Verteidigungsminister Pistorius schüttelt seiner niederländischen Amtskollegin die Hand. Neben ihnen die obersten Heeressoldaten der beiden Länder. Links im Bild Generalleutnant Alfons Mais, Inspekteur des Heeres. Rechts Generalleutnant Martin Wijnen, niederländischer Kommandeur der Landstreitkräfte.
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Verteidigungsminister Pistorius schüttelt seiner niederländischen Amtskollegin die Hand. Neben ihnen die obersten Heeressoldaten der Länder.

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Umgliederung des Heeres: Pistorius zu Besuch in Bayern

Verteidigungsminister Pistorius war am Donnerstag zu Gast in Unterfranken. Der Besuch stand im Zusammenhang mit der Umgliederung des Heeres, der größten Teilstreitkraft der Bundeswehr. Die Umstrukturierung nimmt Fahrt auf.

Vor der Kulisse des Veitshöchheimer Schlosses wurde der 10. Panzerdivision der Bundeswehr heute im Rahmen eines feierlichen Apells eine niederländische Brigade unterstellt. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) war zu diesem Anlass in die unterfränkische Gemeinde gereist. Die 10. Panzerdivision wird von dort aus kommandiert.

"Ein Meilenstein"

Sowohl Pistorius als auch seine niederländische Amtskollegin, Kajsa Ollongren, lobten die enge militärische Zusammenarbeit der beiden Länder, die in den Neunzigerjahren begonnen hatte. „Gemeinsam kommt man weiter“, sagte Pistorius. Die Form der deutsch-niederländischen Zusammenarbeit habe eine Vorbildfunktion für andere NATO-Staaten. Die Basis sei einerseits gegenseitiger Respekt und andererseits gegenseitiges Vertrauen.

Ollongren nannte die Unterstellung einen Meilenstein. Mit dem heutigen Tag sei das niederländische Feldheer komplett in Deutsche Verbände integriert. Damit käme zu einem Ende, was vor rund 30 Jahren in anderer Form begonnen habe, sagte die Ministerin auf Nachfrage.

Die niederländische Brigade bringt wichtige Fähigkeiten in die 10.Panzerdivision ein. Für die Bundeswehr ist der Großverband von entscheidender Bedeutung.

Abwehrbereit im Ernstfall will die deutsche Bundeswehr sein. Auch um Verpflichtungen innerhalb der NATO zu erfüllen. Dafür stellt sich die Bundeswehr gerade um. Und das führt zu neuen Zuständigkeiten.
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Abwehrbereit im Ernstfall will die deutsche Bundeswehr sein. Auch um Verpflichtungen innerhalb der NATO zu erfüllen.

Bundeswehr: Großprojekt Division 2025

Bis 2025 soll die Division als „vollausgestattet“ an die NATO gemeldet werden. Ursprünglich sollte dieses Ziel erst bis 2027 erreicht werden. Die Pläne stehen im Zusammenhang mit einer umfassenden Umgliederung des Heeres. Mit rund 60.000 Soldatinnen und Soldaten ist es die größte Teilstreitkraft der Bundeswehr.

Angestoßen wurden die entsprechenden Überlegungen bereits nach der russischen Annexion der Krim 2014, als innerhalb der Nato ein Umdenken einsetze. Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Umstrukturierung allerdings Fahrt aufgenommen. Die Rückbesinnung auf Aufgaben im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung steht klar im Vordergrund. Boris Pistorius tritt hier das Erbe seiner Amtsvorgängerinnen an.

Neue "Kräftekategorien" des Heeres

Künftig soll das Heer aus drei sogenannten Kräftekategorien bestehen. Dazu zählen schwere, mittlere und leichte Kräfte. Mit schweren Kräften sind Kampfpanzer-, Panzergrenadier- und Artillerieeinheiten gemeint, die Kettenfahrzeuge nutzen und über schwere Waffen verfügen. Ihre Verlegung allerdings erfordert viel Zeit und einen erheblichen Aufwand. Das unterscheidet sie von den beiden anderen Kräftekategorien.

Unter leichten Kräften werden etwa Gebirgs- und Fallschirmjäger verstanden. Also Infanterieverbände, die sich vergleichsweise einfach und schnell auf dem Luftweg verlegen lassen, die zugleich aber nur leicht bewaffnet sind und in der Regel höchstens über leicht gepanzerte Fahrzeuge verfügen.

Im Rahmen von Nato-Verteidigungsplanungen kommt ihnen die Rolle zu, als Erstes in ein Einsatzgebiet transportiert zu werden und so lange auszuhalten, bis schwer bewaffnete Unterstützung eintrifft. Zudem sollen sie wie bisher für die nationale Krisenvorsorge zuständig sein, beispielsweise für Evakuierungsoperationen.

Mittlere Kräfte: Schlüsselrolle

Die mittleren Kräfte nehmen in der Umgliederung des Heeres eine Schlüsselrolle ein. Sie sollen erst in größerem Umfang aufgebaut werden und einmal die Lücke zwischen leichten und schweren Kräften schließen. Die Rede ist von Einheiten, die beispielsweise über Radpanzer verfügen und damit als vergleichsweise mobil gelten, weil sie weite Strecken auf Straßen zurücklegen können.

Beobachtern zufolge dienen dabei US-amerikanische Verbände als Vorbild. Die USA haben in den vergangenen Jahren massiv in diese Kräftekategorie investiert. Zu ihr zählen Einheiten, wie jene, die in Vilseck in der Oberpfalz stationiert sind. Sie verfügen über Radpanzer vom Typ "Stryker". Die Bundeswehr nutzt aktuell ein vergleichbares Fahrzeug. Es trägt den Namen "Boxer" und wurde in unterschiedlichen Versionen in der Truppe eingeführt. In einem Boxer haben mehrere Soldaten Platz. Zudem ist er meist bewaffnet, etwa mit einem Maschinengewehr.

Neues Material: Bedarf an Radpanzern

Langfristig will das Heer laut Angaben eines Sprechers auch auf weitere gepanzerte Radfahrzeuge setzen, um die Feuerkraft der mittleren Kräfte zu erhöhen. Dazu zählen etwa Rad-Haubitzen, also radbasierte Artilleriegeschütze, oder Rad-Schützenpanzer. Diese sollen dann über Maschinenkanonen größeren Kalibers verfügen.

Die Beschaffung von mehr als 100 entsprechenden Fahrzeugen wurde laut einer Mitteilung des Verteidigungsministeriums kürzlich auf den Weg gebracht. Sie sollen mit einer 30-Milimeter-Kanone ausgerüstet sein, wie auch der Schützenpanzer Puma. Das Projekt soll aus dem Sondervermögen finanziert werden.

Niederländer schließen Lücke

Die niederländische Brigade, die nun der 10. Panzerdivision unterstellt ist, aber in ihrer Heimat stationiert bleibt, zählt im Wesentlichen zur Kräftekategorie der mittleren Kräfte. Die Einheit nutzt bereits jetzt die gleichen Fahrzeuge wie die Bundeswehr, wovon sich Verantwortliche Synergieeffekte erhoffen. Die Division soll durch die Unterstellung der Niederländer neben ihren beiden schweren Brigaden über eine einsatzbereite mittlere Brigade verfügen. Bei den schweren Brigaden handelt es sich um die Panzerbrigade 12 "Oberpfalz" und die Panzergrenadierbrigade 37 "Freistaat Sachsen".

Im Ernstfall stünde der Großverband unter Nato-Befehl.

Chef des Heeres im BR-Interview: "Ehrgeiziges Ziel"

Die 10. Panzerdivision vollständig auszustatten, beschrieb der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, als "ehrgeiziges Ziel". Schließlich sei der Termin von 2027 auf 2025 vorgezogen worden. Allerdings, so Mais im BR-Podcast-Interview vor wenigen Tagen, sei es von Vorteil, dass die Panzergrenadierbrigade 37 bereits "in einem sehr guten Vorbereitungsstand" sei, weil sie derzeit zu den Krisenreaktionskräften der Nato zählt.

Auch bei der Panzerbrigade 12 "Oberpfalz", seien die Vorbereitungen weit gediehen. Den Militärplanern käme das zu Gute. Dennoch bleibe es eine Kraftanstrengung, sagte Mais. Der Prozess sei begleitet von Unwägbarkeiten, wie der Ausbildung von ukrainischen Soldaten. Da die Bundeswehr in diesem Jahr fast zehntausend von ihnen ausbilden soll, binde das deutsche Soldatinnen und Soldaten.

Herausforderung Munition

Die größte Herausforderung sieht der "Chef" des Heeres unterdessen in der Aufstockung der Munitionsreserven. Bedarf habe die Truppe insbesondere an Artilleriemunition. Die könne man aber "nicht im Supermarkt kaufen". Großgerät wie beispielsweise Panzer ließen sich hingegen aus dem gesamten Heer zusammenziehen und bündeln.

In dieser Vorgehensweise hat die Bundeswehr in den Augen von Beobachtern durchaus Erfahrung. Über Jahre hinweg war diese Praxis bereits üblich, um jenen Verbänden einsatzbereites Material zur Verfügung zu stellen, die es benötigten. Diese Form des Plünderns war mitunter der Not geschuldet, weil an Material gespart wurde.

Als wunde Punkte der Umstrukturierungen gelten Beobachtern unterdessen Heeres-Flugabwehr- und Artillerieverbände. Diese wurden entweder im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr auf Auslandseinsätze komplett abgeschafft oder erheblich verkleinert. Auch der Heeresinspekteur sieht hier "Handlungsbedarf". Der Ukraine-Krieg macht in den Augen vieler Militärs deutlich, wie dringend derartige Fähigkeiten sind. Nach Informationen des BR ist die Aufstellung neuer Verbände im Gespräch.

Verteidigungsminister Pistorius betonte in Veitshöchheim, nach mehr oder weniger 30 Jahren des Friedens in Europa, sei es nun das Ziel, wieder Verteidigungsbereitschaft in einer anderen Qualität herzustellen. Dafür müsse man die entsprechenden Flugabwehrfähigkeiten wiedererlangen.

Keine Standortschließungen

Die Umgliederung des Heeres ist eine Struktur- aber keine Standortreform. Anders als bei der sogenannten "Neuausrichtung" der Bundeswehr ab 2012 werden dabei keine Standorte geschlossen. Heeresverbände werden lediglich innerhalb der Teilstreitkraft neu zugeordnet. In Bayern betrifft das vordergründig die Gebirgsjägerbrigade 23 mit Standorten wie Mittenwald, Bad Reichenhall oder Bischofswiesen. Die Brigade wird künftig der Division Schnelle Kräfte unterstehen und nicht mehr wie bisher der 10. Panzerdivision. Eine Ausnahme bildet das Füssener Gebirgsaufklärungsbataillon 230. Dieses bleibt der 10. Panzerdivision unterstellt.

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