Weniger Tierprodukte, mehr Obst, Gemüse, Nüsse oder Hülsenfrüchte: Nach diesem Schema soll es möglich sein, alle Menschen dieser Erde bis zum Jahr 2050 nachhaltig und gesund zu ernähren. Das zumindest verspricht der im Januar 2019 veröffentlichte Report der EAT-Lancet-Kommission. Ihr gehören 37 Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen und 16 Ländern an, darunter Klimaforscher und Ernährungswissenschaftler.
Das Ziel der Forscher war es, eine wissenschaftliche Grundlage für einen Wandel des globalen Ernährungssystems zu schaffen. Herausgekommen ist dabei auch die "Planetary Health Diet", ein Speiseplan, der die Gesundheit des Menschen und des Planeten gleichermaßen schützen könnte.
Der Planetary-Health-Speiseplan der Zukunft
Der Speiseplan umfasst ca. 2.500 Kalorien, für körperlich Arbeitende etwas wenig, bemängeln Kritiker. Sogenannten "Flexitariern", die sich nur ab und zu ein bisschen Fleisch gönnen, dürfte der Plan entgegenkommen. Die Forscher der EAT-Lancet-Kommission schätzen, dass die "Planetary Health Diet" ungefähr elf Millionen vorzeitige Todesfälle durch ernährungsbedingte Erkrankungen verhindern könnte.
Bei uns in Deutschland sinkt der Fleischkonsum inzwischen, ist aber mit durchschnittlich 55 Kilogramm pro Kopf und Jahr rund doppelt so hoch wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen.
Weniger Fleisch essen
Fleisch ersetzen – das wird die Hauptaufgabe sein. Ansätze gibt es bereits viele. Sie reichen von Laborfleisch über vegane Alternativen auf Basis von Pflanzenproteinen bis hin zu Fermentationsprodukten. Diesen Weg, mit Hilfe der uralten Technik der Fermentation neue Lebensmittel zu produzieren, geht das Freisinger Start-up Walding beispielsweise mit seinem veganen Quinoa-Burger.
Veganer Burger aus Quinoa
Dazu versetzt das Team um David Stille gedämpften Quinoa mit einer geheimen Mischung aus Pilzen und Bakterien. Das Ganze wird in Burger-Förmchen aus Silikon gegeben und fest angedrückt. Das ist wichtig, damit die Mikroorganismen während der Fermentation von Korn zu Korn wandern können. Dann kommen die Patties in die Klimakammer. Dort herrschen die perfekten Bedingungen für die Kulturen. Wenn die Mikroorganismen nach rund 36 Stunden das Patty durchwachsen haben, sieht das ein bisschen aus wie ein Camembert.
"Die Patties sind von den Mikroorganismen komplett durchwachsen worden. Das gibt dem Ganzen eine fleischartige Konsistenz. Wenn du das biegst oder anfasst: Von dem krümeligen Quinoa ist da nichts mehr zu spüren." David Stille, Food-Start-up Walding, Freising
Weniger Zusatzstoffe
Im Prinzip machen die Mikroorganismen das, wozu sonst Zusatzstoffe benötigt werden. Um noch einen fleischähnlichen Geschmack hinzubekommen, werden die Patties mariniert, mit einer Marinade aus fermentierten weißen Bohnen. Fleisch nachahmen wollen die Gründer gar nicht. Vollmundig soll es sein und einen eigenen Charakter haben. Dass viele Produkte dennoch Fleisch oder Wurst imitieren wollen, kann David Stille nachvollziehen. Wenn man etwas Neues einführen wolle, sei es häufig einfacher, ein Produkt anzustreben, das ähnlich ist zu dem, was die Leute schon kennen.
Vegane Leberwurst und geupcycelte Sojasauce als Nebenprodukte
Beim Herumexperimentieren ist das Start-up noch auf ganz andere Kreationen gestoßen, zum Bespiel eine vegane Leberwurst aus fermentiertem Grünkern. Geröstet bringe der tatsächlich ein leberwurstartiges Aroma mit, erzählt David Stille. Und das alles ohne Aromen oder Zusatzstoffe.
Mit Hilfe eines japanischen Schimmelpilzes hat das Team ganz nebenbei eine Sojasauce aus Resten entwickelt und so komplett auf die sonst üblichen Zutaten Weizen und Soja verzichtet: "Wir nehmen Altbrot und Presskuchen - das ist das, was bei der Ölherstellung übrigbleibt. Das sind beides eigentlich Produkte, die für die menschliche Ernährung erst einmal nicht mehr geeignet sind. Aber der Pilz schafft es, die Nährstoffe herauszulösen und dann in der Form der Sojasauce wieder in die menschliche Nahrungskette einzubringen."
Veganer Fisch gut für die Weltmeere
Nicht nur die landwirtschaftlichen Flächen kommen an ihre Grenzen, auch die Weltmeere leiden. Ein Drittel der kommerziellen Fischbestände weltweit gilt bereits als überfischt. Weitere 60 Prozent sind in ernsthafter Gefahr. Vor diesem Hintergrund ist es eigentlich höchste Zeit für gesunde und nachhaltige Alternativen.
Happy Shrimps aus Bayern
Plastikmüll im Meer und zerstörte Riffe haben beim leidenschaftlichen Surfer und Taucher Julian Hallet den Wunsch befeuert, daran etwas zu ändern. Und so hat der Münchner Gründer den Entschluss gefasst, eine pflanzliche Garnele zu entwickeln. Sie besteht aus nur wenigen Zutaten, nämlich Braunalgenextrakt, Sojabohnenprotein, Agavensirup, Meersalz, Paprikapulver und Wasser. Nach vielen Laborversuchen kann Julian Hallet und sein Team die Shrimps jetzt in großem Maßstab produzieren. Bis zu sechs Tonnen Garnelen rollen bei Happy Ocean Foods pro Monat vom Fließband.
Fischfilet aus fermentierten Mikroalgen
In einem Labor im Weihenstephaner Venturelab der TU-München blubbert in bauchigen Glasflaschen eine grüne Flüssigkeit. Die Farbe stammt von unzähligen, mikroskopisch kleinen Algen, die zu einem veganen Fischersatz fermentiert werden. Wie das funktioniert, erklärt Gründer Dr. Guido Albanese so: "In der Natur werden Mikroalgen von Fischen gefressen und landen dann über die Nahrungskette auf unseren Tellern. Und wir ersetzen die Fische durch eine traditionelle Fermentation." So wie man die Gerste beim Bier nehme, um daraus den Alkohol zu bekommen, so wird hier eben mit Mikroalgen ein Fischersatz.
Sechs Tage dauert die Verwandlung. Dann ist aus der grünen Flüssigkeit ein weißes, festes Stück Fisch geworden. Bei ersten Verkostungen hat der "Ersatz-Kabeljau" schon recht gut abgeschnitten. Einige Probanden konnten kaum einen Unterschied zu echtem Seefisch feststellen. Der vegane Fischersatz, der nächstes Jahr auf den Markt kommen soll, kommt weitgehend ohne Zusatzstoffe aus. Das Beste aber ist: Er erreicht bereits jetzt ein Drittel des Eiweißgehalts von echtem Fisch und ist ähnlich reich an Omega-3-Fettsäuren.
Nachhaltige Ernährung: Ein Burger aus Quinoa
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