Nach der Rettung von mehr als 100 deutschen Schülern und Lehrern aus Bergnot in Österreich warnen der Deutsche Alpenverein (DAV) und die Bergwacht Bayern davor, Tourenbeschreibungen aus dem Internet ungeprüft zu übernehmen.
Stimmt die Routen-Info und passt sie zu meinen Fähigkeiten?
"Leider gibt es auch Tourenbeschreibungen, die ungenau sind und den Anspruch oder die Schwierigkeit einer Route und das Gefahrenpotenzial nicht genau wiedergeben", sagt Stefan Winter, der beim DAV für das Ressort Breitensport, Sportentwicklung und Sicherheitsforschung zuständig ist. "Es gibt zwei große Herausforderungen", sagt der Sprecher der Bergwacht, Roland Ampenberger: "Verifizierung der Informationen und diese Informationen auf das eigene Vorhaben zu übertragen und die eigenen Fähigkeiten anzupassen."
Internetroute bringt über 100 Personen in Bergnot
Die 99 Jugendlichen im Alter von zwölf bis 14 Jahren und acht Lehrer aus dem Raum Ludwigshafen waren am Dienstag im österreichischen Kleinwalsertal mit Hubschraubern aus Bergnot gerettet worden. Sie waren nach Polizeiangaben auf einer für ihre Ausrüstung und Fähigkeiten zu schwierigen Route unterwegs.
Keine "klassische Feierabendroute"
Im Netz sei die Route als "klassische Feierabendrunde" beschrieben worden, erklärte die Polizei. "Tatsächlich ist der schmale Heuberggrat ein teilweise ausgesetzter Weg mit Kletterpassagen, der Schwindelfreiheit, Trittsicherheit sowie Erfahrung im alpinen Gelände erfordert." Zudem sei der Boden nass und rutschig gewesen. Nach anfänglichem Sonnenschein habe bei der Bergwanderung Regen eingesetzt. Es gebe immer häufiger solche "äußerst verantwortungslose Interneteinträge, die zu lebensbedrohlichen Situationen führen", sagte der Bürgermeister von Mittelberg, Andi Haid.
Staatsanwaltschaft überprüft Ermittlungsergebnisse
Die Ermittlungen der Polizei Vorarlberg zu dem Vorfall sind mittlerweile abgeschlossen. Die Ergebnisse wurden an die Staatsanwaltschaft in Feldkirch weitergeleitet. Dort werden sie nun geprüft. Es geht unter anderem darum, ob die Lehrer zum Beispiel fahrlässig gehandelt haben und sich strafrechtlich verantworten müssen.
In dem Zusammenhang wird sich auch herausstellen, wer für die Kosten des Rettungseinsatzes aufkommen muss. Hubschraubereinsätze sind teuer und summieren sich schnell auf mehrere Tausend Euro.
DAV: Immer prüfen, wer die Routenbeschreibung verfasst hat
"Das Schwierige an Beschreibungen im Internet ist, dass nicht bekannt ist, wie erfahren und leistungsstark die Autoren sind", sagt Stefan Winter vom DAV. "So wird ein Profibergsteiger eine mittelschwere Tour als einfach titulieren, während diese Tour für einen Anfänger bereits an seinem persönlichen Limit ist." Er empfiehlt darum, immer ins Impressum zu schauen und auch zu prüfen, wer der Autor der Routenbeschreibung ist. Roland Ampenberger von der Bergwacht empfiehlt zur Vorbereitung die Plattformen der alpinen und der Tourismusverbände.
Im März hatte der Tod dreier Wanderer in den bayerischen Alpen eine Diskussion über Wander-Apps ausgelöst. Die vierköpfige Wandergruppe hatte sich daran orientiert und die Route geändert. An einer extrem steilen und grasigen Rinne an der Maiwand rutschten ein Paar aus dem Landkreis Regensburg im Alter von 35 und 44 Jahren sowie ein 35-jähriger Mann aus dem Raum Straubing ab und stürzten in den Tod.
Statt Apps: Realität am Berg beachten
"Viele sind heute öffentliche Nahverkehrsapps gewohnt und erwarten dann, dass eine App in der Natur genau so verlässlich funktioniert, aber das lässt sich nicht eins zu eins übertragen auf das Gebirge", so Ampenberger. Es sei jedoch wichtig, die Realität vor Ort zu überprüfen: "Anstatt mal rauszuschauen, wie die Wolken wirklich sind, schaut man in die Wetter-App."
Gefährlicher Hype in sozialen Netzwerken
Ein Problem seien auch Influencer, die auf Instagram oder TikTok Bilder von traumhaftem Bergpanorama zeigen - aber nicht, wie schwer es teilweise ist, dorthin zu kommen. "Dort geht es nur um schöne Bilder und nicht um seriöse Hintergrundinformationen", sagt Winter und nennt das Beispiel einer "märchenhaft schönen Gumpe im Nationalpark Berchtesgaden", die einen derartigen Hype und Ansturm an Selfie-Touristen auslöste, dass der Park ein Betretungsverbot verhängte. Wichtig sei, betont Winter, "dass es eine ausführliche Tourenplanung braucht und man nicht nur Social-Media-Posts hinterher hetzt".
Mit dpa-Material.
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