Wasserhosen bilden sich über deutschen Seen immer wieder.
Bildrechte: Dr. Christoph Sommergruber/dpa

01.08.2021, Baden-Württemberg, Friedrichshafen: Eine Wasserhose fegt vor Friedrichshafen über den Bodensee.

    Wetter: Kommen Tornados in Bayern häufiger vor als früher?

    Mehrere Tornados sorgten vergangenen Freitag für Verwüstungen in Nordrhein-Westfalen. Auch in Bayern treten sie immer wieder auf. BR-Wetterexperte Gerhard Amberger klärt im Interview die wichtigsten Fragen zu Tornados und die aktuelle Wetterlage.

    Tornados können eine Schneise der Verwüstung hinter sich herziehen – was vor wenigen Tagen im nordrhein-westfälischen Paderborn geschehen ist. Doch die auch "Windhosen" genannten Wetterphänomene kommen in ganz Deutschland vor und damit auch in Bayern. Was hat es mit Tornados auf sich, treten sie häufiger auf und welche Unwetter stehen Bayern diesen Montag bevor? BR-Wetterexperte Gerhard Amberger gibt im BR24-Interview die Antworten.

    BR24-Redaktion: Verheerende Bilder am Wochenende aus NRW, schwere Unwetter, starke Verwüstungen, besonders in Lippstadt und Paderborn. Bestätigt sind insgesamt drei Tornados. Ursache waren sogenannte Superzellen. Was macht sie so gefährlich?

    Gerhard Amberger: Superzellen sind mehrere Gewitterzellen, die sich zusammenschließen zu einem mächtigen Gewitter, das rotiert – das sieht in etwa aus wie ein Ufo, ist mehrere Kilometer groß und muss dann mindestens eine halbe Stunde rotieren – dann sprechen wir von einer Superzelle. Darin gibt es extrem starke und getrennte Auf- und Abwinde. Damit so eine Superzelle entsteht braucht es feuchte Luft, die Temperaturen müssen nach oben hin unterschiedlich sein. Dann entstehen Gewitterwolken. Und in den verschiedenen Höhen muss eine Windscherung da sein. Das heißt Windgeschwindigkeit und auch die Windrichtung ändern sich mit der Höhe.

    Superzellen bringen enorme Mengen an Starkregen, heftige Windgeschwindigkeiten und meistens auch großen Hagel. Im Gegensatz zum normalen Gewitter hat eine Superzelle eine deutlich längere Lebensdauer, das können schon mal bis zu sechs Stunden sein, und je länger die Superzelle aktiv ist, desto stärker wird der Wind. Da muss nicht immer gleich ein Tornado rauskommen, wie jetzt etwa in Paderborn, aber möglich ist das bei einer Superzelle immer.

    BR24-Redaktion: Tornados in Deutschland – das klingt ungewöhnlich. Müssen wir uns darauf einstellen, dass das jetzt häufiger vorkommt?

    Gerhard Amberger: Tornados kommen immer wieder vor bei uns in Deutschland. Früher haben wir eher von einer Windhose gesprochen. Den Begriff Tornado kennen wir eher von Bildern aus Amerika, wenn ganze Häuser in die Luft gehoben werden. Aber es ist genau dasselbe. In Deutschland tauchen jedes Jahr so 40 bis 80 Tornados auf. Nur werden viele gar nicht bemerkt. Dreht sich der Tornado-Rüssel über unbebautes Gebiet, kann es sein, dass das der Landwirt oder der Waldbesitzer merkt, wenn überhaupt.

    Und in den vergangenen Jahren sind die Tornado-Sichtungen mehr geworden, durch private Videoaufnahmen, die dann über Social-Media und die Medien verbreitet werden. Das erklärt vielleicht, warum wir das Gefühl haben, dass es aktuell mehr Tornados in Deutschland gibt. Meistens lebt so ein deutscher Tornado nicht lang. Dieser Tornado, der jetzt durch Paderborn gefegt ist, hat ungewöhnlich lange durchgehalten. Dementsprechend gab es dann auch diese massiven Schäden, vor allem weil er durch bewohntes Gebiet gezogen ist.

    BR24-Redaktion: Auch in Franken und in der Oberpfalz gab es Unwetter, in Spalt im Landkreis Roth stürzte eine Holzhütte ein. Insgesamt sind wir aber glimpflicher davongekommen ...

    Gerhard Amberger: Deutlich glimpflicher. Der Schwerpunkt dieses Unwetter-Tiefs hat Franken und die Oberpfalz nur "gestreift", aber auch das ist heftig genug. Die Gewitter im Süden waren auch nicht ohne, die sind aber hauptsächlich als reine Hitzegewitter entstanden.

    BR24-Redaktion: Die Unwetterprognosen waren auch für Bayern teils sehr dramatisch. Wie genau kann man denn vorhersagen, wo es besonders schlimm wird?

    Gerhard Amberger: Man kann schon grob für eine Region warnen, wie zum Beispiel am Freitag. Da ist eine Kaltfront auf die warme Luft getroffen. Die Kaltfront schiebt sich mit einer gewissen Geschwindigkeit voran, da kann man die Wegstrecke berechnen. Manchmal kann man eventuell erst zwei Stunden vorab sagen, wie heftig es wird. Bei einem Tornado auch nur wenige Minuten vorab.

    Na ja, dann ist so eine Unwetterwarnung da – und dann heißt es: War ja gar nicht so schlimm, ist ja kaum was passiert. Aber die Schadensbilanz sagt ja nicht unbedingt was aus über die Heftigkeit der Wettersituation. Er reicht ja schon aus, wenn Abwasser-Kanäle den Starkregen nicht mehr aufnehmen können und dann ein Gebiet plötzlich überschwemmt wird. Oder ob ein Hang hält oder nicht, wenn der Boden das viele Wasser nicht so schnell aufnehmen kann.

    BR24-Redaktion: Wie geht es diese Woche weiter, müssen wir uns auf weitere starke Unwetter einstellen?

    Gerhard Amberger: Leider ist heute, am Montag, wieder so ein Tag. Ähnlich wie Freitag. Am Nachmittag steigt das Gewitter-Risiko aus Baden-Württemberg und aus den Alpen heraus. Da können wieder Starkregen, Hagel und orkanartige Böen dabei sein! Morgen gibt's häufig gewittrigen Regen, am Mittwoch noch von den Alpen bis rein in den Bayerischen Wald. Dann ist sozusagen die Luft raus – es wird kühler. Und es entstehen keine Unwetter mehr.

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