Menschen, die an der Lebensmittelabgabestelle der Tafel warten (Archivbild)
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Menschen, die an der Lebensmittelabgabestelle der Tafel warten (Archivbild)

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Tafeln im Allgäu unter Druck: Mehr Menschen, weniger Waren

Die Lage der Allgäuer Tafeln wird immer dramatischer. Es wird weniger gespendet, gleichzeitig steigt die Zahl der Hilfsbedürftigen, die sich Nahrungsmittel abholen möchten. Die Warteschlangen sind lang, und viele Menschen müssen abgewiesen werden.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Die Lebensmittelspenden gehen zurück, die Not im Allgäu aber wächst. Das ist die Bilanz der Tafel Kaufbeuren für das zurückliegende Jahr, die gestern zur Hauptversammlung den Trägern – Kirchengemeinden und der Stadt – vorgelegt wurde.

Umliegende Tafeln nehmen keine Neukunden mehr

Die Vorsitzende der Tafel, Getrud Sauter, erklärte im Gespräch mit dem BR-Studio Kempten, die Lage sei fast jeden Tag schwierig. Der Andrang sei so hoch, dass man auch Menschen abweisen müsse – zumal in den umliegenden Tafeln Buchloe, Bad Wörishofen und Marktoberdorf keine neuen Kunden mehr angenommen würden.

Supermärkte geben Lebensmittel selbst günstiger ab

Als Grund nennt Gertrud Sauter aus Kaufbeuren die sinkenden Spenden aus den Supermärkten. Das wiederum habe damit zu tun, dass die Händler deutlich knapper kalkulierten und nicht mehr so viel Ware wie noch vor einiger Zeit kurz vor dem Ablaufdatum im Regal stehen hätten. Außerdem würden diese Produkte vor Ort im Supermarkt zu günstigeren Preisen angeboten, bevor sie letztlich doch an die Tafeln gingen.

Warteschlangen schon früh am Morgen

Wer bei seiner Tafel vor Ort abgewiesen werde, der komme oft nach Kaufbeuren. Das sei nicht mehr zu stemmen. Viele Menschen würden sich bereits morgens vor dem "Gratislädle" der Tafel einfinden, um auch sicher Lebensmittel zu erhalten. Um insbesondere den Älteren unter der Kundschaft Waren austeilen zu können, würden sie nun vor allen anderen eingelassen, so Sauter.

Extra-Tag für ukrainische Flüchtlinge

180 Haushalte versorgen sie derzeit in Kaufbeuren, darunter viele Familien aus der Ukraine. Auf Nachfrage in Kempten heißt es, monatlich würde die Zahl der Kundschaft um etwa zehn Prozent steigen. Um die Nachfrage zu verteilen, sei man dazu übergegangen, die ukrainischen Geflüchteten an einem Extra-Tag direkt vom Tafel-Lager aus zu versorgen.

Bisher sparsame Menschen schaffen es einfach nicht mehr

Markus Wille, der beim Bayerischen Roten Kreuz für die Tafel zuständig ist, schreibt: "Wie überall kommen jetzt zu uns die Menschen, weil das Geld hinten und vorne nicht mehr reicht und jeder Angst vor hohen Nachzahlungen hat." Viele Sozialhilfeempfänger hätten es bislang mit Sparsamkeit irgendwie geschafft. Aber jetzt helfe nur noch der Gang zur Tafel.

Fahrt für kostenfreie Nahrungsmittel bis nach Österreich

Um Waren abzuholen würden die Helferinnen und Helfer mitunter lange Wege auf sich nehmen und bis ins Montafon (Vorarlberg), nach Nürnberg oder Ingolstadt fahren. Die Zahl der gespendeten Waren sei generell rückläufig, berichtet Gertrud Sauter aus Kaufbeuren. Mittlerweile sei man dazu übergegangen, die Geldspenden für Einkäufe zu verwenden, um den Menschen wenigstens Linsen oder Mehl in die Tasche zu packen.

Aufnahme-Stopp für Alleinstehende in Memmingen

Ein ähnliches Bild bietet sich in Memmingen. Auch dort beobachte man, dass die Zahl der Hilfesuchenden steigt, gleichzeitig die Warenspenden aber abnehmen. Dieser Prozess habe die Verantwortlichen der Tafel veranlasst, bis zum Jahresende einen Aufnahme-Stopp für alleinstehende Personen zu verhängen. Es würden momentan nur noch Familien aufgenommen. Ob die Regelung im nächsten Jahr beibehalten wird, werde sich in den nächsten Wochen entscheiden.

Lindauer Tafeln nehmen seit Mai keine Neu-Kunden mehr auf

Seitens der Lindauer Tafeln werden die Eindrücke aus den anderen Städten geteilt. Auch in Lindau sei die Nachfrage im Frühjahr so enorm angestiegen, dass man bereits im Mai einen Aufnahme-Stopp verhängen musste. Auch seien die Tafeln nicht mehr wie früher täglich geöffnet, sondern in Lindau nur noch zweimal, in Lindenberg einmal pro Woche. Durch die Lebensmittelhersteller im Landkreis würden die Tafeln noch gut unterstützt, um aber mögliche Überschüsse oder Mängel bei den Waren zu vermeiden, sei man im engen Austausch mit den umliegenden Tafeln, vor allem nach Vorarlberg.

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