Archivbild: Der durch Flussbaumaßnahmen begradigte Rappenalpbach im Rappenalptal
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Archivbild: Der durch Flussbaumaßnahmen begradigte Rappenalpbach im Rappenalptal

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Umweltminister: Rappenalpbach wird ab Frühjahr wiederhergestellt

Die mutmaßlich illegalen Baggerarbeiten am Allgäuer Rappenalpbach sollen nach der Schneeschmelze rückgängig gemacht werden. Umweltminister Glauber kündigte an, die Sanierung werde im Frühjahr beginnen, um den Naturraum wiederherzustellen.

Der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber hat die möglicherweise illegalen Baggerarbeiten am geschützten Allgäuer Rappenalpbach als einen "Eingriff in die Natur" kritisiert, "der so nicht hinnehmbar ist". Der Gebirgsbach sei nach europäischem Wasserrecht geschützt, und eine Ausbaggerung sei "letztendlich verboten", betonte der Freie-Wähler-Politiker im Umweltausschuss des Bayerischen Landtags. Auch durch die Drohnen-Vermessung sei dokumentiert, "dass es sich um eine Ausbaggerung handelte und nicht um eine sogenannte Unterhaltsmaßnahme". Dieser "Naturfrevel" sei aus seiner Sicht "kein Versehen gewesen".

Das Umweltministerium werde alles daransetzen, den Bach wieder in seinen früheren Zustand zurückzuversetzen. Wie lange das dauern werde, könne er noch nicht sagen. "Aber wir haben ein Konzept, wir haben eine Planung, wie wir es tun wollen." Die Sanierung solle im Frühjahr beginnen - nach der Schneeschmelze, kündigte Glauber an. "Wir werden die Vertiefungen des Bachbettes rückgängig machen, wir werden auch die Kanalisierung aufheben." Das natürliche Wildflusssystem solle wieder geschaffen werden, "um am Ende diesen Naturraum wieder herzustellen".

"Lebensraum weitgehend zerstört"

Landratsamt Oberallgäu und Alpgenossenschaft Rappenalpe schieben sich in dem Fall gegenseitig die Schuld zu. Ende August hatten Vertreter der Alpgenossenschaft mit Mitarbeitern der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) des Landratsamt bei einem Ortstermin über die Beseitigung von Schlagwetterschäden an dem Gebirgsbach bei Oberstdorf gesprochen. Nachdem die Behörde dazu einen Aktenvermerk per Email an den Alpmeister verschickte, wurden im September massive Baggerarbeiten vorgenommen.

"Der Rappenalbach wurde kanalisiert, es wurden Dämme errichtet", erläuterte Glauber im Ausschuss. Die Höhenvermessung mit GPS habe ergeben, das der Bach um mehr als 2,5 Meter vertieft worden sei. Die Umweltausschuss-Vorsitzende Rosi Steinberger (Grüne) betonte, auf einer Länge von eineinhalb Kilometern sei geschützter Lebensraum weitgehend zerstört worden. Bayernweit bekannt wurde der Fall vor allem durch Berichterstattung des BR. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete.

Juristische Aufarbeitung läuft

Im November verpflichtete das Landratsamt dann per Bescheid die Aplgenossenschaft dazu, Sofortmaßahmen zum Hochwasserschutz vorzunehmen. Nachdem das Verwaltungsgericht Augsburg zunächst einen Eilantrag der Aplgenossenschaft abgelehnt hatte, landete der Fall vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof: Und die Richter attestierten dem Landratsamt im Eilverfahren mehrere Fehler.

Die grundlegende juristische Aufarbeitung des Falls im Hauptsacheverfahren am Verwaltungsgericht Augsburg steht noch aus.

CSU und Freie Wähler warnen vor Vorverurteilung

Ausschuss-Vize Eric Beißwenger (CSU) betonte, an dem Wildbach gebe es generell "sehr dynamisches Geschehen". Der Bagger-Eingriff sei vielleicht massiv gewesen, bewege sich aber noch im Rahmen der dynamischen natürlichen Veränderungen: "Das Gebiet weist derzeit ähnliche Lebensräume wie auch nach beispielsweise einem starken Hochwasser auf", argumentierte Beißwenger. Auch nach einem solchen Hochwasser müsse sich das Gebiet "immer wieder erst erholen".

Als "äußerst schwierig" bezeichnete der CSU-Politiker die öffentliche "Vorverurteilung" in dem Fall. Diese könne ein massives Problem zur Folge haben: "Das Gebiet wird auch bewirtschaftet zum großen Teil von Ehrenamtlichen. Wir werden früher oder später keine mehr finden, die den Kopf dafür hinhalten." Die große Artenvielfalt im Rappenalptal sei nicht vom Himmel gefallen, vielmehr hätten "Generationen von Landwirten und Bauern" dort gearbeitet.

Auch Benno Zierer von den Freien Wählern mahnte, es dürfe keine Vorverurteilung geben. Jede Baumaßnahme wirke auf den ersten Blick schrecklich. Aber die Natur habe "zum Glück auch Selbstheilungskräfte". Es werde am Rappenalpbach wieder Hochwasser geben, "dann wird sich auch dieser Bereich wieder verändern".

FDP und Grüne mahnen Aufklärung an

Der FDP-Abgeordnete Christoph Skutella entgegnete, es stünden bestimmte Dinge im Raum, "über die man reden muss". Sein Eindruck sei, "dass das Ladratsamt vor Ort sehr zögerlich informiert". Nötig wäre seiner Meinung nach "größte Transparenz". Auf Twitter schrieb Skutella später, die "Versuche der Relativierung" durch CSU und Freie Wähler "verheißen nichts Gutes". Die Arbeiten mit einer natürlichen Bachlauf-Veränderung zu vergleichen seien "absolut verwunderlich".

Steinberger von den Grünen mahnte in einer Mitteilung, bei der Untersuchung und Aufklärung dieses Falls dürfe es keine Tabus geben. Es müsse genau ermittelt werden, wer schuldig oder mitverantwortlich für die Umweltzerstörung sei - selbst wenn das staatliche Stellen betreffe. Der Minister müsse zudem jetzt Maßnahmen in die Wege leiten, um Taten wie am Rappenalpbach in Zukunft zu verhindern. Es brauche beispielsweise konkrete Angebote, um den Bewirtschaftern Wert und Sensibilität der Biotope und Arten zu vermitteln. Der Rappenalpbach sei kein Einzelfall. "Wer jetzt nicht handelt, öffnet dem nächsten Frevel an Bayerns Natur Tür und Tor."

Glauber lobt Arbeit von Älplern

Minister Glauber versicherte, seitens des Ministerium habe niemand irgendein Interesse daran, jemanden vorzuverurteilen. "Es ist ein laufendes Verfahren." Das Ministerium sei zuständig dafür, "sachlich, fachlich" mit aufzuklären. Er habe durch die Berichterstattung des BR von dem Fall erfahren. "Und ab da haben wir uns dann auch eingeschaltet." Zugleich hob er die besondere Bedeutung der Älpler, der Bäuerinnen und Bauern für den Naturraum und die Biodiversität hervor. Alle im Natur- und Umweltschutz seien "gottfroh, dass die Älpler, dass die Alm- und Alpwirtschaft in Bayern diese Aufgabe für uns übernimmt".

Josef Florian von der Alpgenossenschaft, der als Zuhörer an der Sitzung teilnahm, sagte dem BR, der Minister sei bei seinen Äußerungen "ein bisschen zurückhaltend" gewesen. "Ich glaube, weil er Ämter schützen will". Andere Politiker hätten mehr Verständnis gezeigt. Kritiker forderte er auf, "selber mal zum Tagwerken oder zum Lawinen-Aufräumen" zu kommen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Zugleich betonte der Ex-Vorsitzende der Alpgenossenschaft, im Jahr 2005 sei am Rappenalpbach noch mehr gebaggert worden sei - und die Politik habe das damals gelobt.

Das BR24live mit dem Bericht des Ministers zum Nachschauen:

04.12.2022, Bayern, Oberstdorf: Der durch Flußbaumaßnahmen begradigte Rappenalpbach im Rappenalptal. Die Baggerarbeiten haben den Fluß auf eineinhalb Kilometer Länge weitgehend zerstört. Bisher geht die Polizei davon aus, dass die Alpgenossenschaft keine behördliche Genehmigung für die Arbeiten an dem Gewässer hatte. Zu welchem Zwecke der Bereich am Bach ausgebaggert wurde, blieb zunächst unklar.      (zu dpa "Allgäuer Wildbach ausgebaggert - Polizei erwartet lange Ermittlungen") Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Rappenalptal im Allgäu

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