Teil-Impflicht bestätigt: Holetschek will neuen Anlauf für allgemeine Impfpflicht
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Archivbild: Impfung einer jungen Frau durch eine medizinische Fachangestellte - im Hintergrund Bayerns Gesundheitsminister Holetschek

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Teil-Impfpflicht bestätigt: Holetschek will jetzt mehr

Nach der Bestätigung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht durch das Bundesverfassungsgericht sieht Bayerns Gesundheitsminister Holetschek Rückenwind für einen neuen Anlauf für eine allgemeine Impfpflicht. Die Freien Wähler sehen das kritisch.

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) zeigt sich erfreut über den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Impfpflicht in der Pflege und Medizin. Es sei wichtig, dass Karlsruhe die Verfassungsmäßigkeit der Teil-Impfpflicht festgestellt und dadurch Klarheit geschaffen habe, sagte der CSU-Politiker in München. "Es ist richtig, den Schutz der Bevölkerung, insbesondere der besonders vulnerablen Personen, ganz nach vorne zu stellen."

Der Minister sieht in dem Beschluss eine Bestätigung für seine Forderung nach einem neuen Anlauf für die Einführung einer Impfpflicht für weitere Teile der Bevölkerung. Er rief die Bundesregierung auf, "schnell einen mehrheitsfähigen Vorschlag für die allgemeine Impfpflicht - zumindest jedoch für eine altersbezogene Impfpflicht - auf den Weg" zu bringen.

Karlsruhe hatte die Teil-Impfpflicht zuvor als zulässig eingestuft. Sie greife zwar in die grundrechtlich geschützte körperliche Unversehrtheit ein. Der Gesetzgeber verfolge aber den legitimen Zweck, vulnerable Menschen vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen.

Holetschek: Allgemeine Impfpflicht von zentraler Bedeutung

Bereits am Montag hatten Bayern, Baden-Württemberg und Hessen gemeinsam einen Neuanlauf im Bundestag für eine Impfpflicht ab 60 Jahren gefordert. Holetschek betonte nun, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätigte mit der Aussage, dass insbesondere der Schutz vulnerabler Gruppen ein legitimes Zielt sei, den bayerischen Kurs. Allen müsse klar sein: "Eine allgemeine Impfpflicht zumindest für ältere Personen ist für die Vorbereitung auf die im Herbst zu erwartende nächste Corona-Infektionswelle von zentraler Bedeutung."

SPD wirft CSU "Hü & Hott" vor

Die SPD-Gesundheitsexpertin im Landtag, Ruth Waldmann, hatte bereits am Dienstag den Kurs der CSU in Sachen Impfpflicht kritisiert: "Neues aus der Abteilung Hü & Hott", twitterte sie. Die CSU habe zunächst schnell eine Impfpflicht gewollt. Die CSU-Bundestagsabgeordneten hätten einen Vorschlag erarbeitet, seien aber zurückgepfiffen worden. Mittlerweile sei die Impflicht im Bundestag auch an der Union gescheitert. CDU-Chef Friedrich Merz habe den Vorschlag für eine Impfpflicht ab 60 als "verkorksten" Kompromiss abgelehnt - jetzt wolle die CSU eine Pflicht ab 60, erläuterte Waldmann.

FDP: "Totes Pferd namens Impfpflicht"

FDP-Fraktionschef Martin Hagen schrieb am selben Tag: "Wann steigt Klaus Holetschek (CSU) endlich ab vom toten Pferd namens Impfpflicht?" Der Bundestag habe den Vorstoß abgelehnt - und in der Altersgruppe der ab 60-Jährigen seien laut Robert-Koch-Institut "ohnehin bereits 96 Prozent immunisiert".

Laut der offiziellen RKI-Tabelle sind bundesweit 91,7 der Menschen ab 60 einmal und 90,9 Prozent zweimal geimpft. Darüber hinaus veröffentlichte das RKI aber auch eine Studie zu Corona-Impfquoten auf Grundlage telefonischer Befragungen: Demnach waren Ende Januar 95,8 Prozent der Bundesbürger ab 60 mindestens einmal geimpft.

Impfpflicht im Bundestag gescheitert

Innerhalb der Berliner Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP herrscht keine Einigkeit über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. Anfang April hatten sich Befürworter einer Impfpflicht ab 50 unter Vorbehalt sowie Anhänger einer Impfpflicht ab 18 auf einen Kompromissvorschlag verständigt: eine Pflicht für alle ab 60. Im Plenum wurde der Gesetzentwurf aber abgelehnt. Eine Gruppe weiterer Abgeordneter um FDP-Vize Wolfgang Kubicki hatte einen Antrag gegen eine Impfpflicht vorgelegt, der klar scheiterte - genauso wie der AfD-Vorstoß, der eine Abschaffung der geltenden Corona-Impfpflicht für das Personal in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen forderte.

Auch ein Antrag der Union fiel im Bundestag durch. Dieser forderte zunächst den Aufbau eines Impfregisters, um eine Datengrundlage zum Impfstatus der verschiedenen Altersgruppen zu haben. Bei einer verschärften Pandemielage hätten Bundestag und Bundesrat zudem einen "gestuften Impfmechanismus" in Kraft setzen können.

AfD strikt gegen Impfpflicht

Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Andreas Winhart, bedauerte die Karlsruher Entscheidung. "Da auch Geimpfte das Virus übertragen können, halten wir die Argumentation des Gerichts für nicht stichhaltig", teilte er dem BR mit. Winhart beklagte, Gesundheitsminister Holetschek trete als Impf-Hardliner auf. "Die AfD ist gegen jeden Impfzwang – sowohl gegen eine allgemeine Impfpflicht als auch gegen eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen."

Freie-Wähler-Kritik an Impfpflicht

Auch der Koalitionspartner der CSU, die Freien Wähler (FW), sieht sowohl die Teil-Impfpflicht als auch eine Ausweitung auf weitere Bevölkerungsgruppen kritisch. "Bloß weil etwas verfassungsrechtlich möglich ist, muss es noch lang nicht sinnvoll sein", sagte FW-Generalsekretärin Susann Enders auf BR24-Anfrage. Sie nehme die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts "mit großem Bedauern" zur Kenntnis.

Die einrichtungsbezogene Impflicht habe für massiven Unmut im Pflegebereich sowie für eine Verschärfung des Pflegenotstands gesorgt, beklagte die FW-Gesundheitspolitikerin. Für sie stelle sich die Frage, "ob wir bei der aktuellen milden Infektionslage unter Omikron eine einrichtungsbezogene Impflicht durchsetzen müssen, nur weil sie juristisch möglich wäre, obwohl sie nämlich den bedrohlichen Pflegnotstand noch weiter verschärfen wird".

Anfang der Woche hatte Enders bereits den Bund zu einer Kurskorrektur aufgefordert: "Nachdem die allgemeine Impfpflicht aktuell medizinisch weder notwendig noch verhältnismäßig und damit auch verfassungsrechtlich nicht durchsetzbar ist, muss der Bund auch die Verpflichtung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht sofort aufheben."

Holetschek verspricht weiter "Augenmaß" bei Teil-Impfpflicht

Gesundheitsminister Holetschek versicherte einmal mehr, Bayern werde unabhängig von der Karlsruher Entscheidung bei der Umsetzung der Teil-Impfpflicht weiter "mit Augenmaß" vorgehen. Denn die "Versorgungsfähigkeit" dürfe nicht gefährdet werden. Das Wohl der vulnerablen Gruppen stehe klar im Vordergrund.

Das "Coburger Tagblatt" hatte vor wenigen Tagen berichtet, dass Verstöße gegen die Corona-Impfpflicht in der Pflege in Bayern nur mit einem Bruchteil des möglichen Bußgeldes von 2.500 Euro geahndet werden sollen. Der rein theoretische Bußgeldrahmen werde in Bayern nicht vollständig ausgeschöpft, "im Regelfall wird ein Bußgeld maximal 300 Euro betragen", sagte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums dem Blatt. Dabei sollten auch eine etwaige Teilnahme an der empfohlenen Impfberatung, die finanzielle Situation beziehungsweise das Einkommen der Betroffenen, die regionale und einrichtungsbezogene Versorgungssituation sowie eine mögliche Gefährdung der Versorgungssicherheit durch eine Kündigung mit einbezogen werden.

Bundesgesundheitsminister Lauterbach
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Bundesgesundheitsminister Lauterbach

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