In Neuperlach, einem Stadtteil von München, soll sich zeigen, wie das Wohnen der Zukunft geht. Hier entwickelt derzeit ein Projektteam, wie ein Quartier nachhaltig und klimafreundlich, bezahlbar und auch attraktiv für die Bewohner gestaltet werden kann. Eine große Aufgabe, denn viele Gebäude und Freiräume in Neuperlach sind sanierungsbedürftig. Neuperlach ist eins von fünf Leuchtturmprojekten des "Neuen Europäischen Bauhauses". Diese Initiative der Europäischen Kommission soll beweisen, dass Wandel möglich ist.
Umweltbundesamt fordert grundlegenden Wandel
Denn ein Wandel ist dringend nötig beim Bauen und Wohnen, sagt Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamts. Mehr als 30 Prozent der deutschen Treibhausgase hängen direkt mit Gebäuden zusammen. 50 Prozent der Rohstoffgewinnung in Deutschland werden für Baumaterialien benötigt. Ohne den Gebäudesektor anzugehen, kann Nachhaltigkeit nicht gelingen.
Messner fordert einen Paradigmenwechsel und warnt davor, angesichts von Inflation und Energiekrise zu sagen, Klimaschutz könnte zu teuer werden. "Wir haben während der Finanzkrise, der Flüchtlingskrise, der Pandemie immer gute Gründe gefunden, andere Dinge wichtiger zu finden als den Klimaschutz und die Zirkularität", sagt Messner. Das zu wiederholen wäre eine "Bankrotterklärung für unsere Klimaziele".
Bauen im Bestand statt Neubau
Damit es diesmal anders läuft, hat das Umweltbundesamt Handlungsempfehlungen vorgelegt. Ein zentraler Punkt: vorhandene Gebäude lieber umbauen und sanieren als abreißen. Wohnungen im Bestand, zum Beispiel in ehemaligen Gewerbeimmobilien zu schaffen, solle Vorrang vor dem Neubau haben. Außerdem sollte in Innenstädten nachverdichtet werden, statt auf der grünen Wiese gebaut, ergänzt Umweltministerin Steffi Lemke von den Grünen. Das spare "Energie, Abfälle und Treibhausgase und senkt den Flächenverbrauch".
Grundsätzlich geht da auch Bauministerin Klara Geywitz von der SPD mit, betont aber: "Wir können nicht mit dem Ansatz, wir bauen gar nichts mehr, vorangehen." Den notwendigen Zubau müsse man möglichst ökologisch verträglich realisieren.
Alte Baustoffe recyclen
Dabei ist aus Sicht des Umweltbundesamts wichtig, viel mehr Baustoffe zu recyclen und im Kreislauf zu führen. Diese Zirkularität müsse von der Nische in den Mainstream kommen, fordert Dirk Messner. Auch die Bauministerin will Bauherren dazu bewegen, weniger knappe Rohstoffe, wie Metalle, Sand und Kies einzusetzen, stattdessen mehr nachwachsende wie Laubholz, Ton und Lehm.
Viel Einigkeit demonstrieren die zwei Ministerinnen Geywitz und Lemke und der Präsident des Umweltbundesamtes, als sie gemeinsam die Studie vorstellen. Dem großen Zielkonflikt weichen sie aber aus: Wie können gleichzeitig hohe Klima- und Nachhaltigkeitsstandards umgesetzt werden und das Bauen und Wohnen trotzdem sozial und bezahlbar bleiben? Das Umweltbundesamt verweist auf die Vorschläge der Baukostensenkungskommission und auf preisgekrönte Projekte, die beweisen, dass das klappen kann. Zum Beispiel ein Passivhaus der Wohnungsbaugesellschaft ABG Frankfurt.
Diskussion um neue Baustoff-Steuer
Dass es aber spätestens dann knirschen könnte, wenn es um die Umsetzung der Empfehlungen geht, zeigt sich an einem Punkt auf der Pressekonferenz. Das Umweltbundesamt fordert im Positionspapier eine Steuer auf neu hergestellte Baustoffe, zum Beispiel aus Kies, Sand und Naturgips. Das würde diese Baustoffe teurer machen und damit Recycling-Baustoffe, für die diese Steuer dann nicht anfällt, attraktiver.
Dem erteilt die SPD-Politikerin Geywitz eine klare Absage: "Wir sehen nicht, dass angesichts der jetzigen Entwicklung bei den Baukosten das notwendig ist, noch zusätzliche Belastungen von staatlicher Seite durch eine Primärrohstoffsteuer zu schaffen." Auch Grünen-Politikerin Lemke ist gegen die Steuer.
Den Punkt aus den Empfehlungen wird die Politik also schon mal nicht umsetzen. Bei vielen der anderen Vorschläge sind nicht nur die Bundesministerinnen gefragt, sondern auch die Länder und letztlich die Kommunen, die über die Bauanträge entscheiden.

Grüner wohnen - Wer soll den kimagerechten Umbau bezahlen?
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