Die Antidiskriminierungsberatungsstellen arbeiten niedrigschwellig, intersektional und im Sinne der Betroffenen.
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Die Antidiskriminierungsberatungsstellen arbeiten niedrigschwellig, intersektional und im Sinne der Betroffenen.

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Wie Bayerns Antidiskriminierungsstellen um ihre Zukunft kämpfen

Wie Bayerns Antidiskriminierungsstellen um ihre Zukunft kämpfen

Zwei Jahre nach dem Start des Bundesprogramms "respekt*land" ziehen Bayerns Antidiskriminierungsberatungsstellen eine gemischte Zwischenbilanz: Die Nachfrage nach Unterstützung ist hoch, doch ob die Projektförderung weitergeht, ist ungewiss.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Das Fazit der Antidiskriminierungsberatungsstellen in Bayern nach zwei Jahren ist gemischt. Seit Frühjahr 2023 wurden bayernweit 488 Beratungsfälle bei den Projekten dokumentiert. Die Betroffenen berichten von Diskriminierung beim Wohnungsamt, im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder in Behörden. Am häufigsten ging es um Antiziganismus – also Diskriminierung von Sinti und Roma –, gefolgt von rassistischen und behindertenfeindlichen Vorfällen.

Nachbarn bewarfen und beleidigten ihn mit dem Z-Wort

Was das konkret bedeutet, zeigt das Beispiel von A. Er wollte anonym bleiben. Der 31-Jährige gehört der Minderheit der Roma an, lebt mit seiner Familie in Bayern – und kennt Ausgrenzung seit seiner Kindheit. Untergebracht in einer Notunterkunft, wurde er bei der Wohnungssuche immer wieder abgelehnt. Nachbarn beschimpften ihn, warfen Gegenstände vom Balkon und beschimpften ihn mit dem Z-Wort - jene Fremdbezeichnung, die von den meisten Angehörigen der Minderheit abgelehnt wird. Besonders hart traf die Familie, dass ihr Sohn bei der Schuleingangsuntersuchung – wegen Haargel – als "unhygienisch" eingestuft wurde. Die Fachkraft vor Ort schaltete zudem das Jugendamt ein und stellte eine Empfehlung für die Förderschule aus.

Unterstützung fand A. bei einer Antidiskriminierungsberatungsstelle – gefördert durch das Bundesprogramm "respekt*land". Die Beratungen setzen auf Gespräche auf Augenhöhe. Es geht nicht darum, über Betroffene hinweg zu entscheiden, sondern gemeinsam Lösungen zu erarbeiten – zum Beispiel in vermittelnden Gesprächen mit Schulen, Vermietern oder Behörden.

Großer Bedarf – wenig Planungssicherheit

Michelle Berger, die Beraterin von A. erklärt: Viele Ratsuchende trauen sich nicht, juristische Schritte zu gehen. Stattdessen setzen die Stellen auf niedrigschwellige Vermittlung. Auch im Fall von A. konnte die Situation verbessert werden: Die Familie fand eine Wohnung, der Sohn wechselte erfolgreich in eine Regelschule.

Der Bayerische Jugendring (BJR), einer der Träger, sieht die Politik nun in der Verantwortung. Präsident Philipp Seitz betont: Der Freistaat beteiligt sich bislang nicht an der Finanzierung – obwohl andere Länder wie Baden-Württemberg oder Niedersachsen längst eigene Landesantidiskriminierungsstellen aufgebaut haben. In Bayern hingegen droht das Aus.

Milad: Vom Gefühl, plötzlich nicht mehr allein zu sein

Auch Milad hat Diskriminierung erlebt. Der 36-Jährige floh aus dem Iran, kam 2019 nach Deutschland – und wurde bereits wenige Monate nach Beginn seiner Berufsausbildung in der Schule ausgegrenzt. Der psychische Druck war groß, die Nächte vor dem Unterricht oft schlaflos.

Die Beratungsstelle "Füreinander in Oberfranken" nahm Kontakt mit der Schule auf, vermittelte Gespräche. Es war ein langer Prozess – doch am Ende sprach sich ein Lehrer offen bei Milad für sein Verhalten aus, entschuldigte sich. Milad konnte seine Ausbildung beenden und arbeitet heute als Schreiner in Schwarzenbach.

Beratungsstellen fordern klare Zusagen

Die Projektträger machen deutlich: Die Beratungsstellen füllen eine Lücke. Sie arbeiten niedrigschwellig, intersektional – und vor allem: parteiisch im Sinne der Betroffenen. Sie fordern nun nicht nur eine Anschlussfinanzierung durch den Bund, sondern auch ein klares Bekenntnis vom Freistaat. Eine bayerische Landesantidiskriminierungsstelle, wie es sie andernorts längst gibt, sei überfällig.

Die Träger führen derzeit Gespräche mit verschiedenen Landtagsabgeordneten, um sie von ihrem Vorhaben zu überzeugen. Im vergangenen Jahr sagte das bayerische Sozialministerium der Deutschen Presseagentur, dass es keine Pläne für eine landesweite Antidiskriminierungsstelle gebe, da Bayern bereits Anlaufstellen habe. Außerdem könne man sich an die Stelle des Bundes wenden oder an die kommunalen Angebote.

Denn Diskriminierung passiert mitten in Bayernin der Schule, beim Arzt, auf dem Wohnungsmarkt. Und sie betrifft viele. Die Nachfrage zeigt: Die Beratung wird gebraucht. Doch ob es sie in zwei Jahren noch geben wird, ist derzeit ungewiss.

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Milad (links) hat bei einem Berater der Stelle "Füreinander in Oberfranken" (rechts) Hilfe gefunden.

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