In sechs deutschen Städten hat Correctiv die Recherche "Wem gehört die Stadt?" bereits umgesetzt. Darunter in Hamburg, Berlin und Düsseldorf.
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In sechs deutschen Städten hat Correctiv die Recherche "Wem gehört die Stadt?" bereits umgesetzt. Darunter in Hamburg, Berlin und Düsseldorf.

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Wem gehört die Stadt? Das brachten die bisherigen Recherchen

In sechs deutschen Städten hat Correctiv die Recherche "Wem gehört die Stadt?" bereits umgesetzt. Mit spannenden Ergebnissen. Ein Rückblick zum Start der siebten Bürgerrecherche in Augsburg, München und Würzburg.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Vor zwei Jahren ging es los. Fast analog. Zwei Reporter des gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv richteten über mehrere Wochen einen Redaktionssitz in einem Café im Hamburger Stadtteil St. Pauli ein. Dort konnten Mieterinnen und Mieter aus Hamburg die Reporter besuchen, sie stellten Fragen zum Wohnungsmarkt und brachten Mietverträge mit. Zur selben Zeit luden Bürgerinnnen und Bürger aus den unterschiedlichsten Stadtteilen Hamburgs Informationen und Belege über den Eigentümer ihrer Wohnung im Crowdnewsroom hoch. Aus den übermittelten Dokumenten setzten die Correctiv-Reporter aus kleinen Puzzleteilen nach und nach ein größeres Bild zu den Wohnungseigentümern der Stadt zusammen. Das war der Beginn von "Wem gehört Hamburg?".

Über tausend Teilnehmer in Hamburg

Ein halbes Jahr dauerte die Recherche, an der sich mehr als tausend Menschen beteiligten. Durch die hohe Beteiligung konnten mehr als 15.000 Wohnungen konkreten Namen von privaten Eigentümern zugeordnet und zu den Problemen recherchiert werden, die aufgrund der Intransparenz des Immobilienmarktes in Deutschland existieren.

Und hier können Sie bei "Wem gehört die Stadt?" in Augsburg, München und Würzburg teilnehmen.

Correctiv konnte berichten, wie die Hansestadt an Firmen in Steueroasen Grundstücke verkaufte; wie eine städtische Immobilienfirma und Pensionskassen am Boom mitverdienen und damit Bürger und Versicherte mittelbar von den steigenden Mietpreisen profitieren. Oder wie die Intransparenz des Wohnungsmarktes die Verfolgung von organisierter Kriminalität erschwert. Überraschend war, dass bei der Bürgerrecherche in Hamburg sehr viele Einträge von Genossenschafts-Mietern eingingen und kein einziger davon von einer negativen Mietergeschichte begleitete wurde. Das gab es bei keiner anderen Eigentums-Form. Die Genossenschaften veröffentlichten im Lauf des Projektes ihren kompletten Bestand von über 130.000 Wohnungen.

Pilotprojekt mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet

Hamburg war für Correctiv das Pilotprojekt zu "Wem gehört die Stadt?". Die Jury des Grimme Online Awards 2019 zeichnete die Recherche als ein "herausragendes Beispiel" aus, wie Journalismus im Netz und unter Nutzung digitaler Tools seiner gesellschaftlichen Aufgabe und Verantwortung gerecht werden könne.

Große und kleinere Städte: von Berlin bis Lüneburg

Correctiv übertrug die Bürgerrecherche auf weitere Städte, immer in Kooperationen mit lokal verankerten Medien. Mittlerweile haben Redaktionen in den Großstädten Hamburg, Berlin und Düsseldorf das Projekt umgesetzt. Und Correctiv suchte ganz bewusst Partner abseits der Metropolen in Städten, die eine ganz eigene Dynamik am Immobilienmarkt erleben. Es beteiligten sich Leserinnen und Leser von Tageszeitungen in Lüneburg, Heidenheim und Minden. Die Recherchen zeigen ganz unterschiedliche Phänomene.

In Berlin verschleiert eine Milliardärsfamilie mit einem Geflecht aus Briefkastenfirmen ihre Immobilien. Sie zählt zu den geheimen Großeigentümern der Stadt, zahlt aber kaum Steuern. In der Debatte um Enteignungen großer Eigentümer war diese Recherche brisant, weil der Berliner Senat dieses Unternehmen gar nicht auf dem Schirm hatte. In Düsseldorf beeinflussen die Kirchen mit tausenden Wohnungen den Immobilienmarkt. Immer wieder geht es bei den Recherchen auch darum, die tatsächlichen Eigentümer hinter Zweckfirmen für eine Immobilie zu recherchieren. Und welche Anteilseigner am Ende profitieren.

In Lüneburg gibt es kaum ein Thema, das Mieter und Eigentümer so beschäftigt wie die Erbpacht, die dort eine große Rolle im Wohnungsmarkt spielt. Die Bodenpreise explodieren und damit auch die Kosten für Erbbau-Pächter. Die Landeszeitung Lüneburg hat aus den Einträgen der Bürger und durch weitere Recherchen detaillierte Analysen erarbeitet und Lösungsvorschläge diskutiert.

Konstruktive Debatten angeregt

Mit mehr Informationen kann eine differenzierte Debatte geführt werden. Correctiv konnte mit seinen bisherigen Partnern bei "Wem gehört die Stadt?" über faire und dubiose Investoren berichten, über nachhaltigen Städtebau und den Ausverkauf von Grundstücken durch eine Kommune. In allen Städten, in denen die Bürgerrecherche bisher stattfand, entstanden durch das gewonnene Wissen über den Markt auch lebhafte und vor allem konstruktive Debatten mit Mietern, Politikern, Vermietern oder Initiativen darüber, wie der Wohnungsmarkt besser reguliert werden kann.

Mittlerweile wird auf politischer Ebene diskutiert, ob es ein Immobilienregister geben sollte, in dem zumindest Firmen einsehbar sein sollten. Gerade Steuerfahnder und Geldwäsche-Experten fordern das seit Langem.

Correctiv ist das erste gemeinnützige Recherchezentrum im deutschsprachigen Raum. Correctiv arbeitet unabhängig und nicht gewinnorientiert. Die Redaktion finanziert sich ausschließlich über Mitgliedsbeiträge von Unterstützerinnen und Unterstützern und über Spenden. Mehr über Correctiv unter correctiv.org.