Auf einem Handy in einem Auto wird die Beschaffenheit der Straße angezeigt
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Wie Künstliche Intelligenz gegen Schlaglöcher eingesetzt wird

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Wie Künstliche Intelligenz gegen Schlaglöcher eingesetzt wird

Schlaglöcher und Straßenschäden sind ein Ärgernis und können gefährlich sein. Um die Schäden zu erfassen, setzen immer mehr Kommunen in Bayern auf Künstliche Intelligenz. Wie es funktioniert und wo die KI in Städten noch zum Einsatz kommt.

Für seine Jagd auf Schlaglöcher braucht Ralf Seemiller nur wenig: gutes, trockenes Wetter und ein leistungsfähiges Smartphone mit einer speziellen Software. Das Gerät montiert der Tiefbauamtsleiter der Stadt Gersthofen im Landkreis Augsburg an einer Halterung an der Windschutzscheibe. Wenige Sekunden später hat er das intelligente Straßenerfassungsprogramm eingestellt und fährt los. Das Ziel heute: Die Sportallee. "Das ist eine vielbefahrene Straße, wo auch deutliche Schäden zu erkennen sind", sagt Seemiller.

Künstliche Intelligenz erfasst Straßenschäden

Und genau diese Schäden im Asphalt soll die Künstliche Intelligenz jetzt erfassen. Ein Knopfdruck am Lenkrad – dann macht die gekoppelte und hochauflösende Smartphone-Kamera automatisch während der Fahrt alle vier Meter ein Bild von der Straße. "Während der Befahrung und während des Bildschießens läuft ein Algorithmus durch die KI. Die kann erkennen, ob es Kanaldeckel sind oder ob es ein Riss oder ein Schlagloch ist", sagt Seemiller. Der Tiefbauamtsleiter fährt die Sportallee auf beiden Straßenseiten ab, damit die Künstliche Intelligenz alle Schäden erfassen kann - mehr als 1.400 Bilder nimmt das Smartphone auf.

KI ist schneller und günstiger

Gersthofen setzt seit Februar auf Künstliche Intelligenz statt Zettelwirtschaft – denn früher mussten Mitarbeiter raus fahren und die Schäden händisch dokumentieren - das kostete mehr Zeit und Personal. Mit der KI geht es schneller und einfacher, schwärmt Gersthofens Bürgermeister Michael Wörle (parteilos). "Wir brauchen nur eine Person, die rausfahren muss. Und das muss kein Ingenieur oder Techniker sein wie früher", sagt Wörle.

Eine Woche statt Dreivierteljahr

Die KI sei hocheffizient und schnell - und deutlich günstiger. Denn früher wurden auch externe Firmen mit teuren Messfahrzeugen beauftragt, diese Kosten fallen nun weg. Noch dazu gehe die Auswertung der Bilder deutlich schneller, ergänzt Tiefbauamtsleiter Ralf Seemiller. "Früher hat das immer ein halbes bis Dreivierteljahr gedauert. Und das ist natürlich für uns jetzt ein deutlicher Mehrwert, weil wir sofort reagieren können."

Gesichter und Kennzeichen werden verpixelt

Alle Fotos werden aus Datenschutzgründen automatisch verschlüsselt – und auf einen Server des Anbieters hochgeladen und dort gespeichert. Die Künstliche Intelligenz der Stuttgarter Firma wertet die Bilder aus, sagt Tiefbauamtsleiter Ralf Seemiller, erst danach werden die Bilder anonymisiert an das Tiefbauamt freigegeben: "Alle Gesichter und Kennzeichen werden unkenntlich gemacht, verpixelt, sodass wir keine Rückschlüsse ziehen können. Welche Autos standen da, welche Menschen waren unterwegs? Die Auswertung dauert ungefähr eine Woche, bis uns die Bilder zur Verfügung stehen."

Die fertigen Bilder – inklusive Schadensauswertung und Straßenkarte – schauen sich Ralf Seemiller und seine Mitarbeiter dann am PC an. Viele bunte Punkte auf der Karte zeigen an, welche Schäden die Künstliche Intelligenz auf der Straße entdeckt hat. Jeder Punkt kann angeklickt und das zugehörige Bild angeschaut werden. Die KI unterscheidet mehrere Schadensklassen, wie etwa Schlaglöcher, Abplatzungen, Randabbrüche oder Risse. Anhand der Daten können die Mitarbeiter des Tiefbauamts priorisieren, welche Schäden zuerst repariert werden müssen. 75 von insgesamt 110 Kilometern Straßennetz sind in Gersthofen bereits ausgewertet.

Bayerische Kommunen setzen auf Künstliche Intelligenz

Gersthofen ist nicht die einzige Kommune in Bayern, die mit Künstlicher Intelligenz gegen Straßenschäden vorgeht. Mehr als 40 bayerische Städte und Gemeinden nutzen das Straßenerfassungssystem der Stuttgarter Firma "vialytics". Bamberg war 2019 die erste Stadt in Bayern, die die Software einsetzte. Man sei "unverändert sehr zufrieden damit und hat das komplette Straßen- und Wegenetz, über 270 Kilometer, in das Paket aufgenommen", teilt die Stadt Bamberg mit. "Dabei unterstützt die KI sowohl bei der Aufdeckung von akuten Schäden als auch bei der Planung von Unterhaltungsmaßnahmen." Auch beispielsweise in Würzburg, Treuchtlingen, Bad Griesbach und Wertingen kommt die Künstliche Intelligenz zum Einsatz.

Künstliche Intelligenz in der Städteplanung

Die Künstliche Intelligenz wird in Bayerns Städten und Gemeinden immer wichtiger, beobachtet Thomas H. Kolbe, Professor für Geoinformatik an der Technischen Universität München. Denn KI habe ein sehr großes Potenzial. Zum einen werde die KI zur Datenerfassung eingesetzt, zum anderen für Analyse und Auswertung. Für die Kommunen sei stets die Frage wichtig, wofür sie gewonnene Informationen einsetzen und auswerten möchten. "Das hat einen Einfluss darauf, welchen Aufwand ich bei der Datenerfassung betreibe", sagt Prof. Kolbe.

Künstliche Intelligenz könnte künftig etwa bei der Verkehrssimulation oder Städteplanung gut genutzt werden, zum Beispiel bei Baulücken oder Kreuzungen. Die KI könnte viele verschiedene Szenarien entwerfen: "Was wäre, wenn ich in meiner Stadt an einer Stelle etwas umbauen wollte? Dann kann die KI auf Basis von großen Datenmengen, die zuvor zugeführt worden sind, konkrete Vorschläge und Prognosen machen", erklärt der Geoinformatiker. Er glaubt, dass man langwierige Planungs- und Prüfungsprozesse, die früher mehrere Fachabteilungen durchlaufen mussten, damit schneller abhandeln könnte. Am Ende entscheide stets der Mensch, welcher Vorschlag in die Realität umgesetzt werde. Die KI sei nur eine effiziente und schnelle Entscheidungshilfe.

Ein Mann zeigt mit dem Finger auf einen Bildschirm auf dem Punkte in verschiedenen Farben zu sehen sind.
Bildrechte: BR/Veronika Scheidl

Auf der Karte zeigen Punkte in verschiedenen Farben an, wo die Künstliche Intelligenz Schäden gefunden hat.

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