Nell-Catlin Mac Lachlan darf zum ersten Mal einen Baum fällen – wenn auch nur virtuell. Die 17-Jährige absolviert gerade ihr erstes Lehrjahr als Forstwirtin. Im Ausbildungszentrum der Bayerischen Staatsforsten im Nürnberger Ortsteil Buchenbühl gehört sie zu den ersten Forst-Azubis, die mit einer VR-Brille Waldarbeit lernen. Kaum hat sie die Brille aufgesetzt, steht sie in einem virtuellen Wald. Eine ungewohnte Situation für Nell-Catlin Mac Lachlan, "weil du weißt nicht, was um dich herum ist und es kann sein, dass du mal gegen einen Tisch rennst", sagt sie.
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Viele Menschen verunglücken bei Waldarbeiten
So ein Zusammenstoß mit einem Tisch ist aber zu verschmerzen – im Vergleich zur Gefahr, die bei der Waldarbeit droht. Zahlen der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau zufolge verunglückten im Jahr 2019 etwa 3.200 Menschen beim Bäume fällen oder bei der anschließenden Holzbearbeitung. Insgesamt 36 Menschen kamen bei der Waldarbeit ums Leben – das waren der SVLFG zufolge 15 mehr als im Vorjahr. Und: Besonders viele Unfälle passieren beim Bäume fällen. Deshalb ist das Training für die angehenden Forstleute so wichtig.
Viele Aufgaben vor dem Fällen
Im virtuellen Wald angekommen, beginnen für die Auszubildende Nell-Catlin Mac Lachlan die Vorbereitungen. Bevor es an den Baum oder gar die Säge geht, muss sie bereits wichtige Entscheidungen treffen: Welches Werkzeug braucht sie für welche Tätigkeit? Welche Schutzkleidung muss sie auswählen, um sicher arbeiten zu können? Erst dann kann sie sich Schritt für Schritt zum markierten Baum vorarbeiten. Vor dem Fällen muss Nell-Catlin Mac Lachlan darüber hinaus auch noch abschätzen, wie hoch der Baum und ob sein Stamm gesund ist. Und sie muss überprüfen, ob sie womöglich noch Totholz am Boden beseitigen muss, über das sie stolpern könnte. Erst wenn das alles geklärt ist, kann das Fällen beginnen.
Echtes Sägen fühlt sich anders an
Jetzt kann die angehende Forstwirtin den Joystick mit einer extra für die virtuelle Übung präparierten Motorsäge tauschen. Nell-Catlin geht ein wenig in die Knie und setzt die Säge an dem virtuellen Baum an. Dann sieht sie, wie er umkippt.
"Es fühlt sich echt sehr realistisch an. Nur eines fehlt: die Vibration der Motorsäge. Da merkst du dann wieder – ah, das ist nur ein Spiel." Nell-Catlin Mac Lachlan
Hier kommt der Kurs im Virtuellen Baumfällen also an seine Grenzen: echtes Sägen fühlt sich einfach anders an.
Gefahren beim Fällen erkennen
Die Idee für die VR-Anwendung kam von der Bayerischen Landesunfallkasse. Sebastian Großmann ist für den Bereich Arbeitssicherheit am Bildungszentrum Buchenbühl der Bayerischen Staatsforsten zuständig. Er und Forstwirtschaftsmeister Heinz Blank haben das Projekt gemeinsam mit einem Team der Bayerischen Landesunfallkasse entwickelt. Der externe Dienstleister Imsimity übernahm die Programmierung. Die Anschaffung der Hardware bei den Staatsforsten wurde mittels Förderantrag durch die Bayerische Landesunfallkasse mitfinanziert.
Ziel sei es gewesen, die Wahrnehmung von Gefahren bei der Waldarbeit möglichst frühzeitig in der Ausbildung zu vermitteln, sagt Ausbilder Sebastian Grossmann. "Das heißt, sie können also gefährliche Tätigkeiten durchführen, ohne wirklich einer Gefahr ausgesetzt zu sein", so Grossmann.
Bisher nur eine VR-Brille
Bisher haben die Bayerischen Staatsforsten für die Ausbildung nur eine einzige VR-Brille. Sollte sich das Projekt bewähren, sollen weitere Sets für die virtuelle Ausbildung angeschafft werden.
Für die 17-jährige Nell-Catlin Mac Lachlan geht es jetzt erst mal raus in den realen Wald. Sie muss lernen, die verschiedenen Baumarten zu erkennen. Und in ein paar Tagen darf sie dann ihren ersten echten Baum fällen.
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