Rund 10 Millionen Euro Defizit haben die beiden kommunalen Krankenhäuser in Weilheim und Schongau im vergangenen Jahr gemacht. Eine Belastung, die für den Kreishaushalt auf Dauer nicht zu schultern sei, heißt es von Landrätin Andrea Jochner-Weiß (CSU). Zu alledem schweben auch noch die Reformpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) über den beiden Kliniken. Ein "weiter so, wie bisher" wäre dann undenkbar.
Welche Lösung der Landkreis angedacht hatte
Die beiden in die Jahre gekommen Häuser wollte die Krankenhaus GmbH eigentlich durch ein Zentralklinikum ersetzen. Die Landrätin unterstützte diese Idee und setzte sich für ein zentrales Haus inmitten des Landkreises ein. Im Gegenzug hätten die Standorte Weilheim und Schongau geschlossen. Probleme wie der Investitionsstau in den Gebäuden und Personalmangel wären laut Krankenhaus-Geschäftsführer Thomas Lippmann dann passé gewesen. Der Freistatt versprach, den Großteil der Kosten des rund 500 Millionen Euro Projekts zu tragen. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) unterstrich das bei einem Ortstermin. Doch dann kam es anders.
Bürger entscheiden sich gegen Zentralklinikum
Ende vergangenen Jahres kam es zu einem Bürgerentscheid um die Zukunft der Krankenhauslandschaft im Landkreis Weilheim-Schongau. Mit einer deutlichen Zwei-Drittel-Mehrheit hatten sich die Bürgerinnen und Bürger für den Erhalt von zwei eigenständigen Krankenhäusern in den Städten Schongau und Weilheim entschieden. Die Bürgerinitiative "Pro Krankenhaus" Schongau hatte den Bürgerentscheid erzwungen.
Über 67,2 Prozent der Wahlberechtigten hatten mit Ja gestimmt – und damit ein deutliches Votum für den Erhalt der Krankenhäuser abgegeben. Zwölf Monate ist der Bürgerwille bindend und in diesem Zeitraum müssen sämtliche Planungen für eine Zentralklinik ruhen. Doch jetzt stellen die Krankenhausreformpläne von Bundesgesundheitsminister Lauterbach alles in Frage.
Krankenhausreform versus Bürgerwillen
Zwei Häuser mit Level 2 - also mit Regel- und Schwerpunktversorgung - in einem Landkreis sei unrealistisch, so der Geschäftsführer der Krankenhaus GmBH Thomas Lippmann. Eine Abstufung eines Krankenhauses auf Level 1i - also ohne Notaufnahme und mit keiner 24-Stunden-Versorgung - sei wahrscheinlich. Aus geografischen Gründen könnte deshalb Schongau zu einer Kurzeitpflege degradiert werden, meint er. Letztlich würden einfach mehr Menschen im Bereich Weilheim wohnen als im Schongauer Einzugsgebiet, so die nüchterne Bilanz.
Schon allein für den Standort Weilheim einen Level-2-Status zu erreichen, sei nicht einfach, heißt es von der Klinikleitung. Der Anforderungskatalog sei umfassend und personalintensiv, erklärt Lippmann. Auf den Intensivstationen eines solchen Hauses sind jeweils zehn High- und zehn Low-Care-Betten vorgeschrieben. Zudem braucht es drei internistische, chefarztgeführte Abteilungen und eine Notaufnahme der Stufe 2. Es muss nicht eine Aufnahmestation nachgewiesen werden, Ärzte und Pfleger brauchen auch das vorgeschriebene Ausbildungsniveau und es muss einen umfangreichen, fachärztlich bestückten Hintergrunddienst geben. Zwingend für das Level 2 ist auch eine zertifizierte "Stroke-Unit" für Schlaganfallpatienten. Schon jetzt leistet das Krankenhaus Weilheim das nur partiell, der Standort Schongau könne derzeit weder fachlich noch personell die hohen Anforderungen erfüllen, heißt es auf Nachfrage. Die Folge: Letztlich könnten die Bürger in Schongau ihr Krankenhaus aufgrund der Reformpläne verlieren.
Aktionsbündnis will für die beiden Krankenhäuser kämpfen
Den Bürgerentscheid haben sie gewonnen und trotzdem könnten sie jetzt als Verlierer dastehen: Die Mitglieder im Aktionsbündnis "Pro Krankenhaus" das den Bürgerentscheid durchgesetzt hat, sind frustriert. Aufgeben wollen sie aber nicht, ganz im Gegenteil. Sie wollen laut und unbequem sein und für ihr Krankenhaus in Schongau kämpfen. In einer Infoveranstaltung haben sie die Bürger auf eine mögliche Zukunft im Landkreis sensibilisiert.
Stefan Konrad, einer der Sprecher der Initiative, warnt vor einem medizinischen Kahlschlag. Würde das Krankenhaus Schongau auf Level 1 abgestuft, sei die Klinik nicht mehr als eine Kurzzeitpflege - keine Notaufnahme, keine internistische, chirurgische Fachabteilung, keine Geburtenstation. Zudem sei das Haus nur tagsüber besetzt und ein Arzt für Notfalleinsätze würde fehlen.
Darin sieht Dr. Imanuel Neuwirth ein Problem. Der Orthopäde und Unfallchirurg aus Schongau fährt neben seinem eigentlichen Job in seiner Praxis, in der Freizeit als Notarzt zu Einätzen. War bisher von Montag bis Freitag tagsüber ein Notarzt aus dem Krankenhaus Schongau zuständig, müsse er dann nur zu Randzeiten ausrücken. Doch bei einer Abstufung würde der Standort seinen Notarzt verlieren und niedergelassene Ärzte, wie er, müssten einspringen. Das sei aber nicht zu bewerkstelligen, schließlich müsse er ja für seine Patienten in der Praxis da sein, so Neuwirth.
Infoveranstaltung vom Aktionsbündnis "Pro Krankenhaus" zu den Krankenhausplänen im Landkreis Weilheim-Schongau.
Sorge um lange Wege für Patienten
Der Notarztverein Schongau warnt vor weißen Flecken auf der Rettungslandkarte im Landkreis. Wäre das Klinikum für Notfälle nicht mehr anfahrbar, müssten längere Transportwege zu den nächstgelegenen Krankenhäusern in Kauf genommen werden. Neben Weilheim müssten Patienten dann nach Kaufbeuren, Füssen oder Landsberg am Lech geliefert werden. Krankentransporte von bis zu 50 Minuten seien dann die Realität, heißt es in einem offenen Brief vom Notarztverein.
Untragbare Zustände in einem Land wie Deutschland, finden die Teilnehmer der Infoveranstaltung. Deshalb wollen sie sich einsetzen für den Erhalt ihres Krankenhauses in Schongau. In den nächsten Wochen sind Protestaktionen geplant und mit einem Flyer. Die Botschaft: "Der über das Bürgerbegehren bekundete Wille darf nicht einfach missachtet werden".
Krankenhausnöte im Landkreis als Blaupause für ganz Bayern
Egal, ob Bürger vom Aktionsbündnis, Klinikleitung oder Landrätin: Alle sind sich einig, dass eine Lösung entstehen muss und zwar schleunigst. Jeder Tag, der versäumt wird, verschlimmere die Situation, sagt Lippmann von der Krankenhaus GmbH. Er fordert von der Politik Planungssicherheit und keinen "Schlingerkurs" darüber, wie es mit den Krankenhäusern in Deutschland weitergeht.
Schon jetzt würden Ärzte und Fachkräfte angesichts der unsicheren Lage im Landkreis abspringen und sich nach neuen Arbeitsstellen umschauen. Weilheim-Schongau sei ein Paradebeispiel für ganz Bayern, bestätigt Landrätin Andrea Jochner-Weiß. Regelmäßig stehe sie im Austausch mit anderen Landkreisen und überall auf dem Land sei die Not groß. Lippmann spricht von rund 600 Krankenhäusern, die deutschlandweit der Krankenhausreform zum Opfer fallen könnten. Die Folgen für die Medizinversorgung könnten dramatisch werden, warnt er.
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