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Zwei Mädchen machen zusammen Hausaufgaben

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Was ist beim Ausbau der Ganztagsbetreuung passiert?

Der Ausbau der Ganztagsbetreuung an Bayerns Schulen ist eines der großen Projekte der Staatsregierung. Ministerpräsident Seehofer hat versprochen, dass bis 2018 jedes Kind bis 14 einen Platz bekommt. Von Regina Kirschner

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 extra.

Aufgeregt laufen die Zwillinge Luise und Theresa um den Esszimmertisch herum. Bald geht's los: endlich schreiben und rechnen lernen. Für Papa Heiner Seidl ist die Vorfreude auf den Schulstart allerdings getrübt. Schon im Frühjahr ist er zum nahegelegenen Hort im Münchner Norden gegangen, um seine zwei Mädels für die Nachmittagsbetreuung anzumelden.

"Da hieß es, dass es ca. 30 Plätze bei 130 Bewerbern gibt. Das war schon schockierend. Erstmal ist man ratlos und dann fängt man an, Pläne zu schmieden. Aber das sind dann Notfallpläne, bei denen klar ist, dass auf Jahre hinaus das Familienleben anders ist, als man sich vorgestellt hat: Man wird sich unter der Woche weniger sehen, und auch bei den Urlauben viel Zeit getrennt verbringen." Heiner Seidl, Vater von Zwillingen

Bis 2018 soll jedes Schulkind eine Ganztagsbetreuung bekommen, so verspricht es die bayerische Staatsregierung. Doch noch ist es nicht so weit. In den Ballungsräumen fehlt der nötige Platz für neue Gebäude, am Land machen etwa Busverbindungen für die Heimfahrt Probleme.

"Die Ganztagsgarantie gilt. Wir gehen flächendeckend und bedarfsorientiert vor. Wir gehen anders als in anderen Ländern mit einem ausgeklügeltem Vielfaltsangebot vor." Ludwig Spaenle, Kultusminister

Problem: Zu volle Horte

Schulische Angebote wie gebundener oder offener Ganztag und Mittagsbetreuung oder städtische Kindertageseinrichtungen wie der Hort: Betreuungsangebote gibt es in Bayern tatsächlich viele. Aber nicht immer ist es das, was das Kind wirklich braucht und die Eltern wollen, weiß auch Heiner Seidl. Seine Zwillinge Luise und Theresa hätten einen Platz für die Mittagsbetreuung an der Burmester-Grundschule in München bekommen: Bis 14 Uhr, ohne Essen, ohne Ferienbetreuung, von einer Elterninitiative auf die Beine gestellt. Nicht das Richtige für uns, klagt der Familienvater. Er wünscht sich, dass seine Kinder im nahegelegenen Hort sind, wo sie auch zu Mittag essen können, wo ausgebildete Pädagogen sich um die Kinder kümmern und wo eine Ferienbetreuung möglich ist. Doch der Hort platzt aus allen Nähten. Dafür verantwortlich ist die Stadt. Heiner Seidl findet, die hätte den Bedarf früher erkennen müssen. Der Ganztagsausbau stehe ganz oben auf der Agenda, verteidigt sich die Stadt. Manche Viertel wüchsen aber einfach zu schnell. Außerdem gäbe es ja auch noch die schulischen Angebote, für die der Freistaat zuständig ist.

Offener Ganztag beliebt

Bayernweit besuchen 20 Prozent der betreuten Grundschulkinder eine städtische Kindertageseinrichtung. Alle anderen nutzen schulische Nachmittagsangebote. Davon ist laut Kultusministerium vor allem der offene Ganztag beliebt. Der schließt direkt an den "normalen" Unterricht am Vormittag an. Die Freizeitbetreuung am Nachmittag kauft die Schule bei freien Trägern wie dem Kreisjugendring oder Wohlfahrtsverbänden ein.

Die Vielfalt an Betreuungsmöglichkeiten ist für Eltern verwirrend, weiß Hans Hofmann. Seit vier Jahren ist er Vorsitzender im Elternbeirat an der Burmester-Grund-Schule im Münchner Norden. Es komme öfter vor, dass Familien nicht die richtige Betreuung für ihr Kind finden. Am Ende müsse einer beruflich zurückstecken.

Das deckt sich mit den Erfahrungen von Simone Strohmayr. Die SPD-Landtagsabgeordnete aus Augsburg findet: Die Staatsregierung macht es sich zu leicht, es müssen dringend passgenaue Angebote für die Familien her: "Ich weiß es zum Beispiel von meinem Landkreis: Da ist herausgekommen, dass viele Kinder in Mittagsbetreuung sind. Die Eltern haben bei einer Bedarfserhebung angegeben, dass sie sich einen massiven Ausbau der Ferien- und Randzeiten wünschen. Denn wenn du Pendler bist, dann hast du früh schon Betreuungsbedarf und vielleicht auch am Abend länger. Für diese Eltern gibt es dann einfach nix."

Familie Seidl hatte letztendlich Glück. Die Stadt hat auf den Versorgungsengpass reagiert und einen sogenannten Regionalhort im Münchner Norden aufgemacht. Die Kinder müssen zwar jeden Tag nach der Schule etwas umständlich mit dem Bus dorthin gefahren werden, aber das pädagogische Konzept stimmt, freut sich Heiner Seidl.