Wenn von Problemen bei der Stromversorgung die Rede ist, fällt inzwischen sehr häufig der Ausdruck "Blackout". Expertinnen und Experten warnen jedoch davor, das Wort inflationär zu benutzen. "Nicht jeder Stromausfall ist ein Blackout", betont etwa Christoph Maurer vom Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme an der Universität Erlangen-Nürnberg. Ein wirklicher Blackout sei schon ein "absolutes Krisenszenario", nämlich ein großflächiger, ungeplanter und sehr viele Verbraucher betreffender Stromausfall, der dann auch sehr schwierig zu beheben ist. Die Folgen können katastrophal sein.
Ein katastrophaler Stromausfall ist sehr selten
Ein solcher Blackout ist ein sehr seltenes Ereignis, so etwas hat es in Deutschland und Bayern seit Jahrzehnten nicht gegeben, betont auch der Verband der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW). Selbst im November 2006, als nach der Abschaltung einer Stromleitung wegen der Durchfahrt eines Kreuzfahrtschiffs europaweit der Strom ausfiel, mit Millionen betroffener Haushalte zwischen Portugal und Deutschland, war die Versorgung überall nach weniger als einer Stunde wiederhergestellt. Damals waren auch nur Teile Bayerns, vor allem in Franken betroffen.
Kein Anzeichen für Blackout in diesem Winter
Ein echter Blackout mit katastrophalen Ausmaßen ist auch in diesem Winter nicht zu erwarten, hier ist sich ein Großteil der Experten einig. Ingenieur Maurer sieht "keine Anzeichen dafür". Die Bundesnetzagentur hält auf BR-Anfrage ein solches Szenario für "sehr unwahrscheinlich". Und auch Ökonomin Karen Pittel, Energiefachfrau beim Münchner ifo-Institut, bestätigt das.
Bundesnetzagentur rüstet sich für Krisenmanagement
Sie fügt jedoch hinzu: Kürzere, regionale Stromausfälle seien in der derzeitigen Situation durchaus zu befürchten. Das sieht auch die Bundesnetzagentur so: "Auch stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem sind nach Einschätzung der Bundesnetzagentur im Winter 22/23 sehr unwahrscheinlich, diese können aber nie vollständig ausgeschlossen werden." Um für diesen Fall vorzusorgen, will die Behörde jetzt ein zweites Krisenzentrum einrichten, um für den "unwahrscheinlichen Fall" gerüstet zu sein, dass die Netzagentur gleichzeitig eine Gasmangellage und eine größere Stromversorgungskrise managen muss.
Stresstest zeigt Risiko für angespannte Lage
Grundlage dieser Einschätzungen ist der so genannte "Stresstest" der großen Strom-Übertragungsnetzbetreiber für den nächsten Winter. Für den Großteil Bayerns ist dabei das Unternehmen Tennet mit Zentrale in Bayreuth zuständig. Eine Tennet-Sprecherin bestätigt auf BR-Anfrage, dass es im Winter in einzelnen Stunden "zu einer äußerst angespannten Lage im Stromnetz kommen kann". In "einzelnen, besonders kritischen Szenarien" könne es "in einzelnen Stunden auch zu einer Lastunterdeckung in Deutschland kommen".
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Gegenmaßnahmen der Netzbetreiber
Um das zu verhindern, schlagen die Übertragungsnetzbetreiber eine Reihe von Maßnahmen vor. Neben dem viel diskutierten Weiterbetrieb von Kernkraftwerken ist das die Aktivierung aller konventionellen Reservekraftwerke in Deutschland, der Versuch, weitere Kraftwerke im Ausland unter Vertrag zu nehmen, und der so genannte "witterungsabhängige Freileitungsbetrieb". Das bedeutet, bei kaltem Wetter mehr Strom durch Hochspannungsleitungen zu schicken als normalerweise erlaubt, weil sie durch die Umgebung gekühlt werden.
Der Strom könnte kontrolliert unterbrochen werden
Wenn all dies nicht ausreicht, müssen die Netzbetreiber jedoch als letztes Mittel zu "kontrollierten Lastabschaltungen" greifen. Das bedeutet: Verbraucher werden mit Vorankündigung geplant vom Netz genommen, möglicherweise für einige Stunden. Für diesen Fall empfiehlt eine Tennet-Sprecherin schon jetzt: "Wenn wir vor Abschaltungen warnen, sollte man sich entsprechend vorbereiten, aber die Ruhe bewahren. Der Strom kommt zeitnah wieder!" Ob solche Notabschaltungen tatsächlich bei Haushalten geplant werden oder eher bei Großverbrauchern wie Industriebetrieben, muss die Bundesnetzagentur entscheiden.
In solchen Fällen gibt es bei der Sicherheit der Stromversorgung keinen Unterschied zwischen Stadt und Land, sagt Detlef Fischer vom Verband der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) auf BR-Anfrage. Nur falls das Stromnetz tatsächlich zusammengebrochen wäre, gäbe es beim so genannten "Schwarzstart" einen Vorteil in der Nähe existierender Kraftwerke.
Stromsparen kann das Netz stützen
Fischer kann sich auch vorstellen, dass an Tagen mit kritischer Lage im Stromnetz die Bevölkerung öffentlich dazu aufgerufen wird, in gewissen Stunden Strom zu sparen. Solche konkreten Appelle gab es in anderen Ländern bereits. In Japan etwa hatte das Wirtschaftsministerium im Sommer die Nutzer aufgefordert, den Stromverbrauch zwischen 15 und 18 Uhr einzuschränken, um eine mögliche Stromkrise zu vermeiden. In Ländern wie den USA sind Stromausfälle ohnehin ein relativ häufiges Ereignis.
Bisher ist Bayerns Stromversorgung besonders sicher
In Bayern dagegen ist die Stromversorgung bisher auch im deutschlandweiten Vergleich besonders zuverlässig. Und sie ist in den vergangenen Jahren trotz des immer höheren Anteils von schwankender Erzeugung aus Wind- und Sonnenenergie sogar noch zuverlässiger geworden. Im Jahr 2020 fiel in Bayern durchschnittlich 8,64 Minuten lang der Strom aus. Das ist der niedrigste Wert seit 2008.
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