Der dritte Naturfrevel innerhalb von kurzer Zeit: eine Kalktuffquelle bei Drügendorf im nördlichen Landkreis Forchheim wurde weggebaggert. Das Brisante daran: Es handelt sich dabei um ein Naturschutzgebiet von europäischem Rang, in dem der seltene, stark bedrohte Feuersalamander vorkommt. Per Zufall haben Mitarbeiter des Naturschutzverbands LBV die Tat entdeckt.
Naturschützer fordern mehr Aufklärung und mehr Überwachung
LBV-Sprecher Markus Erlwein, wundert sich über die aktuelle Häufung von Umweltdelikten. Er plädiert für mehr Aufklärung der Bevölkerung, damit der ökologische Wert solcher Lebensräume erkannt wird. Hilfreich wäre aber auch eine bessere Überwachung, zum Beispiel durch Naturschutzwächter, so Erlwein. "Es handelt sich bei diesen Lebensräumen um Strukturen, die mehrere Jahrzehnte brauchen, bis sie sich wieder erholen und entwickeln können." Solche Taten dürften nicht als Kavaliersdelikte abgetan werden, fordern die bayerischen Naturschutzverbände Bund Naturschutz und Landesbund für Vogelschutz unisono.
Ordnungswidrigkeit: Bußgeld ist Ermessenssache
Doch, dass Moorwiesen weiter entwässert werden, passiert regelmäßig in weiten Teilen Bayerns, sagt die Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz in Traunstein, Beate Rutkowski. "Zum Beispiel in den Staudacher Filzen, die zu den südlichen Chiemseemooren gehören, da sind in diesem Jahr neue Drainagerohre verlegt und damit die Entwässerung der Feuchtwiesen stark erhöht worden."
Ein Sprecher des Bayerischen Umweltministeriums bestätigt auf Nachfrage von BR24, dass es sich dabei um einen Gesetzesverstoß handelt:
Die durch das Artenschutz-Volksbegehren eingefügte Regelung will erreichen, dass aus Sicht des Naturschutzes wertvolle Feuchtgrünlandflächen durch Trockenlegen nicht mehr verloren gehen. Zum Erhalt dieser Flächen sollen keine weiteren Grundwasserstands-Absenkungen erfolgen.
Doch für Beate Rutkowski läuft diese gesetzliche Regelung ins Leere, denn das weitere Entwässern von Feuchtwiesen sei nicht bußgeldbewehrt. "Das ist fatal", sagt sie, "denn solche Feuchtwiesen haben in Zeiten des Klimawandels eine wichtige Bedeutung für den Landschaftswasserhaushalt."
Wie häufig kommen solche Taten vor?
Beate Rutkowski kennt in ihrem Landkreis keinen aktuelleren Vorfall, der mit dem Skandal im Rappenalptal oder auch den Eingriffen im Landkreis Forchheim vergleichbar wäre. Sie stellt aber fest: "Zerstörungen in Schutzgebieten treten immer wieder auf, zum Teil illegal, aber vor allem eben auch aufgrund von Genehmigungen, zum Beispiel bei Bauvorhaben."
Nach Recherchen von BR24 wird auch aus Niederbayern und der Oberpfalz eine ähnliche Einschätzung von Umweltverbänden geliefert: Umweltfrevel in der Dimension der drei aktuellen Fälle seien große Ausnahmen. "Es braucht gar keine illegalen Taten, denn Natur kann aufgrund zahlreicher Ausnahmeregelungen in den Gesetzen ganz legal zerstört werden", sagt auch Claus Obermeier von der Gregor-Louisoder-Umweltstiftung.
"Wenn in wenigen Wochen mehrere Naturschutzgebiete zerstört werden, dann haben wir ein massives Problem", findet Rosi Steinberger von den Grünen. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, so die Umweltausschuss-Vorsitzende im Bayerischen Landtag.
Welche Strafen sind bei Umweltdelikten möglich?
Bei den drei aktuellen Beispielen handelt es sich um Eingriffe ohne Genehmigung in streng geschützten Gebieten. Dazu gehören sogenannte Flora-Fauna-Habitat-Gebiete, die Teil eines europaweiten Schutznetzes sind, und klassische Naturschutzgebiete.
Rechtsanwalt Bernd Söhnlein, der den LBV immer wieder vertritt, schätzt die Zerstörungen im Landkreis Forchheim am Eggerbach und der Kalktuffquelle bei Drügendorf so ein: "Solche Eingriffe sind im Bundesnaturschutzgesetz unter Strafe gestellt. Und da gibt es theoretisch auch Haftstrafen." Realistisch betrachtet, könne er sich allerdings kaum vorstellen, dass tatsächlich Gefängnisstrafen verhängt werden. Anders dagegen bei der Zerstörung des Rappenalpbachs im Allgäu, da hält Rechtsanwalt Bernd Söhnlein das durchaus für möglich.
Aber nicht alle Vergehen im Bereich der Umweltzerstörung fallen unter das Strafrecht. Findet Naturzerstörung in Gebieten statt, die eine niedrigere Schutzkategorie aufweisen, "dann gilt das eben nur als Ordnungswidrigkeit", so Söhnlein. Da ermitteln dann nicht Polizei und Staatsanwaltschaft, sondern Behörden auf Kreisebene, oder kreisfreie Städte sind zuständig. Die können nach Ermessen ein Bußgeld verhängen.
Doch Beate Rutkowski vom Bund Naturschutz in Traunstein stellt fest, dass das in der Praxis oft nicht passiert. So sei es nach dem neuen Bayerischen Naturschutzgesetz verboten, den Grundwasserstand in Nass- und Feuchtgebieten zu senken.
Werden Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen?
Im aktuellen Beispiel der zerstörten Quelle ist noch nicht bekannt, wer für die Tat verantwortlich ist. Der LBV hat daher Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Rechtsanwalt Bernd Söhnlein erklärt, "dass es in der Praxis oft sehr schwierig ist, Umweltdelikte nachzuweisen und eindeutig einem Täter zuzuordnen."
Handelt es sich um einen Eingriff, der ins Strafrecht fällt, ermittelt bei kleineren Delikten die örtliche Polizei. "Ab einer gewissen Qualität", so ein Sprecher der Polizei Nürnberg, ermitteln heute Spezialisten der Kriminalpolizei. Die verfüge über ein Kriminalfachkommissariat, das Umweltdezernat, in dem speziell ausgebildete Ermittler an Umwelt- und Verbraucherschutzdelikten arbeiteten. Anlass der Ermittlungen wäre in Bezug auf die aktuellen Fälle "eine Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete".
Braucht es höhere Strafen?
Der LBV fordert im Fall der zerstörten Kalktuffquelle "eine empfindliche Geldstrafe, damit mögliche Nachahmende von weiteren derartigen illegalen Eingriffen abgeschreckt werden", so LBV-Geschäftsführer Helmut Beran. Rechtsanwalt Bernd Söhnlein hält den Strafrahmen grundsätzlich für ausreichend, sofern es um strafrechtlich relevante Fälle wie die Zerstörung im Rappenalptal geht. "Wenn da Straftatbestände erfüllt wurden, die dann entsprechend geahndet werden, glaube ich, dass das schon auch eine gewisse Abschreckungswirkung hat."
Um Naturzerstörung künftig besser vorzubeugen, schlägt er vor, dass die Verantwortlichen verpflichtet werden, so weit das möglich ist, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Das sei teuer und aufwändig.
Rechtsanwalt Bernd Söhnlein findet aber auch, dass der Staat nicht alles kontrollieren und bestrafen müsse, sondern jeder Verantwortung übernehmen sollte. "Und ein bisschen guckt, was draußen passiert." Jeder habe Verantwortung, auch für die Natur. Egal ob man Landwirtschaft oder Forstwirtschaft betreibe, einen Garten besitze oder einfach nur draußen unterwegs sei.
"Wir müssen einfach ein Bewusstsein entwickeln dafür, dass wir die Tiere und Pflanzen, die ja Mitbewohner auf unserem Planeten sind, auch als Lebewesen behandeln", so Bernd Söhnlein.
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