Im Missbrauchs-Prozess gegen einen früheren Fußballtrainer hat die Staatsanwaltschaft Revision gegen das Urteil des Landgerichts München I eingelegt. Das teilte die Behörde am Freitag mit. Vor einer Woche hatte das Gericht den Ex-Trainer wegen hunderter sexueller Übergriffe auf junge Fußballer und Vergewaltigung in 153 Fällen zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt.
Urteil: Haftstrafe ohne anschließende Sicherungsverwahrung
Die Staatsanwaltschaft hatte acht Jahre Haft gefordert und - das ist der entscheidende Punkt - anschließende Sicherungsverwahrung oder zumindest die Option darauf. Dieser Forderung war das Gericht aber nicht nachgekommen. Dabei hatte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung ausgeführt, dass er den 47-Jährigen, der sich über Jahre an seinen Spielern vergangen hatte, nach wie vor für gefährlich halte. Den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener sah das Gericht nicht erfüllt, weil die Opfer dem Angeklagten nicht "zur Überwachung in der Lebensführung" anvertraut gewesen seien, so der Vorsitzende Richter.
Jahrelanger Missbrauch auf der Massageliege
Der frühere Cheftrainer und sportliche Leiter eines Vereins im Landkreis München hatte vor Gericht eingeräumt, sich bei angeblichen physiotherapeutischen Behandlungen an den Teenagern vergangen und sie in zahlreichen Fällen auch vergewaltigt zu haben. Dabei nahm er laut Staatsanwaltschaft nach einem immer gleich ablaufenden Muster auf einer Massageliege in der Kabine des Fußballvereins, beim Trainingslager oder auch in seinem Haus sexuelle Handlungen an den jungen Fußballern vor und gab an, dies diene angeblich der Durchblutung der Muskulatur.
Staatsanwältin: Trainer ist "ein gefährlicher Serientäter"
Er sei "ein gefährlicher Serientäter" - so hatte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer ihre Forderung nach anschließender Sicherungsverwahrung begründet. Er erinnere sie "an einen Sektenführer". Er sei ein "klassischer, begabter und machthungriger Menschenfänger", der "methodisch und planvoll" vorgegangen sei und ein "perfides System" geschaffen habe. Es bestehe - da stützte sie sich auf die Einschätzung einer Gutachterin - möglicherweise auch die Gefahr, dass seine eigenen Söhne eines Tages seine Opfer werden. Die Verteidigung wies diese Annahme entschieden zurück.
Richter setzen auf Läuterung im Gefängnis
Der Vorsitzende Richter sagte in seiner Urteilsbegründung zwar: "Wir sehen die Gefährlichkeit des Angeklagten nach wie vor als gegeben." Er betonte aber in Bezug auf die nicht verhängte Sicherungsverwahrung: "Wir sehen diese Hürde noch nicht erreicht." Das Gericht glaube daran, dass die Haftstrafe dafür sorgen könne, dass der Mann danach nicht mehr gefährlich ist.
Die Verteidigung des 47-Jährigen hatte betont, "dass eine Gefährlichkeit schlicht nicht mehr besteht." Eine Sicherungsverwahrung sei "kontraproduktiv". Der Angeklagte vor Gericht den Wunsch geäußert, nach der Haftstrafe für seine Familie da sein zu können. Außerdem habe er sich gewünscht, dass in dem Verfahren irgendwie rauskomme, dass er nicht nur ein schlechter Mensch sei.
Ungewöhnlicher Schritt: Revision nach gemeinsamem Deal
Zum Beginn des Prozesses hatten alle Beteiligten sich auf einen sogenannten Deal geeinigt: Weil der Angeklagte ein Geständnis ablegte, sollte der Strafrahmen acht Jahre nicht überschreiten. Dass eine Partei nach einem solchen Deal Revision einlegt, ist ungewöhnlich. Die Staatsanwaltschaft begründete diesen Schritt so: "Die vorher aufgrund eines Rechtsgesprächs mit Gericht und Verteidigung getroffene Vereinbarung hinsichtlich eines Rahmens einer zu erwartenden Freiheitsstrafe steht dem nicht entgegen, da die Anordnung einer Sicherungsverwahrung als Maßregel der Besserung und Sicherung nicht von dieser Vereinbarung umfasst werden kann."
mit Informationen von dpa
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