Rechtsanwalt Dirk Giesen, Mandant Alexander B. und Rechtsanwalt Burkhard Benecken (l-r) sitzen in einer Kanzlei in Wesel.
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Rechtsanwalt Dirk Giesen, Mandant Alexander B. und Rechtsanwalt Burkhard Benecken (l-r) sitzen in einer Kanzlei in Wesel.

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Urteil zur gender-sensiblen Sprache bei Audi - Klage abgewiesen

Die Audi AG kann weiterhin uneingeschränkt gender-sensibel kommunizieren. Und zwar auch gegenüber einem VW-Manager, der sich dagegen gewehrt hat. Dessen Klage hat das Landgericht Ingolstadt am Freitag abgewiesen.

Die Audi AG kann weiter uneingeschränkt gender-sensibel kommunizieren. Und zwar auch gegenüber einem VW-Manager, der sich gegen Mails mit Gender-Gap zur Wehr gesetzt hat. Gender-Gap ist ein Unterstrich zwischen der männlichen Form eines Worts und der weiblichen Endung, wie zum Beispiel bei "Chef_innen" oder "Mitarbeiter_innen".

Die Unterlassungsklage des VW-Managers Alexander B. wies das Landgericht Ingolstadt nun ab. Schon vor der Urteilsverkündung hatte das Gericht allerdings betont, dass die Entscheidung ausschließlich den konkreten, klagenden VW-Manager betrifft.

Kläger sieht Persönlichkeitsrechte verletzt - Richter widerspricht

Der Mitarbeiter der Konzernmutter VW, der mit Audi-Kollegen zusammenarbeiten muss, hatte den Ingolstädter Autohersteller auf Unterlassung verklagt. Der Kläger sieht durch Audis Gender Leitfaden seine allgemeinen Persönlichkeitsrechte verletzt (Az. 83 O 1394/21).

Der Vorsitzende Richter Christoph Hellerbrand betonte, dass der VW-Mitarbeiter nicht zur aktiven Nutzung des Leitfadens verpflichtet sei, weil dieser sich nur an Audi-Mitarbeiter richte. Auch durch die passive Wahrnehmung der Gendersprache bei Audi werde der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, betont Gerichtssprecher Jürgen Häuslschmid.

"Da ging es einmal um die Frage Gleichbehandlung und um das allgemeine Persönlichkeitsrecht. In beiden Fällen ist die Kammer zum Ergebnis gekommen, dass hier Rechtsverletzungen durch allein den Zugang zu gendergerechten Sprache nicht gegeben sind. Der Kläger wird künftig auch mit der Kommunikation leben müssen, solange das Urteil in dieser Version Bestand hat." Jürgen Häuslschmid, Sprecher Landgericht Ingolstadt

Ob der Kläger Rechtsmittel einlegt, will er entscheiden, wenn er die ausführliche Urteilsbegründung gelesen hat. Die hat die Kammer heute nicht verlesen, sondern sie den Parteien in elektronischer Form zugeschickt.

Audi fühlt sich durch Urteil bestärkt

Schon vor der ausführlichen Lektüre freut man sich bei Audi: Wie ein Sprecher schriftlich mitteilt, sieht sich das Unternehmen durch das Urteil in dem "Entschluss bestärkt, die gendersensible Sprache in der internen und externen schriftlichen Kommunikation eingeführt zu haben".

Kläger bezeichnet Audi-Sprachregelung als "nicht geschlechtergerecht"

Der Kläger hingegen lehnt es schon ab, die Sprachregelung von Audi als "gender-sensibel" zu bezeichnen.

"Dieser Gender Leitfaden schafft eben gerade keine Geschlechtergerechtigkeit. Er reduziert divers geschlechtliche Menschen auf einen Unterstrich. Mir ist keine neuen binäre oder diverse Person bekannt, die sich als _ identifiziert. Das Problem ist, dass bei Formen wie Kolleg _ innen oder Gefährt _ innen oder Zeug_innen die männlichen Formen gar nicht mehr korrekt wiedergegeben werden. Ein Gefährt ist ein Auto, Zeug ist Kram, wenn nicht sogar Müll. Und ein Kolleg ist eine Lehranstalt oder ein Gebäude. Ich bin nicht bereit, mich als Mann auf Gebäude, auf Müll oder auf ein Fahrzeug reduzieren zu lassen. So geht das nicht. Das ist nicht geschlechtergerecht." Kläger Dr. B

So sieht das auch der Verein deutsche Sprache, der den Kläger in diesem Verfahren unterstützt. Vereinssprecherin Doro Wilke wertet die Abweisung der Unterlassungsklage als herben Schlag: "Dass das Gericht davon ausgeht, dass eine Mail, die an jemand adressiert ist in Gendersprache, einen nicht direkt betrifft, das ist eine Blamage."

Klägeranwalt sieht auf positive Aspekte für seinen Mandanten

Auch der Anwalt des Klägers Dirk Giesen bedauert die heute Klageabweisung. Nach seiner Rechtsauffassung liegt der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung der geschlechtlichen Identität schon, darin, dass seinem Mandant in den Konzernabstimmungsgremien die auf dem Audi-Genderleitfaden basierenden Genderschriftstücke vorgelegt werden und er diese lesen muss. "Dies reicht für das Vorliegen des Eingriffs", so Anwalt Giesen. Allerdings kann der Jurist der Begründung des Urteils durchaus auch positive Aspekte abgewinnen.

"Ein positiver Aspekt des Urteils ist für unseren Mandanten, dass ihm ein deutsches Gericht bestätigt, dass er den Genderleitfaden im Rahmen seiner Tätigkeit für VW nicht befolgen muss. Es muss nicht vertieft werden, dass dies unserem Mandanten ein gewisses Argumentationspotential bietet, falls VW ihn aufgrund der Weigerung , die Gendersprache zu verwenden, in irgendeiner Weise unmittelbar oder mittelbar sanktionieren würde." Dirk Giesen, Anwalt des Klägers

Bei Audi dagegen betrachtet man die vom Unternehmen gewählte gendersensible Sprache als "Ausdruck einer sichtbaren, positiven Einstellung zu Vielfalt und Chancengleichheit". In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob der Kläger gegen das Urteil Berufung eingelegt. Dann müsste sich das Oberlandesgericht mit dem Thema befassen.

Urteil zur gender-sensiblen Sprache bei Audi - Klage abgewiesen
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Urteil zur gender-sensiblen Sprache bei Audi - Klage abgewiesen

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