Messegräte und Rohrleitungen in einem Gas-Verteilzentrum
Bildrechte: pa/dpa/Bernd Weißbrod

Messegräte und Rohrleitungen in einem Gas-Verteilzentrum (Symbolbild)

    Ungleiche Gasversorgung hätte weitreichende Folgen

    Eine ungleiche Gasversorgung in Deutschland hätte laut der Bundesnetzagentur weitreichende Folgen - vor allem für Privathaushalte. Damit Gas gerecht verteilt wird, fordert der EVP-Vorsitzende Manfred Weber eine europaweite Einkaufsgemeinschaft.

    Eine ungleiche Gasversorgung in Deutschland und Europa gilt es zu verhindern. Darin sind sich Experten einig. Der Partei- und Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, will deshalb eine europaweite Notfallversorgung etablieren.

    Folgen bei ungleicher Gasverteilung

    Sollte die Gasversorgung ungleich verteilt werden, hätte das dem Präsidenten der Bundesnetzagentur zufolge erhebliche Folgen. "In dem Moment, in dem der Druck im Gasnetz in einer Region unter ein gewisses Mindestmaß fallen würde, würde auf einen Schlag in Hunderttausenden Gasthermen die Sicherung einspringen", sagte Klaus Müller den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Die müsste händisch von geschulten Fachkräften wieder freigeschaltet werden, wenn wieder Gas in der Region verfügbar wäre."

    Ein solches Szenario könne niemand wollen, "weil es sehr lange dauern würde, die Gasversorgung wiederherzustellen". Also werde es immer das Ziel der Bundesnetzagentur sein, notfalls Reduzierungen beim industriellen Verbrauch anzuordnen, damit dieses Szenario nicht eintrete.

    Systemrelevante Branchen bekämen Vorrang

    Müller sagte, in einer Gasnotlage "können wir nicht jeden Betrieb als systemrelevant einstufen". Er fügte hinzu: "In kritischen Bereichen wie Teilen der Lebensmittel- und Pharmabranche müssen wir sehr vorsichtig sein. Dagegen wären Produkte und Angebote, die in den Freizeit- und Wohlfühlbereich fallen, eher nachrangig. Schwimmbäder gehören wohl nicht zum kritischen Bereich, genauso wie die Produktion von Schokoladenkeksen."

    Hausbesitzer sollen die nächsten Wochen nutzen

    Allen Haus- und Wohnungsbesitzer riet der Chef der Bundesnetzagentur, ihre Gasbrennwertkessel und Heizkörper rasch zu überprüfen und effizient einstellen zu lassen. "Eine Wartung kann den Gasverbrauch um zehn bis 15 Prozent senken", sagte Behördenchef. Die zwölf Wochen bis zum Beginn der Heizsaison müssten genützt werden. "Das muss jetzt passieren und nicht erst im Herbst."

    Mit Blick auf die Gaspreise sagte Müller: "Viele Verbraucher werden schockiert sein, wenn sie Post von ihrem Energieversorger bekommen." Es sei "eine Verdreifachung drin".

    Gasflüsse bisher gleichmäßig verteilt

    Nach Müllers Angaben sind die Gasflüsse in der Bundesrepublik bislang mehr oder weniger gleichmäßig verteilt. "Das könnte sich ändern, sollten wir nur noch Gas aus Norwegen, den Niederlanden oder Belgien erhalten", so Müller. Deshalb würden die Speicher schon jetzt so gefüllt, dass auch der Süden ausreichend versorgt werden könne. "Derzeit legen wir zum Beispiel nicht nur einen Fokus auf den größten deutschen Speicher in Rehden in Niedersachsen, sondern auch auf den Speicher in Wolfersberg in Bayern."

    Weber fordert EU-Sondergipfel

    Der Partei- und Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, hat wegen der russischen Drosselung der Gaslieferungen einen EU-Sondergipfel gefordert. Bei dem Treffen sollten die Staats- und Regierungschefs eine europaweite Notfallversorgung im Herbst und Winter vorbereiten, sagte der CSU-Politiker dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag". Der Gipfel solle "verbindliche Maßnahmen für eine gerechte Gasverteilung" beschließen.

    EU soll gemeinsam Gas einkaufen

    Die EU brauche laut Weber einen verbindlichen Mechanismus, um die europäischen Gasspeicher gemeinsam zu bewirtschaften. Das in Europa ankommende Gas müsse gerecht verteilt werden, auch das Flüssiggas. Zudem werde eine Einkaufsgemeinschaft für Gas gebraucht: "Die Preise für die Verbraucher werden reduziert, wenn die EU gemeinsam einkauft und nicht jedes Land für sich."

    Verbraucherzentrale: "Preise kaum noch zu schultern"

    Währenddessen warnte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) davor, die drastischen Preisanstiege bei Gas unmittelbar an die Verbraucher weiterzugeben, und forderte Gesetzesänderungen. "Die Preissteigerungen sind für viele Menschen kaum noch zu schultern", sagte der Leiter des Teams Energie und Bauen beim vzbv, Thomas Engelke, der "Rheinischen Post".

    Der Paragraf 24 des Energiesicherheitsgesetzes müsse dringend von der Bundesregierung überarbeitet werden, forderte Engelke. Ohne Änderungen "könnten die Energieanbieter bei Ausrufung der Gasmangellage durch die Bundesnetzagentur die teuren Börsengaspreise 1:1 an die privaten Haushalte durchreichen".

    Habeck arbeitet an "anderen Möglichkeiten"

    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte dazu, der Paragraf sei nicht aktiviert worden, "weil das ein sehr, sehr scharfes Schwert ist". Er sei mit den Bundestagsfraktionen im Gespräch über eine Novellierung des Gesetzes. Der betreffende Paragraf würde bedeuten, dass Unternehmen Preise außerhalb der Vertragsbindung an die Kunden weitergeben könnten. "Das würde bedeuten, dass man für einige Stadtwerke sofort eine Preisexplosion haben würde."

    Dieses Schwert sei noch nicht gezogen worden, "weil wir noch an anderen Möglichkeiten arbeiten, die vielleicht den Keil nicht so scharf in die Gesellschaft treiben", sagte der Wirtschaftsminister. Er fügte zugleich hinzu: "Aber ausschließen kann ich das auch nicht."

    Gazprom will Mitte Juli "Pipeline warten"

    Bundeswirtschaftsminister Habeck hatte am 23. Juni die zweite Krisenstufe im Notfallplan Gas, die sogenannte Alarmstufe, ausgerufen. Der staatliche russische Energiekonzern Gazprom drosselte die Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland bereits um 60 Prozent. Mitte Juli will Gazprom die Pipeline einer zehntägigen Wartung unterziehen. Was anschließend geschieht, ist offen.

    Die Bundesnetzagentur befürchtet einen Totalausfall der russischen Gaslieferungen. Die Frage sei, ob aus der bevorstehenden regulären Wartung von Nord Stream 1 "eine länger andauernde politische Wartung wird", sagte Netzagentur-Chef Klaus Müller am Samstag.

    "Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!