59 Euro. So viel bekamen am Anfang der Corona-Pandemie die medizinischen Labore für die Auswertung eines PCR-Tests. Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" legen nahe, dass der anfängliche Preis weit überhöht war. Von einem Milliardenschaden zu Lasten des Steuerzahlers und der gesetzlichen Krankenversicherung war im Tagesschau-Podcast "11KM" die Rede. Dessen ungeachtet müssen privat Krankenversicherte bei einem PCR-Test in der Hausarztpraxis allein für die Laborleistung 150 Euro zahlen. Für die gesetzlichen Kassen kostet das inzwischen nur mehr rund 30 Euro.
Laborärzte müssen vorgeschriebenen Preis abrechnen
154 Euro und 74 Cent für die Auswertung eines Coronatests, der in einer Hausarztpraxis durchgeführt wurde. Entsprechende Rechnungen von medizinischen Laboren an Privatpatienten liegen BR24 vor. Ziehen die Labormediziner die etwa 8,7 Millionen Mitglieder der privaten Krankenversicherung in Deutschland in unverantwortlicher Weise über den Tisch? Nein, sagen alle Fachleute.
Die Laborärzte mussten und müssen nach wie vor diesen völlig überhöhten Preis für die Auswertung eines PCR-Tests verlangen. Das schreibt ihnen die Gebührenordnung für Ärzte, kurz GOÄ, so vor. Das Problem: Die GOÄ ist total veraltet, da sie aus den 90iger Jahren stammt.
Überhöhte Preise wegen veralteter Gebührenordnung
Damals seien die Laborleistungen sehr aufwändig gewesen, sagt Stefan Reker vom Verband der Privaten Krankenversicherung: "Da wurde jedes einzelne Reagenzglas in die Hand genommen, pipettiert – und das mehrmals. Darauf zielen die Kosten ab. Seitdem sind natürlich beträchtliche Rationalisierungsgewinne eingetreten. Alles ist viel technisierter, einfacher und preiswerter geworden. Insofern brauchen wir auch dringend eine Überarbeitung dieser Gebührenordnung."
Holetschek fordert erneut Reform
Ähnlich sieht es auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek. Der CSU-Politiker bezeichnet 150 Euro für einen PCR-Test "ein Unding" und sieht bei der GOÄ dringenden Reformbedarf. "Die letzte Novelle war 1996 und deswegen ist es hohe Zeit, dass der Bund jetzt diese Veränderungen vornimmt, weil zum einen ist dieser Tatbestand unverhältnismäßig, auf der anderen Seite sind in der Gebührenordnung manche Dinge gar nicht mehr abgebildet, die die Ärzte leisten. Also ist es in beide Richtungen notwendig, diese Verordnung zu ändern."
PKV-Verband übt Kritik an Lauterbach
Bundesgesundheitsminister Lauterbach selbst äußert sich auf BR24-Anfrage nicht. Ein Sprecher seines Ministeriums bestätigt aber, dass die Gebührenordnung das medizinische Leistungsgeschehen nicht mehr hinreichend abbilde. Er schreibt von einer "tendenziellen Schieflage zugunsten technischer Leistungen (wie zum Beispiel auch Laborleistungen)".
Wenn sich Bundesärztekammer und private Versicherungen, die seit Jahren über eine neue GOÄ verhandeln, geeinigt haben, will Lauterbach entscheiden, ob auf dieser Grundlage eine Reform der GOÄ erfolgen könne. Stefan Reker vom PKV-Verband wirft dem SPD-Politiker aber vor, daran gar kein Interesse zu haben.
"Defacto steht es nicht im Koalitionsvertrag, es steht nicht in seiner Vorhabenliste für die Gesetzgebung, und alle Gesundheitspolitiker in Berlin wissen, Herr Lauterbach hat null Interesse an einer Reform der Gebührenordnung, weil er eben ideologisch das Projekt einer Einheitsversicherung verfolgt und deshalb nichts tun möchte, was der Privaten Krankenversicherung und ihren Versicherten nutzt und Vorteile bringt."
FDP-Experte verteidigt Gesundheitsministerium
Andrew Ullmann, Gesundheitsexperte der FDP-Bundestagsfraktion verteidigt auf BR24-Anfrage das Bundesgesundheitsministerium. "Dieses Problem der Politik in die Schuhe zu schieben wäre falsch."
Dass die GOÄ "nicht auf dem neusten Stand" sei, liege offensichtlich daran, dass sich Ärzteschaft und Private Krankenversicherung bislang nicht geeinigt hätten. Ullmann schlägt vor, einen "Schlichter oder Mediator einzusetzen, bevor das Bundgesundheitsministerium bestimmt".
Das kann dauern. Und so müssen Privatpatienten auch künftig für einen PCR-Test beim Hausarzt allein für die Auswertung im Labor 150 Euro bezahlen. Und damit fünf Mal so viel wie Gesetzliche Krankenversicherte, obwohl die von den Labormedizinern erbrachte Leistung zu 100 Prozent identisch ist.
150 Euro pro PCR-Test allein für die Auswertung müssen Privatversicherte beim Hausarzt zahlen. Das haben BR24-Recherchen ergeben.
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