Bildrechte: picture-alliance/dpa

Schmetterling

Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Was Kommunen gegen das Insektensterben tun können

Insekten, egal ob Schmetterlinge, Hummeln oder Wildbienen, finden kaum noch Nahrung. Das bedroht auch die Ernte. Landwirte und Gartenbesitzer sollen für mehr Blütenvielfalt sorgen, aber auch immer mehr Kommunen engagieren sich. Von Doris Fenske

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Viele Insektenarten drohen zu verschwinden oder sind bereits nicht mehr da. Experten bezeichnen den Rückgang als dramatisch. Das bringt nicht nur das ökologische Gleichgewicht durcheinander, sondern bedroht auch unmittelbar unsere Ernte. Denn neben Honigbienen fehlen viele wichtige Bestäuber für Landwirtschaft und Gartenbau. Nun versuchen auch immer mehr Kommunen, durch gezielte Maßnahmen gegenzusteuern.

Landkreis Ebersberg setzt auf Wildkräuter

Noch vor ein paar Monaten waren entlang des Gehwegs am Ebersberger S-Bahnhof nur ein paar grüne unscheinbare Blättchen zu erkennen. Ob die Stadtgärtnerei es wohl versäumt hat, Unkraut zu jäten? Ganz im Gegenteil: Hier entwickelt sich eine von zahlreichen Wildblumenflächen in Ebersberg.

Und wer jetzt im Sommer an den verschiedenen Blühstreifen und -inseln in der Stadt wie auch im ganzen Landkreis entlang fährt, kann es sofort erkennen: Hier werden nicht die üblichen Stiefmütterchen oder Petunien gepflanzt, sondern heimische bunt blühende Wildkräuter. Und die geben einem Radfahrer oder Fußgänger auch entlang einer viel befahrenen Straße das Gefühl, an einer romantischen Sommer-Blumenwiese unterwegs zu sein. Der Landkreis Ebersberg hat sich der Initiative „Deutschland summt“ angeschlossen und geht selbst mit gutem Beispiel voran, wenn es darum geht, kommunale Flächen für bedrohte Insekten attraktiv zu machen.

Schotter statt nährstoffreiche Blumenerde

Dafür braucht es das richtige Know-how und das fängt schon beim Substrat an. Keine aufgedüngte Blumenerde, sondern nährstoffarmen, wasserdurchlässigen Boden. Die Stadtgärtner haben also die oberste Bodenschicht abgetragen und mit einem Sandkiesgemisch aufgefüllt. Darauf wird eine dünne Schicht sterilen Komposts ausgebracht. So wird verhindert, dass die üblichen Allerweltspflanzen wie Löwenzahn sich breit machen. Denn Wildkräuter werden leicht verdrängt und sind meist wahre Hungerkünstler, sie wachsen am besten in magerem Boden. Gesät werden ausschließlich heimische Wildpflanzen, die Samenmischungen dafür bieten spezialisierte Saatgutbetriebe an.

Blüte ist nicht gleich Blüte

Auch wenn mediterrane oder andere typische Zierpflanzen, die ursprünglich aus Amerika oder Asien stammen, mit großen auffälligen Blüten auf sich aufmerksam machen: Unsere Insekten können damit oft nichts anfangen. An heimische Pflanzen dagegen sind sie in ihrer langen Entwicklungsgeschichte perfekt angepasst. Diese liefern Nektar und Pollen - überlebenswichtige Nahrung. Viele bedrohte Insekten sind Nahrungsspezialisten, brauchen also oft eine ganz bestimmte Pflanzenart. So ist die Raupe des Heuhechel-Bläulings, eines kleinen Schmetterlings, auf den gewöhnlichen Hornklee angewiesen.

Insektenschutz gratis: Weniger mähen!

Sowohl Ebersberg wie auch etliche andere Kommunen erkennen aber noch einen wichtigen Schritt, um Insekten ganz einfach zu fördern, und der spart sogar noch Geld. In Absprache mit Bauhof und Straßenbauämtern sollen Wegränder weniger häufig gemäht werden.

Vielerorts wird das noch anders gemacht und mehrmals im Jahr gemäht oder gemulcht. Die Pflanzen kommen dann erst gar nicht zum Blühen, oder Blüten werden genau dann abgemäht, wenn sie Insektennahrung liefern. Schmetterlinge, Heuhüpfer, Wildbienen verlieren dann schlagartig Lebensraum und Nahrungshabitat. Ersatz dafür finden sie oft nicht.

Blühende Wegränder werden sträflich unterschätzt in ihrer Bedeutung für die Artenvielfalt, sagt Carl Beierkuhnlein, Professor für Biogeographie an der Universität Bayreuth und Mitglied im Biodiversitätsrat der Bayerischen Staatsregierung. Früher gab es noch bunt blühende, artenreiche Heuwiesen. Heute fast nur noch mehrfach güllegedüngte, zu früh und zu oft gemähte Biomasse-Produktionsflächen.

"Wir haben diese Artenvielfalt, die es früher in dieser Kulturlandschaft gab, weitgehend verloren. Wegränder, Feldraine, Straßenränder wären durchaus eine Möglichkeit, diese Artenvielfalt zu erhalten und im Raum, in der Landschaft miteinander zu vernetzen." Prof. Dr. Carl Beierkuhnlein, Universität Bayreuth

Blühende Wegränder als bunte Lebenslinien

Keine Kommune ist entlang ihrer Flur- und Gemeindewege zum Mulchen verpflichtet. Nur an Autobahnen, Bundes- und Staatsstraßen muss regelmäßig gemäht werden - aus Gründen der Verkehrssicherheit.

Im oberfränkischen Markt Buttendorf im Landkreis Bamberg versucht man, auf übertriebene „Feldrandhygiene“ zu verzichten. Weniger Mähen sorgt im Ort aber auch für kontroverse Diskussionen. Die Kommune besteht auf „sauberen“ Gräben, damit bei Starkregen Wasser abfließen kann. Und die Bauern argumentieren: Wir leben nicht von blühenden Wegrändern, sondern vom Ertrag auf dem Acker. Und so werden viele Ackerrandstreifen immer noch kurz geschoren, um zu verhindern, dass Unkraut auf den angrenzenden Feldern keimt. Regelmäßig Mähen und Mulchen entspricht außerdem dem gewohnten Bild von Ordnung und Ästhetik. Einige tun sich schwer, sich davon zu verabschieden – auch wenn es um den Insektenschutz geht.

Vorbild: Stadt Bamberg

Die Kreisstadt Bamberg ist schon viel weiter beim Thema Artenvielfalt, sie setzt seit 20 Jahren ein vorbildliches Pflegekonzept um:

Kommunale Grünflächen werden gemäht statt gemulcht, das Gras landet auf dem Kompostplatz. So wird ein Düngeeffekt wie beim Mulchen verhindert. Das fördert heimische Wildpflanzen.

Gemäht wird nur ein Mal im Jahr und zwar im Herbst. Das kostet weniger als mehrfaches Mulchen, dafür kommen Pflanzen wie Ochsenzunge, Natternkopf und Sandnelke zum Blühen. Die Folge: mehr Insekten und somit auch mehr Vögel. Der Erfolg ist messbar. Der Naturschutzbeauftragte der Stadt, Dr. Jürgen Gerdes, zählt 460 verschiedene Pflanzenarten allein an Bambergs Osttangente.

Wenn Gesellschaft und Politik, aber auch Landwirte das ökologische Potenzial von Wegrändern entdecken, wäre ein wichtiger Schritt für mehr Insektenschutz einfach umzusetzen. Bayernweit kämen dafür tausende Hektar Fläche zusammen, ein gigantisches und bisher nahezu ungenutztes Netzwerk für mehr Artenvielfalt.