Wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine finden dort keine regulären Prüfungen statt. Aber wer studieren will, der muss eine Zulassungsprüfung ablegen. Auch Schülerinnen und Schüler die aus der Ukraine flüchten mussten, sollen diese Chance erhalten. Sie können nun Online-Examina schreiben. Das ist auch in München möglich, und zwar beim Kulturverein GOROD.
- Zum Artikel: "25.000 Schüler aus der Ukraine - das sind Piazolos Pläne"
Ukrainer aus aller Welt schreiben in München Notabitur
"Ich bin sehr aufgeregt, aber ich hoffe, dass alles super wird!" Anastasia schreibt im Juli ihre Zulassungsprüfung für die ukrainische Universität. Denn sie möchte gerne ab Herbst Informatik studieren, im Dualen System, gleichzeitig in Deutschland und der Ukraine. Für das Notabitur ist die 17-Jährige extra aus Baden-Württemberg nach München angereist.
Der Krieg in ihrer Heimat zwingt sie zur Selbstständigkeit. Nach Kriegsbeginn ist Anastasia ganz alleine aus der Westukraine zu Bekannten nach Grafenau geflohen. Ihre Mutter ist mit der kleinen Schwester daheim geblieben, in Uschgorod, nahe der slowakischen Grenze. Ihr Bruder kämpft.
So wie Anastasia, reisen derzeit junge Ukrainer und Ukrainerinnen aus aller Welt nach München zur Prüfung an, sogar aus Kanada und Griechenland. Denn weltweit wird das Notabitur nur an 31 Orten angeboten, bundesweit in fünf Städten, eine davon ist München.
- Hier gibt es weiterführende Informationen: "Wie sind die ukrainischen Schulabschlüsse in Deutschland geregelt?"
Münchner Kulturzentrum GOROD organisiert Prüfungen
Dass Anastasia nun hier in München ihr Notabitur schreiben kann, verdankt sie dem Kulturinstitut GOROD, gegründet 1998 von ukrainischen und russischen Einwanderern. Heute ist das Institut international ausgerichtet, und hilft auch ukrainischen Flüchtlingen.
"Kinder haben ein Recht auf Sicherheit, ein Recht auf Bildung", sagt Nina Vishnevska, Geschäftsführerin des Kulturvereins. Das bedeute für sie auch, dass Kinder ein Recht auf Prüfungen hätten.
In den Räumen des internationalen Kulturvereins in München-Neuhausen legen im Juli und August 1.080 ukrainische Schülerinnen und Schüler ihre Zulassungsprüfungen für die ukrainische Universität ab. Kriegsbedingt, werden die Jugendlichen statt in normalerweise elf Fächern nur in drei Fächern abgefragt. Und zwar in Mathematik, ukrainischer Sprache und Geschichte. Die Fragen bekommen sie online vom ukrainischen Bildungsministerium. Für die Technik sorgen die Stadt München und weitere Spender. Deswegen sind die Tests kostenlos.
Prüfungen auch in der Ukraine möglich
Alternativ können ukrainische Schülerinnen und Schüler ihre Prüfungen derzeit auch in der Heimat ablegen. Dafür hat sich der 17-jährige Vitalij entschieden. Er lebt seit drei Monaten mit seiner Mutter im oberbayerischen Dorf Windach, im Landkreis Landsberg. Vor kurzem ist er zurück in die Westukraine gefahren, mit einem Bus des Internationalen Roten Kreuzes. 34 Stunden hat die Fahrt nach Hause gedauert. Viele seiner Freunde seien ebenfalls extra für die Prüfungen zurückgekehrt, erzählt Vitalij am Telefon.
In Oberbayern hat Vitalij einen Schulplatz an der Realschule Schondorf. Momentan weiß er noch nicht, ob er nach Deutschland zurückkehren wird. Das hänge auch von seinen Studienmöglichkeiten ab, sagt er. Vielleicht kann er ein Fernstudium machen, nachmittags, und morgens weiterhin die deutsche Schule besuchen.
Fernstudium an Uni Charkiw in München ab Herbst
Während Anastasia und die anderen ukrainischen Absolventen gerade ihre Zulassungsprüfungen schreiben, plant der Kulturverein GOROD schon weiter. Ab Herbst 2022 soll in den Vereinsräumen ein zweistufiges Studienzentrum starten, nach ukrainischem Schul- und Hochschulrecht. Stufe eins bildet ein "Lyzeum" mit dem Lehrprogramm der zehnten und elften Klasse, welches die Schüler – wie in ihrem Heimatland – mit der Abiturprüfung abschließen können.
Stufe zwei bietet die Teilnahme an verschiedenen Studiengängen der Nationalen W.-N.-Karasin-Universität in Charkiw, und zwar in den Fachrichtungen Biologie, Informatik und Kulturwissenschaften. Der Unterricht wird hybrid stattfinden, mit regelmäßigen Präsenzphasen, ansonsten online.
Wenn alles wie geplant läuft, soll das "Lyzeum" am 1. September 2022 starten, das Studienangebot am 1. Oktober 2022. Die Nachfrage ist groß. Auf die 225 Studienplätze haben sich bereits 600 Ukrainer und Ukrainerinnen beworben. Für die Lehrer wird dringend Wohnraum gesucht. Der Verein zahlt die Miete.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!