Einsamkeit im Alter ist für viele Menschen etwas, das sie unbedingt vermeiden wollen. Bei den Elefanten im Augsburger Zoo sieht das anders aus: Die 67-jährige Elefantendame Targa lebt seit dem Tod ihrer Gefährtin Burma lieber getrennt von ihren Artgenossinnen, weil sie sich nicht so wirklich mit ihnen verträgt.
Einer der ältesten Elefanten in menschlicher Obhut
Als ältester Elefant Deutschlands steht ihr nicht nur diese Sonderbehandlung zu. Gemüse etwa kommt nur gedünstet auf den Teller, davon aber immerhin stolze 40 Kilogramm pro Tag. Daneben stehen auf dem Speiseplan noch 50 Bananen pro Tag. Laut dem Augsburger Zoo ist das Tier nicht nur der älteste Elefant Deutschlands, sondern gehört weltweit zu den ältesten Elefanten in menschlicher Obhut. In Menschenleben umgerechnet wäre Targa etwa 100.
Die Elefantendame zerlegt auch gerne mal etwas
Wenn es nach Pfleger Thomas Lipp geht, macht nicht nur ihr hohes Alter Targa zu etwas Besonderem: "Sie ist ein sehr lustiger und humorvoller Elefant. Ich habe schon das Gefühl, dass sie immer viel überlegt und tüftelt, schaut und eigentlich gewitzt ist", berichtet er und fügt schmunzelnd hinzu: "Sie ist schon eine, die Dinge auch demontiert und daran Spaß hat."
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Targa lebt seit einem Jahr lieber allein - und trauert um Burma
Essen geht in diesem hohen Alter also nicht mehr so leicht. "Elefanten bekommen sechs Mal im Leben neue Zähne. Targa hat ihre seit über 20 Jahren", sagt Tierpfleger Marcus Linder. Außer ihm und seinen Kollegen ist niemand im Gehege. Denn Targa ist allein: Vor einem Jahr ist ihre Gefährtin Burma im Alter von 53 Jahren gestorben.
Nachdem die beiden Elefanten 34 Jahre gemeinsam verbracht hatten, musste die Elefantenkuh eingeschläfert werden. Targa hat das schwer getroffen. Elefanten seien hochintelligente Tiere, die auch längere Zeit bei den Verstorbenen verweilen, um sich zu verabschieden, schildert Pfleger Thomas Lipp: "Diese Möglichkeit wollten wir natürlich auch Tage bieten. Das hat auch sehr gut geklappt, und es hat dann schon ein paar Tage gedauert."
Die Sache mit der Hierarchie
Mit ihren Nachbarinnen Louise und Frosja will Targa lieber wenig zu tun haben. Die beiden Asiatischen Elefantenkühe haben ihren eigenen Bereich im Stall. Eigentlich sollten alle drei nach Burmas Tod zusammenleben. Doch Elefanten haben Hierarchien und Louise will sich nicht unterordnen. "Das Risiko ist zu groß, dass die anderen beiden auf Targa losgehen und sie stark verletzen", sagt Tierpfleger Linder.
Elefantenforscherin Angela Stöger-Horwath von der Universität Wien erklärt den Hintergrund: "Elefanten leben in Familiengruppen angeführt von der Leitkuh. Die Kuh mit der größten Erfahrung führt die Herde an." Später trete die Tochter dann oft in ihre Fußstapfen.
Ganz allein muss Targa nicht leben
In freier Wildbahn ist die Rangordnung also geklärt. Wenn aber im Zoo verschiedene Elefanten zusammengelegt werden, muss sich ein Leittier erst durchsetzen. Nun lebt Targa eben neben, nicht mit den beiden anderen Elefanten.
So ganz allein ist die alte Elefantendame aber doch nicht: Weil sie nur ein Zaun von den beiden jüngeren Artgenossinnen trennt, ist die Kommunikation trotzdem möglich - die funktioniert nämlich über Infraschall, über die Füße und den Erdboden. Targa weiß also, dass die anderen Elefanten da sind - auch wenn sie sie mal nicht sieht.
Targa ist in Indien geboren - und wurde mit Gewalt gezähmt
Louise und Frosja werden mit sogenanntem geschütztem Kontakt gehalten. Zwischen Mensch und Tier bleibt stets ein Zaun. Targa ist noch anderes gewöhnt, lässt sich sogar streicheln. Allerdings hat das einen brutalen Hintergrund. Targa wurde noch nach "alter Schule" gezähmt. Dabei verhält sich der Pfleger wie der Herdenchef und setzt sich im Zweifel auch mit Gewalt durch.
Außerdem werden die Tiere zeitweise angekettet. Als Targa 1955 in Indien zur Welt kommt, ist es noch üblich, für die Zoologischen Gärten Elefantenkinder in freier Wildbahn von ihren Familien zu trennen. Wie sie genau in Menschenhand kam, ist unklar. Mit sechs Jahren landet Targa in Deutschland - erst Hamburg, dann Osnabrück.
Seit 1987 ist sie in Augsburg. Die schlechte Behandlung ist für Targa inzwischen Geschichte. Angekettet werden Elefanten in Augsburg seit 2004 nicht mehr. Dass sie ihre Vergangenheit noch beschäftigt, glaubt Pfleger Marcus Linder nicht: "Ein Elefant hat kein aktives Gedächtnis wie der Mensch. Targa erinnert sich nur an früher, wenn sie etwa mit einem Gegenstand oder Geräusch aus der Zeit konfrontiert wird". Forscherin Stöger-Horwath hält diese Darstellung allerdings für Spekulation. Man wisse nicht genau, wie ein Elefantenhirn funktioniert, betont die Wissenschaftlerin.
Wie artgerecht können Elefanten in Zoos leben?
Unabhängig davon ist seit Langem umstritten, ob Elefanten überhaupt in Zoos gehören. Der Deutsche Tierschutzbund sieht dies "sehr kritisch" und bezweifelt, dass die riesigen Säugetiere artgerecht gehalten werden können. Die Tierschutzorganisation Peta lehnt die Haltung von Wildtieren in Zoos generell ab und spricht von "Gefängnissen für Tiere".
Gegner der Zoohaltung verweisen auf die Lebenserwartung. Laut einer älteren Studie liegt diese bei Elefanten in Zoos unter 20 Jahren. Kritiker dieser Untersuchung wiederum merken an, dass die Forscher die Besserung der Haltungsbedingungen ausgeklammert haben. Wo genau die Lebenserwartung liegt, ist letztlich umstritten.
Targa leidet an Arthrose
Klar ist aber: Mit 50 Jahren ist ein Elefant sehr alt. Dass Targa so viel älter werden konnte, liegt laut Linder an den Genen, mentaler Gesundheit und sorgfältiger Pflege. Doch mittlerweile leidet die alte Dame an Arthrosen und hat Abszesse an den Beinen. "Wenn Targa vor Schmerzen nicht mehr laufen kann, müssen wir sie einschläfern", sagt ihr Pfleger. Doch ob und wann das passiert, ist schwer zu sagen.
Mit Material von dpa.
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