Ein Bagger wühlt sich auf einer Baustelle in Untersiemau im Landkreis Coburg durch den gefrorenen und schneebedeckten Boden. Hier errichtet das Bauunternehmen Raab aus Ebensfeld Seniorenwohnungen. Doch an diesem Nachmittag geraten zumindest die Vorarbeiten für das Fundament ins Stocken. Der 15 Tonnen schwere Radlader könnte auf dem glatten Untergrund ins Rutschen geraten und Arbeiter verletzten, schlimmstenfalls tödlich, erklärt Polier Richard Vega. Im Winter sei es durch Schnee und Eis auf Baustellen eben besonders gefährlich und die Sicherheit stehe im Vordergrund.
18 tödliche Unfälle auf bayerischen Baustellen bis August
Tödliche Unfälle auf Baustellen sind in Deutschland keine Seltenheit. Nach den Zahlen der Gewerkschaft IG Bau kamen bis August 2022 bundesweit 56 Beschäftigte ums Leben, 18 davon in Bayern. Eine der häufigsten Unfallursachen seien Abstürze von Gerüsten, erklärt der Regionalleiter der IG Bau in Franken, Hans Beer, im Gespräch mit BR24. In Bayern hat die IG Bau etwa 40.000 Mitglieder.
Beer sieht deshalb die Politik in der Pflicht, die entsprechenden Gesetze nachzuschärfen, um die Arbeitgeber anzuhalten, noch mehr für den Arbeits-, Unfallschutz und die Sicherheit auf den Baustellen zu tun. Auch mehr Kontrollen durch die Berufsgenossenschaft Bau würden die Sicherheit der Beschäftigten erhöhen, so Beer. Ein Großteil der Baufirmen halte sich an die Vorgaben und setze auf Prävention und Schulungen, um Unfälle auf Baustellen zu vermeiden. Dennoch appelliert der IG-BAU-Regionalleiter für Franken an die Unternehmen, auch weiterhin auf diese vorbeugenden Maßnahmen zu setzen.
Bauunternehmen setzt auf gemeinsames Schutzkonzept
Die IG Bau sieht einen direkten Zusammenhang zwischen Kontrollen, Schulungen und der Anzahl der Unfälle auf Baustellen. Laut Hans Beer gab es während der Corona-Pandemie weniger Kontrollen und Schulungen, die Anzahl der tödlichen Unfälle habe in dieser Zeit in Deutschland zugenommen. 2019 habe es rund 3.000 Kontrollen gegeben, im ersten Corona-Jahr 2020 hingegen nur noch 1.200. Die tödlichen Unfälle hätten sich von 70 Fällen 2019 im Vergleich zu 2020 auf 97 im Bundesgebiet erhöht.
Wolfgang Schubert-Raab ist der Geschäftsführer der Baufirma, die im Landkreis Coburg Seniorenwohnungen errichtet. Das Unternehmen befasse sich seit mehr als zehn Jahren intensiv mit den Themen Unfallschutz und Arbeitssicherheit, berichtet Schubert-Raab bei einem Rundgang über die Baustelle. Zusammen mit der Berufsgenossenschaft, dem Betriebsarzt und der Belegschaft habe man ein Konzept erarbeitet. So habe man ein umfangreiches Schulungsprogramm umgesetzt und informiere die Angestellten schriftlich mit entsprechenden Materialien.
Unfallzahlen durch Maßnahmen halbiert
Nach rund vier Jahren habe man erste Erfolge anhand sinkender Unfallzahlen im Betrieb feststellen können, so Schubert-Raab. Die Themen Unfall- und Arbeitsschutz seien im Unternehmen eine Chef-Aufgabe, die man nicht delegieren könne und ständig vorleben müsse.
Prävention, Schulungen, ein gutes Miteinander mit dem Bauleiter und gesunder Menschenverstand hätten schließlich dazu geführt, dass man die Unfallzahlen von 40 im Jahr 2010 auf 20 in diesem Jahr habe halbieren könne, berichtete Geschäftsführer Schubert-Raab. In diese Zahlen fließen auch bereits kleinere Verletzungen wie Schnittwunden mit ein.
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