Tradition im Winter: Es gibt wieder Lakefleisch im Spessart.
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Tradition im Winter: Es gibt wieder Lakefleisch im Spessart.

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Tradition im Winter: Es gibt wieder Lakefleisch im Spessart

Jetzt in der kalten Jahreszeit finden im Spessart traditionelle Lakefleisch-Essen statt. Dabei wird gepökeltes Schweinefleisch in großen Gluthaufen gegart. Die Tradition stammt aus einer Zeit, in der es noch keine Kühlschränke gab.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Samstagmorgen, sieben Uhr: Es ist noch dunkel in Rothenbuch im Spessart. Trotzdem haben sich mehrere Mitglieder des Wandervereins in aller Frühe aufgemacht, um in den Morgenstunden ein Feuer zu entzünden. Große Buchenhölzer schleppen sie dafür heran: schweres Holz, das langsam brennt. Bis Mittag soll das Feuer zu einer heißen Glut heruntergebrannt sein – denn dann kommen die ersten Gäste, um ihr Lakefleisch oder besser "Laggefläsch" in den große Aschehaufen zu garen.

Gleich drei Feuer in Rothenbuch: Erstes Beisammensein im Neuen Jahr

Das Lakefleisch-Essen ist eine Neujahrstradition im Spessart. Jedes Jahr werden um die Jahreswende große Feuer entzündet, in deren Glut die Einheimischen dann ihr Fleisch zubereiten, zusammensitzen und gemeinsam das neue Jahr einläuten. In Rothenbuch hatten am Samstag dazu gleich drei Vereine geladen: Neben den Wanderfreunden Hochspessart-Rothenbuch auch der Tischtennisverein sowie die Reservistenkameradschaft Rothenbuch. Insgesamt kamen so mehrere hundert Leute zusammen, manche besuchten gleich mehrere Feuer nacheinander. "Das ist das erste große Event im neuen Jahr", erzählt Harald Orth von den Wanderfreunden, "da trifft man sich das erste Mal wieder, hockt zusammen, tauscht sich aus. Da freut sich jeder drauf."

Waldarbeiter begründen Tradition im 19. Jahrhundert

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Lakefleisch-Tradition im Spessart von Waldarbeitern begründet – zunächst aus pragmatischen Gründen: Weil es noch keine Kühlschränke gab, wurde Schweinefleisch in Salzlake eingelegt, um es so haltbar und zugleich schmackhafter zu machen. Hinzu kam, dass die Waldarbeiter nach Kahlschlägen unbrauchbares Holz gleich an Ort und Stelle im Wald verbrannten. Die großen Feuer glühten häufig tagelang, sodass die Arbeiter diese nutzten, um ihr Mittagessen darin zuzubereiten. Das mitgebrachte Pökelfleisch wurde damals dick in nasse Zeitungen eingewickelt und sorgfältig mit Asche bedeckt, damit es nicht verkohlt. Es gibt Spessart-Brauchtumsforscher, die darin sogar den Vorläufer des heute so berühmten Pulled Pork sehen.

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Das in Alufolie gewickelte Lakefleisch wird in Körben auf die heiße Glut gelegt und luftdicht bedeckt.

Spessarter "Laggefläsch": Schweinenacken, Salz, Zwiebeln

Statt Zeitungen verwenden die Spessarter heute Aluminiumfolie, doch das Lakefleisch wird noch immer nach traditioneller Art zubereitet. Für gewöhnlich wird Schweinenacken gewählt, der mehrere Tage in einer Salzlake eingelegt wird. Vor dem Garen wird das Fleisch dann mit Zwiebeln gefüllt. Manche Rothenbucher brachten ihre Päckchen am Wochenende selbst mit, bei den Wanderfreunden konnte man dieses Jahr aber auch vorbestellen.

Der Geheimtipp von Harald Orth: Gewürzt werden nur die Zwiebeln, die dann den Geschmack an das salzige Fleisch abgeben. Die eingewickelten Päckchen legten die Wanderfreunde in große Gitterkörbe, die sie dann mit der glühenden Asche bedeckten: luftdicht, damit das Fleisch nicht verkohlt. Rund eine Stunde blieben sie in der Glut, dann konnten sich die Gäste ihre Portion abholen. Die Resonanz war einstimmig: Nichts schmeckt so gut wie echtes Laggefläsch direkt aus der Glut.

Rothenbuch: Jährliche Lakefleisch-Essen seit 1955

In Rothenbuch ist die alte Tradition der Waldarbeiter bereits 1955 in Form eines jährlichen Festes wieder aufgelebt: Die Fußballer des TSV entzündeten ihr Feuer damals noch direkt im Wald. Weil Schnee lag, packte man einfach alles auf einen Schlitten, erinnert sich Otto Hasenstab aus Rothenbuch. Der Rentner war auch damals schon dabei, als junger Fußballer. Zu Beginn waren keine Frauen anwesend, erzählt er, dafür zwei Fässer Bier, die ein oder andere Flasche Schnaps und natürlich das in Zeitungen eingewickelte Fleisch. Die Treffen gingen dann schon mal bis in die Nacht hinein. 68 Jahre später kommt Otto Hasenstab noch immer jährlich zum Lakefleisch-Essen – mittlerweile mit seiner Frau und vielen anderen Gästen. Doch das Ambiente kommt bis heute nicht zu kurz: Auch am Samstag saß man bis in die Abendstunden beisammen, schenkte Glühwein aus – und schürte abends erneut ein Feuer: diesmal etwas kleiner, in der Feuerschale.

Das Lakefleisch-Essen findet im Winter in vielen Orten im ganzen Spessart statt, zum Beispiel am 21. Januar in Rechtenbach im Landkreis Main-Spessart.

Das Lakefleisch wird in großen Gluthaufen gegart
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Das Lakefleisch wird in großen Gluthaufen gegart

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