Es war ein warmer Sommerabend in der Würzburger Innenstadt, der 25. Juni 2021. Doch gegen 17 Uhr nimmt sich ein Mann in einem Kaufhaus ein langes Küchenmesser und sticht auf wehrlose Passanten ein. 13 Monate später ist nun das Urteil vor dem Landgericht Würzburg gefallen: Der Angreifer bleibt weiterhin in der Psychiatrie untergebracht – und das voraussichtlich für eine sehr lange Zeit.
Würzburger Messerangreifer ist psychisch krank
Der Grund: Der Mann aus Somalia ist psychisch krank und gilt deshalb als nicht schuldfähig. Er leidet schon seit Jahren an einer paranoiden Schizophrenie und an Verfolgungswahn – so der Vorsitzende Richter Thomas Schuster in seiner Urteilsbegründung. Das sei das Ergebnis von zwei Gutachtern.
Stimmen im Kopf haben ihm die Attacke befohlen
Auch am Tag der Tat am 25. Juli 2021 habe der Angreifer Stimmen gehört – die ihm die Messerattacke auf Menschen in Würzburg befohlen hätten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Somalier allein für das Blutbad in der Würzburger Innenstadt verantwortlich ist. Konkret bedeutet das: dreifacher Mord, fünf Mal versuchter Mord, fünf Mal versuchter Totschlag.
Wegen Schuldunfähigkeit langfristig in der Psychiatrie
Wegen der Erkrankung kommt der Mann aber nicht ins Gefängnis, sondern wird in der geschlossenen Abteilung einer forensischen Psychiatrie untergebracht – erklärt Gerichtssprecher Michael Schaller: "Wenn jemand schuldunfähig war, kann er nicht bestraft werden. Wenn er aber gefährlich ist für die Allgemeinheit – dann sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, ihn unterzubringen, um die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen und um den Versuch zu machen, seine Krankheit zu heilen."
Unterbringung als "schärfstes Schwert des Strafrechts"
Laut seiner Einschätzung könne es sein, dass der Somalier den Rest seines Lebens hinter verschlossenen Türen bleiben muss. Richter Schuster bezeichnete diese Unterbringung als das "vielleicht schärfste Schwert des Strafrechts", weil es keine zeitliche Beschränkung gibt.
Verteidiger Michler ist zufrieden mit dem Urteil
Pflichtverteidiger Tilmann Michler ist zufrieden mit dem Urteil. In seinem Plädoyer hatte er selbst die Unterbringung seines Mandanten in der Psychiatrie gefordert. Er und sein Kollege Hans-Jochen Schrepfer werden voraussichtlich nicht in Revision gehen. "Unser Mandant hat das Urteil gefasst aufgenommen und akzeptiert es. Wir haben ihn bereits darauf vorbereitet", so Michler.
Somalier hat sich bei Opfern entschuldigt
Der Somalier selbst hat die Möglichkeit des "letzten Worts" im Prozess nicht genutzt – sich aber über seinen Pflichtverteidiger erneut bei den Opfern und ihren Angehörigen entschuldigt. "Er wollte noch einmal zeigen, dass es ihm leidtut und dass er Mitgefühl hat", so Michler.
Verteidiger: Fairer Prozess nach Bedrohungen am Anfang
Der Verteidiger selbst hat sich bei den Beteiligten dafür bedankt, dass der Prozess fair abgelaufen sei. Als klar war, dass sie die Pflichtverteidigung des Messerangreifers übernehmen werden, waren die beiden Anwälte Michler und Schrepfer beschimpft und bedroht worden. Schrepfer ist aktuell mit Corona infiziert und konnte deshalb nicht anwesend sein.
Generalstaatsanwaltschaft: Gericht ist Forderung gefolgt
Auch die Generalstaatsanwaltschaft München zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung des Landgerichts Würzburg in dem Sicherungsverfahren. "Das Gericht hat, wie von uns gefordert, die dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie angeordnet. Wir gehen davon aus, dass der Prozess zur Aufklärung beitragen konnte. Die Opfer und die Angehörigen sind zu Wort gekommen", sagte Oberstaatsanwalt und Pressesprecher Florian Weinzierl.
Angreifer wird nun regelmäßig von Gutachtern überprüft
Ob der Messerangreifer jemals wieder auf freien Fuß kommt, sei laut Weinzierl fraglich. Für eine Prognose sei es heute noch zu früh. "Die Frage stellt sich frühestens in ein paar Jahren – und dann wären einige Hürden zu überwinden. Der Somalier wird nun regelmäßig von Sachverständigen begutachtet", so der Oberstaatsanwalt weiter. Eine solche psychiatrische Krankheit vorzuspielen, sei seiner Meinung nach nicht möglich.
Nebenklage: Psychiatrie vergleichbar mit Gefängnis
Auch die Anwälte der Nebenklage hatten sich im Vorfeld des Urteils für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ausgesprochen. "Wir sind sehr zufrieden mit dem Urteil. Der Beschuldigte kommt in die Psychiatrie – und das ist vergleichbar mit Gefängnis. Zwang ist möglich", sagte der Würzburger Anwalt Bernhard Löwenberg.
Langer Prozess, um die Opfer zu würdigen
Löwenberg vertritt insgesamt drei Geschädigte der Messerattacke – beispielsweise eine Kaufhaus-Mitarbeiterin. Sie hatte noch versucht, ein damals elfjähriges Mädchen vor dem Angreifer zu beschützen – und hat dabei selbst Messerstiche abbekommen. "Im Prozess haben viele Opfer ausgesagt und ihre Erlebnisse beschrieben. Deshalb hat das Gericht so viele Prozesstage eingeplant", so Löwenberg weiter.
Richter Schuster: "Keinen kurzen Prozess machen"
Schon zu Prozessbeginn hatte Richter Thomas Schuster betont, er wolle dem Angreifer "keinen schnellen Prozess machen". Dafür gab es auch Lob von Anwalt Roj Khalaf aus Würzburg, einem weiteren Vertreter der Nebenklage. Er hatte Chia Rabiei in dem Prozess vertreten – einen der "Helden von Würzburg", der sich dem Angreifer mit seinem Rucksack in der Hand in den Weg gestellt hatte.
Geschädigte konnten bei Prozess mitwirken
"Für die Geschädigten war der lange Prozess wichtig. Das kann das Leid zwar nicht ausgleichen – aber es hilft den Menschen, wenn sie gehört werden. Sie konnten aktiv zur Aufklärung beitragen und jetzt ist es ein förmlicher Abschluss", so Khalaf. Auch er ist zufrieden mit der Unterbringung des Somaliers in der Psychiatrie – und wolle das Urteil nicht angreifen.
Sein Mandant konnte heute nicht anwesend sein, weil das Urteil kurzfristig vorgezogen wurde. Rabiei sei direkt nach dem Messerangriff psychologisch betreut worden und werde wohl langfristig ohne Schäden davonkommen, so die Einschätzung des Anwalts.
Hintergrund: Messerangriff in Würzburg vor gut einem Jahr
Am 25. Juni 2021 hatte der Somalier in der Würzburger Innenstadt drei Frauen mit einem Messer getötet – und sechs weitere Menschen zum Teil schwer verletzt. Ursprünglich waren für den Prozess 27 Tage angesetzt. Weil es bereits Ausfälle wegen Corona gab, hat das Gericht die Dauer verkürzt. Aus Platzgründen hat der Prozess nicht im Gericht stattgefunden, sondern in verschiedenen Veranstaltungshallen in Würzburg und Umgebung.
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