Ist der Rechenweg für den Übertritt korrekt?
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Werden die Noten für den Übertritt richtig berechnet?

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Übertrittsnote: Fehlerhafte Berechnung, weitreichende Folgen?

Nach der 4. Klasse entscheidet in Bayern eine Übertrittsnote mit zwei Nachkommastellen über die weitere Schullaufbahn. Bei Eltern ist die Berechnung dieses Durchschnitts umstritten – ein Vater übt jetzt massive Kritik. Das Kultusministerium kontert.

Über dieses Thema berichtet: Campus Magazin am .

Ob es im Gymnasium, der Realschule oder der Mittelschule weitergeht, hängt beim Übertrittszeugnis von den Nachkommastellen der Durchschnitts-Note ab. Diese bayerische Vorgehensweise ist seit langem umstritten. Michael Silberhorn ist Familienvater, er kritisiert das Berechnungsverfahren, auch wenn seine Kinder schon im Gymnasium sind.

Berechnung der Übertrittsnote ist vorgeschrieben

Die Lehrerinnen und Lehrer erteilen für die drei Fächer Deutsch, Mathematik und HSU eine jeweilige Jahresfortgangsnote, eine ganze Zahl ohne Nachkommastelle. Im nächsten Schritt werden diese drei Noten addiert und ihre Summe durch drei geteilt. Das Ergebnis ist die Durchschnittsnote auf dem Übertrittszeugnis, mit zwei Kommastellen. Bis einschließlich 2,33 ist der Weg für das Gymnasium frei, beim Notenschnitt bis 2,66 lautet die Empfehlung Realschule – und ab 3,0 geht es auf der Mittelschule weiter.

Silberhorn kritisiert, es werde das mathematische Prinzip missachtet, wonach bei einer Gleichung Ausgangswert und Ergebnis dieselbe Nachkommastellen haben sollten. Und: Ihm sei unverständlich, warum nicht durchgängig mit den Durchschnittsnoten samt Nachkommastellen gerechnet würde, die für jedes Fach ohnehin vorlägen, statt mit den Jahresfortgangsnoten. Beim geltenden Verfahren seien fehlerhafte Übertrittsnoten mit Auswirkungen auf die Schullaufbahn möglich, so seine Berechnungen, die Kultusministerium und BR24 vorliegen.

Kultusministerium weist Kritik zurück

Auf Anfrage von BR24 bezeichnet das Kultusministerium diese Rechenbeispiele als falsch, mathematisch wie juristisch, mit Verweis auf geltende Gesetzesvorgaben im Schulrecht und Gerichtsurteile. Wörtlich teilt das Ministerium mit:

• "Für die Berechnung der Gesamtdurchschnittsnote heranzuziehen ist nicht ein Notendurchschnitt in Mathematik, Deutsch und Heimat- und Sachunterricht, sondern ausschließlich die Jahresfortgangsnote der Jahrgangsstufe 4 in den genannten Fächern (vgl. dazu z.B. OVG Bautzen, Beschluss vom 9.10.2013 - 2 B 435/13, BeckRS 2014, 53739, Rdnr. 10). Daher wird die Durchschnittsnote auch mathematisch korrekt berechnet."

• "Die Aufnahme in das Gymnasium oder die Realschule kann im Rahmen der in Art. 7 GG verankerten staatlichen Schulaufsicht an Zulassungsvoraussetzungen geknüpft werden, deren Festlegung im einzelnen Sache des Landesrechts ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.6.1957 - BVerwG II C 105/56). Der parlamentarische Gesetzgeber hat daher einen Beurteilungsspielraum, an welche Anforderungen er die Aufnahme an ein Gymnasium und eine Realschule knüpfen möchte."

Das Kultusministerium erklärt, das bayerische Übertrittsverfahren sei kind- und begabungsgerecht und habe sich bewährt. Eine Abkehr von diesem Prinzip sei nicht zielführend und ist daher auch nicht vorgesehen. Das Kultusministerium äußert sich nicht tiefergehend zur mathematischen Argumentation, sondern betont die Rolle der Pädagogen bei der Notenfindung.

Regeln der Mathematik

Aus den Einzelnoten lässt sich pro Fach ein Notendurchschnitt mit zwei Nachkommastellen errechnen. Professorin Sarah Brockhaus, Mathematikerin an der Hochschule München, gibt auf Anfrage von BR24 eine prinzipielle Einschätzung. Man könne durchaus solche Beispiele konstruieren, in denen es einen Unterschied mache, ob man mit gerundeten oder mit ungerundeten Zahlen rechne. Grundsätzlich erhalte man in der Mathematik exaktere Ergebnisse, wenn man mit ungerundeten, also möglichst exakten Werten rechnet.

Die Expertin beurteilt mit dieser Aussage aber ausdrücklich nicht das gängige Verfahren der Notenberechnung im Übertritt, oder ob Jahresfortgangsnoten gerundete Durchschnittsnoten sind.

Pädagogischer Faktor bei der Notengebung

Jahresfortgangsnoten in Deutsch, Mathematik und HSU entstehen auf Basis der gesammelten Leistungsbeurteilungen – ob Heftführung, Gruppenarbeit oder Proben. Einzelne Noten, etwa für Probearbeiten, werden nach Notenschlüsseln berechnet, die den Leistungsstand der Klasse, die Vorbereitung im Unterricht und andere Parameter flexibel berücksichtigen.

Dieselbe HSU-Aufgabe könne an verschiedenen Schulen deshalb unterschiedlich benotet werden, abhängig von der Situation vor Ort, erklärt Simone Fleischmann vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband. Lehrkräfte sollen Schülerinnen und Schüler umfassend in den Blick nehmen. In die Jahresfortgangsnoten fließt deshalb auch die pädagogische Bewertung eines Kindes und seiner Entwicklung mit ein, etwa bei der mündlichen Note.

Transparenz ist Eltern wichtig

Notengebung und Gewichtung einzelner Noten sind für Eltern teils schwer nachvollziehbar. Der Notendurchschnitt gibt Eltern aber eine Orientierung, wo ihr Kind steht. Ilona Zehetleitner von der Bürgerinitiative Übertritt sagt, es gebe deshalb Kritik an der Zwischeninformation zum Leistungsstand und den Jahresfortgangsnoten. Die Noten für Deutsch, Mathematik und HSU seien zu ungenau. Bei der Note Drei in Mathematik wäre beispielsweise unklar, ob dahinter eher eine 2,5 eine 2,6 oder vielleicht sogar eine 3,4 stehe, also ob sich z.B. zusätzliches Üben noch lohne oder dringend nötig sei.

Immerhin erkläre ein Großteil der Lehrerinnen und Lehrer im Elterngespräch sehr transparent, wie die Noten erhoben und berechnet werden – und berate intensiv zum Leistungsstand.

BLLV: Elternwille wäre im Sinne der Kinder

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann betont, an einem Berechnungsverfahren scheitere keine Schulkarriere. Die pädagogische Freiheit der Lehrerinnen und Lehrer diene dem Interesse der Kinder, so werde etwa berücksichtigt, ob es Fortschritte gebe oder die Familiensituation plötzlich sehr schwierig sei. Die Notengebung werde gemeinsam im Lehrerkreis diskutiert . Der Leistungsstand werde mit den Eltern besprochen, ebenso die Chancen, eine schlechte Note auszugleichen.

Es gebe trotzdem Eltern, die, auch mit anwaltlicher Hilfe, um Noten oder auch um die Nachkommastellen kämpften. Der BLLV fordert, dass im Freistaat der Elternwille freigegeben wird. Lehrkräfte könnten dann noch intensiver zum Übertritt beraten, den Kindern würde viel Druck erspart.

Was bleibt als Fazit? Der Gesetzgeber hat sich für ein notenbasiertes Verfahren beim Übertritt entschieden. Die Zensuren der Jahresfortgangsnoten stellen gerade bei Wackelkandidaten keine rein mathematische Rundung des Notendurchschnitts in den Fächern Deutsch Mathematik und HSU dar. Wenn Eltern eine andere Schulart wünschen, als durch das Übertrittsverfahren angezeigt wird, besteht jedoch die Möglichkeit eines Probeunterrichts, auch dazu gibt es Beratungsangebote.

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