Die geplante Stromtrasse würde durch ein Wasserschutzgebiet führen.
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Die geplante Stromtrasse würde durch ein Wasserschutzgebiet führen.

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Wasser oder Strom? - Eine Gemeinde zwischen den Stühlen

Die Gemeinde Brennberg bei Regensburg ist ein Opfer übergeordneter Interessen: Die Kommune darf ihre Trinkwasserbrunnen nicht nutzen, weil sie auf der Trasse einer geplanten Stromautobahn liegen. Experten streiten: Welche Interessen wiegen schwerer?

Über dieses Thema berichtete Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Eine Wiese am Rande der Gemeinde Brennberg im Landkreis Regensburg. Ziemlich in der Mitte ragt ein kleines Edelstahlrohr gut 40 Zentimeter hoch aus dem Boden. Das Rohr markiert einen von zwei Brunnen, die die Gemeinde hier gebohrt hat, um die Wasserversorgung für die Zukunft sicherzustellen.

"20.000 Kubikmeter Trinkwasser jährlich würden wir mit den zwei Brunnen fördern und damit eine dezentrale Wasserversorgung sicherstellen. Ortsnah, was aktuell ja von der Politik so gewollt ist", sagt Bürgermeisterin Irmgard Sauerer (Freie Wähler) und klopft auf das Ende des Rohres, das 100 Meter in die Tiefe führt. Es klingt hohl. Denn Wasser läuft hier keines aus dem Boden.

Trinkwasserversorgung ist Daseinsvorsorge

Auf der Wiese unterhalb des Brunnens könnte in Zukunft die Stromtrasse Südostlink verlaufen, die Strom vom windreichen Norddeutschland nach Bayern bringen soll. Die Bundesnetzagentur hat daher eine Veränderungssperre über den Gemeindegrund verhängt. Damit kann weder die Fläche als Wasserschutzgebiet ausgewiesen werden, noch können die zwei fertigen Brunnen an das nahegelegene Pumpenhaus angeschlossen werden. Und das, obwohl die Planungen für die neuen Brunnen länger dauern, als bekannt ist, wo die Trasse verlaufen soll.

"Von Anfang an haben wir auf Erörterungsterminen gesagt, dass wir hier ein neues Wasserschutzgebiet erschließen wollen", so Bürgermeisterin Sauerer. Seit mehr als 60 Jahren kommt das Wasser der Gemeinde aus dieser Gegend. Ebenso lang steht in unmittelbarer Nähe das Pumpenhaus.

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Bürgermeisterin Irmgard Sauerer neben der Brunnenanlage in Brennberg

Für Sauerer war die Überraschung daher groß, als eine Veränderungssperre verhängt wurde, statt auf die Belange der Gemeinde einzugehen. Die Bundesnetzagentur schreibt hierzu: "Zum Zeitpunkt der Festlegung des Trassenkorridors für den Südostlink lagen der Bundesnetzagentur keine hinreichend verfestigten Planungen für die Errichtung der Trinkwasserbrunnen einschließlich Ausweisung eines Wasserschutzgebietes beziehungsweise der Brunnenanbindung vor."

Bürgermeisterin zieht vor Gericht - und unterliegt

Zusammen mit einer weiteren Gemeinde aus Niederbayern wählte Bürgermeisterin Sauerer daher den Rechtsweg. Der Wiesenabschnitt beschäftigte letztlich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, das die Klage der Gemeinde Brennberg aber abwies.

Der "vordingliche Bedarf der Leitung" sei von Gesetzes wegen festgestellt, heißt es unter anderem in der Urteilsbegründung vom 22. Februar 2022. Vier Tage später begann der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Und damit auch Debatten über die Energieversorgung und den Schutz der kritischen Infrastruktur.

Schutz kritischer Infrastruktur: Was hat Priorität?

Im Dezember 2022 hat die Bundesregierung daher ein Eckpunktepapier für ein Gesetz zum Schutz kritischer Infrastruktur (kurz: KRITIS-Gesetz) vorgelegt. Zur kritischen Infrastruktur zählt die Energieversorgung ebenso wie die Trinkwasserversorgung. Eine Gewichtung ergibt sich nicht.

"Das eine tun und das andere nicht lassen", sagt auch Norbert Gebekken, Professor für Bauingenieurwesen an der Universität der Bundeswehr. Er ist Experte für die Sicherheit kritischer Infrastruktur. "Es ist absolut sinnvoll, dass Gemeinden sich autark versorgen. Aber die Frage ist auch: Wer braucht welche Energie. Ein Autowerk zum Beispiel kann sich kaum selber versorgen." Experte Gebekken macht sich daher für eine Kompromisslösung stark. Bundesregierung und Kommunen müssten sich in solchen Fällen zusammensetzen und schauen, wie es zusammengeht.

Veränderungssperre: Brunnennutzung nicht möglich

Die Bundesnetzagentur betont, dass die Veränderungssperre nur vorläufig sei. "Da sich die wasserfachlichen Risiken nur auf die Bauphase des Leitungsvorhabens beschränken, könnte nach Verlegung der Erdkabel eine Wassergewinnung - wie von der Gemeinde geplant - voraussichtlich erfolgen."

Franz Löffl hat da starke Zweifel, zumal bis dahin noch mehrere Jahre vergehen könnten. Der zweite Bürgermeister und direkte Anwohner der geplanten Trasse befürchtet, dass durch die Bauarbeiten viel Landschaft zerstört und abgetragen wird. Bei verschiedenen Erörterungsterminen hat er seine Bedenken geäußert. Im Nachgang nennt er den Beteiligungsprozess "verschwendete Lebenszeit". Doch hoffnungslos sei er nicht. Der Krieg und seine Folgen könnten ein Umdenken bringen.

"Die Entwicklung seit einem Jahr zeigt uns doch, dass wir schauen müssen, unsere Infrastruktur in allen Bereichen so aufzubauen, dass sie möglichst stabil und möglichst wenig anfällig ist." Franz Löffl, 2. Bürgermeister von Brennberg

Eine kilometerlange Stromautobahn sei sehr wohl anfällig. Um die Wasserversorgung in Brennberg sicherzustellen, braucht es lediglich ein Notstromaggregat.

Bürgermeisterin nennt Situation "tragisch"

Dass die Energieversorgung für ganz Deutschland wichtig sei, sieht man auch in der Gemeinde Brennberg. Der Kompromissvorschlag: Bis zur finalen Bauphase die Brunnen nutzen, zu Baubeginn dann die Förderung einstellen. Die Bundesnetzagentur lehnte den Vorschlag ab.

"Das ist nicht nur schade, sondern auch tragisch", sagt Bürgermeisterin Sauerer. "Wasser ist eine Daseinsvorsorge, eine Pflichtaufgabe der Gemeinden." Für die Bundesnetzagentur geht aber die Planungssicherheit vor. Die Möglichkeit, sich nur auf den alternativen Trassenverlauf außerhalb des Einzugsgebiets der Brunnen zu konzentrieren, schließt die Behörde derzeit aus. Die Veränderungssperre bleibt daher bestehen, so eine Sprecherin.

Welche Folgen sich aus dem geplanten KRITIS-Gesetz für den Stromnetzausbau ergeben, könne die Bundesnetzagentur aber zum derzeitigen Zeitpunkt nicht beurteilen. Und so wird auf der unscheinbaren Wiese nahe Brennberg weder Wasser gebohrt noch Strom transportiert.

Die Karte zeigt den geplanten Verlauf der Stromtrasse bei Brennberg
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Die Karte zeigt den geplanten Verlauf der Stromtrasse bei Brennberg

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