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Start der Verdi-Demo am 10. April 2018 vor dem Augustinerkeller in der Münchner Arnulfstraße

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Warnstreiks behindern das öffentliche Leben in Bayern

Warnstreiks behindern das öffentliche Leben in Bayern

Kitas zu, der Müll nicht abgeholt, Kliniken im Notbetrieb und hunderte Flüge gestrichen – die Warnstreiks im öffentlichen Dienst sind für viele Bürger in Bayern heute spürbar. Besonders betroffen ist der Süden des Freistaates.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Verdi bestreikt mehr als 90 Behörden und Betriebe. In München ziehen hunderte Beschäftigte durch die Stadt. Sie tragen Transparente mit der Aufschrift "Wir sind es wert". Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sind aus ganz Bayern nach München gekommen, um für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Die Gewerkschaft Verdi fordert für die bundesweit 2,3 Millionen Beschäftigten sechs Prozent mehr, mindesten aber 200 Euro im Monat. Verdi sprach vom "wohl längsten Demonstrationszug in der Geschichte der Gewerkschaft" in München.

Mehr Lohn für 2,3 Millionen Beschäftigte

Die Streikbereitschaft ist also hoch, nachdem in den bisherigen zwei Verhandlungsrunden aus Sicht der Arbeitnehmer nicht genug herausgekommen ist. Verdi zieht deshalb die Daumenschrauben an und erhöht den Druck. Ganztägige Warnstreiks legen heute das öffentliche Leben in vielen Städten und Kommunen lahm.

Münchner bleiben auf Müll sitzen

Im Raum Rosenheim legt das Personal in kommunalen Kliniken die Arbeit nieder - die Versorgung der Patienten sei aber sichergestellt. In München trifft es unter anderem die Müllabfuhr. In der Landeshauptstadt bleiben knapp 90 Prozent der Restmüll-, Papier- und Biotonnen stehen. Für den Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) ist das ein Problem, das sich nicht so schnell wieder auflösen lässt. Der AWM leert täglich mehr als 57.000 Müllbehälter in über 220 Lkw-Ladungen. "Es wird einige Wochen dauern, bis wir wieder zur Normalität zurückkehren können", sagt die stellvertretende Werkleiterin.

Kitas und Stadtwerke vom Streik betroffen

In Ingolstadt beteiligen sich Beschäftigte der Stadtwerke, in Kempten die des Klinikums und des Bauhofes, in Regensburg auch die der Stadtverwaltung und in Augsburg unter anderem Bürgerbüros auch Zivilbeschäftigte der Bundeswehr an den Aktionen.

Und in mehreren Städten müssen Eltern sich heute frei nehmen oder einen Babysitter organisieren, weil an der Tür der Kita ein Schild mit der Aufschrift "wegen Warnstreik heute geschlossen" hängt. In Regensburg etwa bleiben 26 Einrichtungen geschlossen. In elf gibt es einen Notdienst.

400 Flüge in München gestrichen

Auch am Münchner Flughafen wird gestreikt. Insgesamt sind für heute gut 400 von 1.200 geplanten Starts und Landungen annulliert. Allein die Lufthansa hatte bereits gestern 240 Flüge abgesagt. An der Kundgebung in den Terminals beteiligen sich nach Gewerkschaftsangaben bislang "geschätzt 500" Beschäftigte. Für zwölf Uhr ist eine zweite Kundgebung geplant.

Eines der prominentesten Opfer des Flughafen-Streiks ist der frühere Domkapellmeister und Papstbruder Georg Ratzinger. Der 94-Jährige wollte nach Rom in den Osterurlaub fliegen. Sein Flug fiel aus. Nun wird er einen Tag später zu seinem Bruder in den Vatikan reisen. 

Passagiere sprechen von Chaos

Die meisten betroffenen Passagiere hätten sich auch im Vorfeld bereits darauf eingestellt und seien gar nicht erst gekommen, wie ein Flughafensprecher dem Bayerischen Rundfunk sagte. Der Betrieb in den Terminals laufe jedenfalls "ruhig".

BR-Reporter am Flughafen berichten dagegen von Schlangen an den Umbuchungsschaltern - auch an dem der Lufthansa. Passagiere sind wütend: "Mein Flug ist gecancelt – jetzt soll ich angeblich ein Bahnticket kriegen. Aber es ist nicht möglich, rauszukriegen, wo. Das Lufthansa-Service-Center ist nicht besetzt – also ziemlich, chaotisch finde ich."

Ein anderer Reisender wollte eigentlich in die USA fliegen. Er klagt darüber, dass ihm der Streik den Urlaub verhagelt: "Streiken ja – aber das dann auf die Touristen abzuwälzen, die für den Urlaub bezahlt haben. Es trifft viele Leute, die gar nichts dafür können."

Verdi verteidigt Streik

Norbert Flach, stellvertretender Landesbezirksleiter von Verdi Bayern, verteidigt den Ausstand. Es gebe immer Drittbetroffene beim Arbeitskampf. Sonst könne im öffentlichen Dienst gar nicht gestreikt werden. "Und am Ende werden die Mitarbeiter dann zu Bettlern, was ihre eigenen Arbeitsbedingungen angeht", so Flach. Hätten die Arbeitgeber ein vernünftiges Angebot unterbreitet, wären die Warnstreiks nicht nötig gewesen."

Die Arbeitgeber weisen den Vorwurf zurück. Thomas Böhle, Verhandlungsführer der Kommunen, verweist auf die Teilerfolge beim letzten Treffen: "Und gerade deswegen verstehe ich diese Streiks überhaupt nicht, zumal sie ausschließlich zu Lasten Unbeteiligter erfolgen." Der Verband der kommunalen Arbeitgeber erklärte, der Streik setze vor allem die Bevölkerung unter Druck. Der Flughafenverband ADV spricht gleichzeitig von "wirtschaftlichen Millionenschäden".

Am Mittwoch wird bei den Kommunen im Süden des Freistaates wieder gearbeitet. Dann legen aber Beschäftigte im Norden die Arbeit für einen Tag nieder. Verhandelt wird wieder ab Sonntag.