Die mutmaßliche Rechtsterroristin Susanne G. (gepixelt) auf einer Kundgebung der Neonazi-Partei "Der Dritte Weg"
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Susanne G. war mit dem Vorsitzenden der Neonazi-Partei "Der Dritte Weg" befreundet. Das zeigte die heutige Verhandlung am OLG München.

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Susanne G.: Der Vorsitzende einer Neonazi-Partei war ein Freund

Sie soll Politiker und Muslime mit dem Tod bedroht und Anschläge vorbereitet haben: Deshalb steht eine mutmaßliche Rechtsterroristin aus Franken vor dem Oberlandesgericht München. Zu ihren Freunden gehörte der Bundesvorsitzende einer Neonazi-Partei.

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Wie eng vernetzt war Susanne G. mit der extrem rechten Szene? War sie wirklich nur eine Einzeltäterin, wie es die Anklage der Bundesanwaltschaft nahelegt? Diese Fragen beschäftigen vor allem die Nebenkläger im Staatsschutzverfahren vor dem Oberlandesgericht München: Der erste Bürgermeister der mittelfränkischen Gemeinde Schnaittach, Frank Pitterlein (CSU), und der Landrat des Landkreises Nürnberger Land, Armin Kroder (FW). Beide wurden von der 55-jährigen Heilpraktikerin aus dem Nürnberger Land mit dem Tode bedroht. Und beide fürchten, wie ihre Anwälte schon zu Beginn der Hauptverhandlung klarstellten, dass die Gefahr eines Angriffs aus der Neonaziszene weiterhin besteht.

Gemeinsames Schießtraining in Tschechien

Bereits die gestrige Verhandlung hatte gezeigt, wie gut vernetzt und aktiv die Angeklagte Susanne G. in der extrem rechten Szene ist. Heute wurde deutlich, wie eng das Verhältnis der Angeklagten zu Klaus Armstroff ist, dem Bundesvorsitzenden der Neonazi-Partei "Der Dritte Weg". Nach einer Hausdurchsuchung bei der 55-Jährigen im März 2020 schrieb Armstroff einen Brief an die „liebe Susanne“ und bat sie, die Partei aus taktischen Gründen zu verlassen. Allerdings hielten die beiden weiterhin Kontakt, reisten im August 2020 sogar gemeinsam zu einem Schießtraining nach Tschechien und übernachteten zusammen im Doppelzimmer. Kurz darauf tauchte die Angeklagte unter. Als die Polizei Susanne G. am 7. September 2020 in einem Fürther Hotel verhaftete, fanden die Ermittler in ihrem Fahrzeug eine schusssichere Weste, Waffen, Zündschnüre, Chemikalien und weiteres Material zum Bombenbauen.

Susanne G.: Eine, die sich durchsetzen kann

Dass er ein intimes Verhältnis zu der Angeklagten gehabt habe, stritt Armstroff heute vor Gericht ab. Er habe nur aus finanziellen Gründen mit Susanne G. in einem Zimmer übernachtet. Der Parteivorsitzende erklärte zudem, dass er der 55-Jährigen Bedrohungen oder gar Gewalttaten keinesfalls zutraue. Außerdem sei sie keine Funktionärin des "Dritten Wegs" gewesen.

Allerdings ist "Der Dritte Weg" eine Kaderpartei, bei der man nicht einfach eintreten kann, sondern sich eine Vollmitgliedschaft erst "verdienen" muss. Susanne G. war Vollmitglied und, wie Fotos belegen, regelmäßig Ordnerin bei Aufmärschen der Neonazi-Organisation. Was sie denn dazu qualifiziert habe, wollte der Vorsitzende Richter Michael Höhne vom Zeugen wissen. "Man muss sich durchsetzen können, dass Ordnung herrscht", so Armstroff. "Das kann nicht jeder."

Neonazi-Partei "Der Dritte Weg": Gewaltbereite Neonazis und Rechtsterroristen

"Der Dritte Weg" ist ein Sammelbecken gewaltbereiter Neonazis. Zum Führungspersonal gehört etwa ein verurteilter Rechtsterrorist, der einen Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum in München plante, und der frühere fränkische Neonazi-Kader Matthias Fischer, dessen Name auf Kontaktlisten der Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) auftauchte, die allein in Nürnberg drei Menschen ermordeten.

Ralf Wohlleben besuchte Susanne G. in der Untersuchungshaft

Auch Susanne G. hat enge Kontakte zum NSU-Umfeld: Den NSU-Unterstützer André E. besuchte sie im Gefängnis, der Waffenbeschaffer des NSU, Ralf Wohlleben, hat seinerseits eine Erlaubnis erwirkt, Susanne G. in Untersuchungshaft zu besuchen. Vertreten wird die 55-Jährige zudem von Wohllebens Verteidigern – zwei bekannten Szene-Anwälten, die den heutigen Verhandlungstag dafür nutzten, extrem rechte Propaganda im Gerichtssaal zu verbreiten. Ausführlich verlasen sie Auszüge aus einschlägigen Büchern, die bei der Angeklagten beschlagnahmt wurden – darunter eine Broschüre mit Anleitungen zum Bau von Autobomben. Es sei ihrer Mandantin jedoch keinesfalls darum gegangen, selbst Bomben zu bauen, so die Verteidiger, sondern nur darum, sich vor Anschlägen zu schützen.

Susanne G.'s "Hitlerzeug" auf dem Dachboden des Sohnes

Neben rechtsextremen Büchern wie Hitlers "Mein Kampf" oder dem antisemitischen Machwerk "Der Jude – Der Weltparasit" hortete die Angeklagte bei sich offenbar auch zahlreiche NS-Devotionalien und staffierte damit ihr Schlafzimmer aus. Aus Angst vor den Behörden versteckte sie die Nazi-Utensilien schließlich auf dem Dachboden ihres Sohnes und dessen Lebensgefährtin. Diese will davon aber nur zufällig erfahren haben, wie sie heute vor Gericht aussagte. Beim Stöbern auf dem Speicher habe sie zwei unbekannte Kisten entdeckt. Ihr Freund habe ihr auf Nachfrage erklärt, das sei das "Hitlerzeug" seiner Mutter.

"Deutscher Gruß" und Beschimpfungen für Polizist

Am heutigen Prozesstag wurde außerdem deutlich, dass Susanne G. den Behörden spätestens 2014 als Rechtsextremistin aufgefallen sein muss. Damals war sie noch Mitglied des Rockerclubs MC Gremium Nürnberg. Im Zuge von Ermittlungen wegen Drogen- und Waffendelikten wurde sie aufgefordert, schriftlich Stellung zu nehmen. Daraufhin schickte sie dem zuständigen Polizeibeamten eine wüste Beschimpfung und unterzeichnete "mit deutschem Gruß" und SS-Runen. Er habe sich dadurch durchaus bedroht gefühlt, sagte der betroffene Polizist heute vor dem Oberlandesgericht in München. Belangt wurde Susanne G. dafür jedoch nicht.

Im Gerichtssaal
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