun stehen - der Schutz bedeutet auch mehr Arbeit: "Es darf ja das Gras nicht an den Draht wachsen, sonst verlieren wir Strom. So muss darunter immer wieder sauber gemäht werden." Josefine Kick wird in diesem Sommer also häufig zur Sense oder einem kleinen Mäher greifen müssen.

Geförderter Herdenschutz nur in Wolfsgebieten

Nur in dafür ausgewiesenen Gebieten haben Weidetierhalter wie Josefine Kick Anspruch auf staatliche Förderung bei der Anschaffung von Herdenschutzmaßnahmen wie Elektrozäunen, Nachtpferchen oder Hunden.

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Wolfsgebiete in Bayern - hier fördert der Freistaat Herdenschutz

Schäfer aus der Oberpfalz schwört auf Herdenschutzhunde

Auch Johannes Ruhrdorfer will seine Tiere schützen. Der Schäfer arbeitet seit einigen Jahren mit Herdenschutzhunden. Er züchtet sie sogar, und verkauft sie inzwischen in andere Bundesländer wie Thüringen oder Brandenburg. Für die Winterweide wird der Oberfranke wieder in die Oberpfalz kommen, wo er dann in den Waldnaab-Auen mit Ziegen und Schafen Landschaftspflege betreiben wird.

Im Moment erreichen wir ihn aber mit seiner Herde mitten im Wolfsgebiet Südostbrandenburg nahe der polnischen Grenze. Mehrere Hunde halten die Herde zusammen und Wölfe ab. Denn die streifen hier durch, davon zeugt die Losung, also der Kot, den Ruhrdorfer immer wieder auf den weiten Wiesen findet. Aber mit seinen Hunden ist die Herde sicher, erzählt uns der Wanderschäfer:  

 "Das funktioniert eigentlich ganz gut. Das sieht man in anderen Ländern ja auch schon länger. Bloß bei uns ist es neu. Das heißt, eigentlich muss sich die Gesellschaft nur daran gewöhnen. Also die Hunde funktionieren, die Wölfe funktionieren auch, und wir Schäfer stehen da draußen und händeln das Ganze." Johannes Ruhrdorfer, Wanderschäfer

Probleme gibt es dann, wenn Wanderer oder Spaziergänger erschrecken durch das Gebell der Hunde. Denn das ist ungewohnt und kann Angst machen, so der Schäfer. Seine Herdenschutzhunde sind eine Eigenzüchtung aus der Rasse "Mastin Espanol" – diese Hunde fürchten keine Wölfe.

Herdenschutz besonders schwierig auf Bergweiden

Bisher wurden in Bayern erst ganze zwei Herdenschutzhunde in mit staatlicher Förderung beantragt. Über die Anzahl der geförderten Zäune gibt es keine verlässlichen Angaben.

Aber Zäune sind auch kein Allheilmittel, schon gar nicht in den Bergen. Darauf verweist Klaus Noichl aus Grassau. Wenn der Biobauer neben den 40 Kühen, die er im Tal hält, sein Jungvieh hoch oben auf die Almweiden treibt, dann sorgt er sich um die Tiere. Einen Herdenschutzzaun zu ziehen, das geht dort oben nicht, das liegt am steilen Gelände, wo es kaum gerade Flächen gibt, wo Wanderwege und Bachläufe die Weiden durchkreuzen.

Und dann sind da noch die Touristen, die seinem Vieh immer näher kommen - und Gatter öffnen für ihre Touren, die sie dann nicht mehr zumachen, schildert der Almbauer am Telefon.

Schutzzaun? Mancher Viehhalter ist skeptisch

Doch selbst wenn er einen Zaun bauen könnte, würde der sein Vieh nicht schützen, davon ist Klaus Noichl überzeugt. "Man weiß ja, dass Wölfe über meterhohe Zäune rüberklettern können. Und sie sind sehr intelligent. Und beim Bären ist sowieso bekannt, das der noch ein geringeres Schmerzempfinden hat wie ein Wolf. Und da ist es wahrscheinlich, dass der einfach so einen Zaun niederreißt", glaubt Noichl.

Sind Schutzhunde eine Gefahr für Touristen?

Auch die Haltung von Herdenschutzhunden hält Noichl in der Tourismusregion für nicht zu verantworten. Denn so ein Hund unterscheide nicht "ob ein Wolf oder ein Tourist" sich dem Vieh nähert. Wenn die Wanderer dann selbst noch Hunde dabei haben, kann es laut Klaus Noichl erst recht gefährlich werden.

"Wölfe und Bären bedrohen die Almwirtschaft"

Mehr Wölfe und mehr Bären bedeuten aus seiner Sicht, dass die Weidehaltung in den Gebirgsregionen massiv zurückgehen wird. Doch dann verändere sich auch die gewohnte Landschaft und "verbuscht" in wenigen Jahren, so die Befürchtung. Ähnliche Sorgen gibt es auch in anderen Tourismusregionen.

Klaus Noichl erhofft sich deshalb mehr Unterstützung von der Tourismuswirtschaft im Oberland und im Chiemgau. Er sitzt auch im Grassauer Gemeinderat, der vor Kurzem eine Resolution zum Thema "Umgang mit dem Wolf" verabschiedet hat.

Kritik an der Wolfsverordnung

Der Grassauer Bürgermeister Stefan Kattari will auch verhindern, dass in seiner Gemeinde Schafe oder Kälber gerissen werden. Aber die neue Wolfsverordnung der Staatsregierung hält er für ein Ablenkungsmanöver im Hinblick auf die Wahl.

Die Verordnung sei in ihren Ausführungsbestimmungen noch nicht klar und deshalb nicht das richtige Mittel, um den Bauern zu helfen, so Kattari. Zudem ist die Rechtslage ungesichert und es werden Klagen erarbeitet, denn Wölfe und Bären sind auch europarechtlich streng geschützt.

Mehr Unterstützung vom Freistaat gefordert

Stattdessen fordern die Grassauer mehr Unterstützung, auch für den Fall, dass die Tiere in Panik geraten und aus ihrer Weide ausbrechen, weil ein Bär oder ein Wolf herumschleicht. "Da braucht es individuelle Lösungen für die Weidehalter", sagt Kattari.

Er wünscht sich einen Ansprechpartner beim Landratsamt für Probleme mit Bär oder Wolf, Unterstützung bei Rissen und in Fällen, wo Vieh in Panik geraten abstürzt. Das haben die Grassauer über die SPD auch im Landtag eingebracht. Der Vorschlag wurde von CSU und Freien Wählern allerdings abgelehnt.

Schäferin: Abschuss von Wölfen keine Lösung

Auch Schäferin Christine Geiger aus dem unterfränkischen Gemünden fordert mehr Unterstützung und mehr Hilfe beim Herdenschutz. Ein schneller Abschuss von Wölfen sei keine Lösung.

Man müsse sich damit auseinandersetzen, dass Wölfe zurückkehren. "Für mich gehört der Wolf dazu zu unserer heimischen Wildtierlandschaft", sagt die Schäferin, "aber wir müssen auch die Regeln aufstellen, wie wir unsere Tiere schützen, und was wir mit Wölfen tun, die alle Maßnahmen überwinden." Wölfe wandern zu in Bayern, deshalb müsse mehr in Herdenschutz investiert werden, das sei sinnvoller als einzelne Wölfe abzuschießen.

"Weil dann hat man den einen erschossen, der die Schafe gerissen hat und nächstes Jahr wandert ein Neuer ein und wenn dann keine Elektrozäune, keine Herdenschutzmaßnahmen getroffen wurden in der Zeit, dann wird der auch wieder anfangen Schafe zu reißen und dann trifft’s einen praktisch immer unvorbereitet." Schäferin Christine Geiger

Von anderen Bundesländern lernen

Bayern könnte in dieser Beziehung auch von anderen Bundesländern lernen, sagen die Schäfer - denn die leisteten beim Herdenschutz deutlich mehr Unterstützung als der Freistaat Bayern.

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