Schild mit dem bayerischen Wappen neben einer Verkehrsampel.
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Die bayerische Staatsregierung droht der Berliner Ampel gerade reichlich mit klagen.

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Verfassungsklagen aus Bayern: Wahlkampf oder Werkzeug? 

Ob Erbschaftsteuer, Länderfinanzausgleich oder Klinikreform – die Staatsregierung droht der Ampel gerade reichlich mit Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht. Taktik im Wahlkampf oder ein Mittel, über Karlsruhe Politik zu machen? Eine Analyse.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bekräftigte erst unlängst seine Absicht, gegen den Länderfinanzausgleich zu klagen. Auch die Änderungen bei der Erbschaftssteuer soll das Bundesverfassungsgericht auf Antrag Bayerns überprüfen, ebenso die anstehende Wahlrechtsreform auf Bundesebene.

Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) drohte Anfang Februar mit einer Klage gegen die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ins Auge gefasste Krankenhausreform und ließ erst kürzlich Möglichkeiten prüfen, rechtlich gegen die von Berlin geplante Legalisierung von Cannabis vorzugehen.

Sollte der Abtreibungsparagraf 218 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden, wie von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) vorgeschlagen, will auch die bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Taktung der Klagedrohungen spricht für Wahlkampfmodus

Auf Ampelvorhaben aus den unterschiedlichsten Bereichen folgt regelmäßig ein Kontra: Bayern, insbesondere die CSU, droht mit Karlsruhe, in einer Frequenz, die auffällt – unabhängig von den rechtlichen Erfolgsaussichten. Insgesamt sechs Klagen stehen derzeit im Raum. Taktik im Jahr der Landtagswahl?

"In der hohen Taktung, in der jetzt gerade diese medialen Äußerungen zu vernehmen sind, würde ich das bejahen", sagt die Politikwissenschaftlerin Jasmin Riedl. Die vielen Klageandrohungen in einem Landtagswahljahr hätten eine "spezielle Wirkung". Egal ob in der Sache berechtigt oder nicht: Bayern könne sich, so Riedl, dadurch einmal mehr gegen den Bund positionieren.

Söder: "Ampel ist schlechteste Bundesregierung"

Bis spätestens Juli sollen laut Finanzministerium die bayerischen Klagen gegen die Erbschaftssteuer und den Länderfinanzausgleich in Karlsruhe vorliegen. Dass das Bundesverfassungsgericht noch vor der Landtagswahl im Oktober darüber entscheidet, ist mit Blick auf die durchschnittliche Verfahrensdauer äußerst unwahrscheinlich.

Ist auch nicht entscheidend. Die Botschaft ist klar: "Die Ampel ist die schlechteste Bundesregierung, die Deutschland je hatte." So hat es Markus Söder beim politischen Aschermittwoch formuliert.

Wettbewerb nach CSU-Geschmack: Wir gegen den Bund!

Als einzige regionale Kraft, die im Bund mitwirkt, habe die CSU eine Sonderstellung und im Wahlkampf dieses Jahr einen Vorteil, den sie "gut nutzt", sagt Politikwissenschaftlerin Riedl. Durch ihre Oppositionsrolle in Berlin könnten die Christsozialen ihre Strategie und Frontstellung "Wir gegen den Bund!" noch stärker fahren.

Dieser Part komme Ministerpräsident Markus Söder und seiner CSU-geführten Staatsregierung "politisch-strategisch" entgegen. "Es ist einfacher, gegen die Bundesregierung zu schimpfen, wenn man nicht Teil dieser Bundesregierung ist", sagt Riedl.

Rechtsweg als politisches Werkzeug?

Wie also die in den Augen der Christsozialen derzeit "schlechteste" Bundespolitik beeinflussen? Für Josef Franz Lindner, Verfassungsrechtler an der Universität Augsburg, ist der Weg nach Karlsruhe ganz unabhängig von Wahlkampfzeiten ein völlig "normales, politisch legitimes und vom Grundgesetz vorgesehenes Mittel".

Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht sieht der Jurist als Teil der "politischen Entscheidungsfindung". Verfassungsrecht sei politisches Recht, beides lasse sich "nicht eins zu eins auseinanderdividieren".

Verfassungsklage als Druckmittel

Mit Klage drohen oder tatsächlich vor das Verfassungsgericht ziehen, um politisch Druck aufzubauen, ist auch für Politikwissenschaftlerin Jasmin Riedl nichts Ungewöhnliches. Im föderalen Verhältnis zwischen Bund und Ländern gehe es darum, eigene Interessen durchzusetzen.

Der Mechanismus: "Wenn wir, Bund und Länder, uns nicht politisch einigen können, dann bringen wir das Verfassungsgericht ins Spiel, das entscheidet juristisch und dann gibt es vielleicht gar keine Möglichkeit mehr für eine politische Einigung", erklärt Riedl. "Das ist das Druckmittel." Damit würden die Machtverhältnisse zwischen Bund und Ländern immer wieder neu "austariert". Im politischen Gefüge für Politikwissenschaftlerin Riedl "was ganz Alltägliches".

Dauerstreit um Länderfinanzausgleich 

So klagten Bayern und Hessen beispielsweise schon 2013 gegen den Länderfinanzausgleich. Freilich wurde auch in diesem Jahr im Freistaat ein neuer Landtag gewählt. Den Gang nach Karlsruhe bezeichnete der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) als einen "Akt politischer Notwehr". Nachdem Bund und Länder später eine Neuordnung der Finanzbeziehungen beschlossen hatten, zogen Bayern und Hessen ihre Klage zurück.  

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