Diese Schwestern haben sich entfremdet: CDU und CSU verbindet in diesen Wochen herzliche Abneigung. Wer dachte, das Verhältnis zwischen der CSU und Angela Merkel habe auf dem CSU-Parteitag 2015 - als Horst Seehofer die Kanzlerin auf offener Bühne düpierte - einen nicht zu unterbietenden Tiefpunkt erreicht, wird in diesen Tagen eines Besseren belehrt. Die CSU droht der Kanzlerin, diese kontert und droht zurück, was Seehofer, Markus Söder und Co. zu neuerlichen Giftpfeilen in Richtung Kanzleramt anstachelt.
Dass die Christsozialen angesichts des ungelösten Asylstreits keinen gesteigerten Wert auf Merkel-Auftritte im Landtagswahlkampf legen, ist aus der CSU schon seit Monaten zu hören. "Wir werden niemanden daran hindern zu kommen", zitierte die Agentur Reuters Mitte März aus der CSU-Spitze, "aber wir glauben, die Kanzlerin hat genug anderes zu tun." Bisher sind keine Wahlkampftermine mit Merkel angesetzt.
Söder holt Merkel-Gegner Kurz
Der neue Ministerpräsident und CSU-Spitzenkandidat Markus Söder geht laut einem Zeitungsbericht noch einen Schritt weiter. "Zu meiner Abschlusskundgebung kommt keine Bundeskanzlerin, sondern ein Bundeskanzler", sagte er nach Informationen der "Welt am Sonntag" kürzlich vor Getreuen. Gemeint gewesen sei Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz - ein entschiedener Gegner von Merkels Flüchtlingspolitik. CSU-Generalsekretär Markus Blume bestätigte dem Bayerischen Rundfunk, Kurz werde beim Wahlkampfabschluss sprechen.
Die deutsche Kanzlerin hingegen soll dem "Welt"-Bericht zufolge in den bayerischen Wahlkampf nach Söders Vorstellung überhaupt nicht eingreifen. Dies habe es in der fast 70-jährigen Geschichte der Unionsparteien noch nie gegeben. CSU-Generalsekretär Blume betonte auf Anfrage, die Wahlkampfplanungen seien noch nicht abgeschlossen und würden in den nächsten Wochen festgezurrt.
2013 profitierte CSU vom Merkel-Bonus
Vor der Landtagswahl 2013 war die Lage eine ganz andere. "Die Kanzlerin - im Zenit ihres Ansehens - war im bayerischen Landtagswahlkampf präsenter denn je, niemals zuvor hatte sie so viele Auftritte im Freistaat gehabt", heißt es in einer neuen Kurzanalyse aus der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, die der ehemalige ZDF-Journalist Ulrich Berls verfasst hat. Dass Merkel dem damaligen CSU-Wahlkampfschlager Pkw-Maut für Ausländer wenig abgewinnen konnte, störte die demonstrative Eintracht kaum.
Bei gemeinsamen Wahlkampfterminen mit Merkel überschüttete der damalige Ministerpräsident Seehofer 2013 die Kanzlerin mit Lob und Sympathiebekundungen. Merkel lag in diesen Monaten auf der Beliebtheitsskala deutlich vor Seehofer. "Die bayerische Landtagswahl 2013 brachte ein Novum: Eine CDU-Kanzlerin verhalf einem CSU-Ministerpräsidenten zur Wiederwahl", schreibt Berls.
Seit 2015 ist alles anders
Im September 2015, als Merkel ohne Absprache mit Seehofer die Grenze öffnete und Hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland kamen, änderte sich das Verhältnis nachhaltig. Wenige Monate später bezeichnete der CSU-Vorsitzende das Vorgehen der Kanzlerin sogar als "Herrschaft des Unrechts". 2016 fehlte Merkel erstmals bei einem CSU-Parteitag.
Nachdem sich Seehofer und Merkel für den Bundestagswahlkampf im vergangenen Jahr für mehrere Monate zu einem neuen Frieden durchringen konnten und gemeinsam die langwierige Regierungsbildung im Bund durchstanden, ist der Asylstreit jetzt mit ungeahnter Härte wieder ausgebrochen. Söder rief den Kampf um die AfD-Wähler aus - zu seiner Strategie der "klaren Kante" in der Asylpolitik gehört auch scharfe Abgrenzung zu Merkel.
Söders "Abrechnung mit Merkel"
Erst am Samstag veröffentlichte die "Welt" einen Essay Söders mit dem Titel "Für eine echte Asylwende", in dem er den Streit über die Flüchtlingspolitik zur Schicksalsfrage für die Zukunft der Demokratie und der bürgerlichen Volksparteien erklärte. Ein Text, den nicht nur der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach als "100 Prozent Abrechnung mit Merkel" deutete: "Sie ist für Söder Gutmensch, das Feindbild schlechthin."
Da passen gemeinsame Wahlkampfauftritte nicht ins Konzept. Die AfD soll keine Chance bekommen, mit ihrem Slogan von 2017 auch bei der Landtagswahl zu punkten: "Wer CSU wählt, bekommt Merkel." Dass Söder mit Kurz um Wählerstimmen kämpft, ist ein klares politisches Statement.