Der Regionalzug von Garmisch-Partenkirchen nach München war am 3. Juni entgleist.
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Der Regionalzug von Garmisch-Partenkirchen nach München war am 3. Juni entgleist.

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Stillstand nach Garmisch-Unglück: Experten bemängeln Verzögerung

Knapp zwei Monate nach dem Zugunglück von Garmisch-Partenkirchen ist weiter unklar, wann auf der Strecke wieder Züge rollen. Experten kritisieren die Verzögerungen. Die Bahn habe zu viele Baustellen.

Nach dem Unglück in Burgrain im Landkreis Garmisch-Partenkirchen rollen auf der Strecke noch immer keine Züge. Wann der Betrieb wieder starten kann, ist offen. Die Bahn machte dazu bisher keine Angaben. "Wenn diese Baustelle Priorität hätte, wäre das binnen weniger Wochen fertig", sagte der Professor für das Fachgebiet Schienenfahrzeuge an der TU Berlin, Markus Hecht, der Deutschen Presse-Agentur.

Experte kritisiert: "Zu viele Baustellen"

Selbst nach dem Unglück von Eschede sei nach kurzer Zeit wieder gefahren worden, sagte Hecht. Die Bahn müsse in dem Garmischer Fall allerdings rund 700 Meter Schienen sowie 500 Schwellen erneuern. Die Erneuerung der Schwellen sei aufwendig, räumte Hecht ein. "Es ist wie ein Gleisneubau und benötigt einige Tage."

Die Bahn habe zu viele Baustellen – und zu viele Langsamfahrstellen. Das koste Zeit und damit Geld und beeinträchtige den Bahnverkehr gerade bei der hohen Nachfrage wegen des Neun-Euro-Tickets und der Urlaubszeit. "Es ist ein Riesenschwachpunkt, dass man überhaupt Langsamfahrstellen braucht und damit die Kapazität reduziert – und damit zur Überfüllung der Züge beiträgt."

Kritik an Informationspolitik der Bahn

Das Bahnunglück in Garmisch-Partenkirchen war eines der schwersten in der Geschichte Deutschlands: Fünf Menschen starben, als ein Zug entgleiste. Politiker und der Bahn-Chef reisten an, versprachen Aufklärung. Doch vieles - auch die genaue Ursache - ist weiter unklar. Auch zur Schadenshöhe äußerte sich die Deutsche Bahn bisher nicht. Es gebe keine Informationen über bereits Mitgeteiltes hinaus, erläuterte die Bahn mehrfach auf Anfrage.

Thomas Strang, Experte für Kommunikation und Navigation am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), kritisierte die Informationspolitik der Bahn. "Die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse, informiert zu werden, auch über Zwischenstände." Strang und Hecht verwiesen auf eine EU-Regel, nach der binnen eines Jahres der Abschlussbericht der Bundeseisenbahnuntersuchungsstelle zu einem Unfallhergang vorliegen muss.

Schwachstellen frühzeitig erkennen?

Der Sanierungsstau aus Jahrzehnten lasse sich nicht kurzfristig beheben, sagte Strang. Er sprach sich deshalb für Messtechnik an normalen Zügen aus. Mit preiswerten Sensoren könnten bei regulären Fahrten permanent mögliche Schwachstellen frühzeitig erkannt werden. Hecht brachte Sensoren ins Spiel, wenn es nach einer Wiederaufnahme des Zugverkehrs noch Unklarheit über den Unfallhergang von Gleisseite gebe und man sichergehen wolle. Sensoren könnten Veränderungen am Gleis frühzeitig anzeigen und so Unfälle verhindern helfen. "Man kann mit der Unsicherheit leben, wenn man das messtechnisch überwacht." Dass der Zug am 3. Juni entgleiste, habe sich länger angebahnt.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt nach dem Unglück gegen vier Mitarbeiter der Deutschen Bahn wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Dabei sind zwei Fahrdienstleiter im Visier der Ermittler. Bei dem Unglück starben vier Frauen und ein Teenager. 16 Menschen wurden schwer verletzt.

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