Gesprengter Geldautomat
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Geldautomaten: Abbauen statt Sichern

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Trotz Sprengungen: Banken zögern beim Schutz der Automaten

In Bayern wurden letztes Jahr 37 Geldautomaten gesprengt. Die Täter agieren professionell und skrupellos. Vorwürfe gegen Banken werden immer lauter. Nach Recherchen des Politikmagazins Kontrovers werden Sicherungssysteme gezielt in Verruf gebracht.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Ein Blick auf eine Karte, in der die Tatorte eingezeichnet sind, verrät einiges über die Täter. Sie gehen systematisch vor bei ihren Raubzügen. Die gesprengten Automaten liegen meist in unmittelbarer Nähe zu Autobahnen und Schnellstraßen. Auf den Überwachungsvideos aus verschiedenen Filialen ist immer das gleiche Muster zu erkennen: zwei bis drei Männer betreten den Automatenraum, bringen Sprengstoff an, um die Vorderfront abzusprengen. Nach Betätigung der Zündung bringen sich die Täter in Sicherheit. Sobald die Explosion erfolgt ist, sammeln sie das Geld ein – bis zu 250.000 Euro – und flüchten in hochmotorisierten Autos. 300 Kilometer pro Stunde auf dem Tacho sind keine Seltenheit.

Trainingszentrum für Verbrecher

Beim Landeskriminalamt leitet Jürgen Harle das Sachgebiet Organisierte Kriminalität. Zwei Banden konnten in den letzten Jahren festgenommen werden. Die Ermittlungen ziehen sich über Jahre, erklärt er gegenüber dem BR-Politikmagazin Kontrovers. Alleine bei den Bayerischen VR–Banken wurden in 2022 zwölf Bankautomaten gesprengt, berichtet Georg Scheller, Präsident des Genossenschaftsverbandes Bayern. Grundsätzlich sei es gar nicht so einfach einen Bankautomaten erfolgreich aufzusprengen: "Da finden offenbar ganz gezielte Trainingsmaßnahmen statt. Aus einem früheren Verfahren in den Niederlanden wissen wir, dass ein Täter ein richtiges Trainingszentrum eingerichtet hatte, mit verschiedenen Typen an Bankautomaten."

Im Untergeschoss des LKA steht ein zerstörter Automat für Anschauungszwecke. Eine Ecke der mehrere Zentimeter dicken Stahltüre wurde durch den Druck der Explosion im rechen Winkel verbogen: "Die Tresortür wurde herausgeschleudert. Man sieht an der Tür, wie massiv die ausgeführt ist. Die wird im Regelfall aus dem Gebäude geschleudert und kann dann bis zu 80 Meter weit fliegen und stellt eine enorme Gefahr für jeden dar, das sich in dem Moment da aufhält."

Verfärbungstechnik kaum im Einsatz

Sowohl die Staatsanwaltschaft Bamberg, bei der gerade eine Anklage gegen eine Sprenger-Bande vorbereitet wird, als auch das Landeskriminalamt fordern von den Geschäftsbanken bessere Sicherungssysteme. Und zwar flächendeckend. Jeder Zehnte der insgesamt rund 10.000 Geldautomaten in Bayern sei besonders gefährdet.

Die Täter schlagen systematisch im ländlichen Raum in der Nähe von Autobahnen und gut ausgebauten Landstraßen zu. Bislang sind erst in einem Teil der Automaten Farbkartuschen im Einsatz, die im Fall einer Sprengung das Geld so einfärben, dass es unbrauchbar ist. Immer wieder tauchen Gerüchte auf, dass die Täter in der Lage seien, das Geld wieder zu entfärben.

Gregor Scheller, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern, der mehr als 200 Volks- und Raiffeisenbanken vertritt, erklärt gegenüber Kontrovers, einige Filialen setzten trotzdem auch auf dieses Sicherungssystem. Gleichzeitig betont Scheller aber auch, dass selbst eingefärbte Banknoten einen Wert für Kriminelle haben: "Es gibt auch einen Markt für gefärbte Geldscheine auf dieser Welt." LKA-Sprecher Ludwig Waldinger wiederum betont: "Wir können das weder bestätigen noch widerlegen. Solche Fälle sind bei uns bislang nicht bekannt."

Herrmann: "Vorgeschobene Argumente"

In den Niederlanden kommt auch die sogenannte Verklebe-Technik erfolgreich zum Einsatz. Seitdem gibt es in dem Nachbarland keine Automaten-Sprengungen. Bei dem Verfahren werden die Scheine zu einem Klumpen verleimt. Die Bundesbank hat die Methode laut Hersteller vor zwei Wochen zugelassen. Doch bislang haben die Geschäftsbanken das Verfahren nicht im Einsatz. Immer wieder haben sie gesundheitliche Bedenken geäußert.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kann das nicht nachvollziehen: "Ich glaube, dass solche Argumente wirklich nur vorgeschoben sind. Denn es gibt überhaupt niemanden, der mir bekannt wäre – aus den Niederlanden oder aus Frankreich – der behaupten würde, dass jetzt Gesundheitsprobleme entstehen. Die Stoffe werden ja nur im Falle einer Sprengung freigesetzt, so dass Mitarbeiter nicht mit diesem Zeug in Berührung kommen", erläutert Herrmann.

Sicherheitsausstattung nicht ausreichend

Sowohl Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) als auch ihre Länderkollegen wollen die Banken beim Thema Sicherheit stärker in die Pflicht nehmen. Den Ermittlungsbehörden ist es in der Vergangenheit zwar gelungen, zwei Banden festzunehmen. Doch damit allein lassen sich die Profi-Sprenger künftig nicht aufhalten. Um die Täter abzuschrecken müsste zügig in Sicherungssystem investiert werden. Die Banken fühlen sich von der Politik alleingelassen und fordern Unterstützung.

Innenminister Herrmann erteilt einer finanziellen Unterstützung bei der Sicherheitsausstattung von Bankautomaten in Kontrovers eine klare Absage: "Ich sehe hier wirklich kein Anlass, dass der Staat hier einspringen sollte. Das ist schon Teil sozusagen der Unternehmen selbst, dass sie hier für ihre eigene Sicherheit sorgen. Hier sind die Banken und Sparkassen schon jetzt ganz klar selbst gefordert." Wenn nicht bald etwas passiere, will Herrmann sich notgedrungen für eine gesetzliche Regelung einsetzen.

Gregor Scheller, Präsident des Genossenschaftsverbands der Volks- und Raiffeisenbanken Bayern im Kontrovers-Interview
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Gregor Scheller

Volks- und Raiffeisenbanken: Keine gesetzlichen Maßnahmen nötig

"Den größten Schaden aus den Sprengungen tragen die Banken selbst. Deswegen haben wir auch ein großes Interesse daran, unsere Geldausgabeautomaten sicherer zu gestalten", betont Gregor Scheller, Präsident des Genossenschaftsverbandes Bayern. Im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers erklärt er die schwierige Situation der Banken: Abbauten der Automaten erfolgen laut Scheller nicht aufgrund von Sparmaßnahmen, sondern aufgrund der mangelnden Nachfrage nach Bargeld. "In den letzten zwei Jahren sind die Verfügungen an Geldausgabeautomaten um 30 Prozent zurückgegangen, weil jeder lieber mit der Karte zahlt. Dann kann es auch dazu kommen, dass der eine oder andere Automat abgebaut wird."

Kritisch sieht Scheller explizite Vorgaben zur Aufrüstung der Bankautomaten. "Wir sind der Meinung, dass man differenziert schauen muss, wie man Geldautomaten sicherer macht, ohne gesetzliche Vorgaben einzuführen." Vorwürfe, dass Banken durch mangelnde Sicherheitsmaßnahmen Menschenleben gefährden würden, weist er scharf zurück. "Neben dem finanziellen Schaden an den Banken haben wir natürlich auch das Risiko, dass jemand körperlich zu Schaden kommt. Das wollen wir auf keinen Fall. Deswegen werden wir alles tun, was wir tun können, um unsere Automaten sicherer zu machen."

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