Der Erfahrungsraum "Sinne" am Förderzentrum Sehen in Aschaffenburg. Die Benefizaktion "Sternstunden" hat den Raum mit 45.000 Euro gefördert.
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Der Erfahrungsraum "Sinne" am Förderzentrum Sehen in Aschaffenburg. Die Benefizaktion "Sternstunden" hat den Raum mit 45.000 Euro gefördert.

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Sternstunden: Erfahrungsraum Sinne – Eintauchen in andere Welten

Im Förderzentrum Sehen des Blindeninstituts Aschaffenburg haben schwerstbehinderte Kinder und Jugendliche einen neuen Lieblingsraum: den Erfahrungsraum Sinne. Dieser wurde mit Spenden der Aktion Sternstunden in Höhe von 45.000 Euro geschaffen.

Die siebenjährige Hannah sieht kaum etwas. Das Mädchen hat eine hochgradige Sehbehinderung. Dazu kommen Schwerhörigkeit und eine umfassende Entwicklungsstörung. Gerade kuschelt sich Hannah auf dem Wasserbett an die grün blubbernde Glassäule. Neugierig beobachtet sie die wabernden Wasserblasen und die wechselnde Beleuchtung. Dieses spannende Element regt visuell an und lädt zur Interaktion ein. Immer wieder streckt Hannah die Arme nach oben, dreht sich von einer auf die andere Seite – dadurch bewegt sie ihren Körper spielerisch. Dann wiederum liegt sie einfach nur da und entspannt sich.

Ungeahnte Fortschritte dank interaktiver Raumelemente

Für Kinder wie Hannah hat die Benefizaktion Sternstunden im Förderzentrum Sehen des Blindeninstituts Aschaffenburg einen neuen Lieblingsraum geschaffen: den Erfahrungsraum Sinne. Durch interaktive Raumelemente machen schwerstbehinderte Kinder und Jugendliche ungeahnte Fortschritte. Eine gute Mischung aus Entspannung und Aktivierung – dank der Spenden von Sternstunden in Höhe von 45.000 Euro. Die Kinder und Jugendlichen können sich in dem multisensorischen Raum ein bis zwei Mal pro Woche für eine knappe Stunde ausklinken, in andere Welten eintauchen und sich entwickeln.

Zum Artikel: Sternstunden hilft dem Blindeninstitut Aschaffenburg

Blindeninstitut sagt "Danke" an Sternstunden

Betritt ein Sehender den Erfahrungsraum Sinne, dann entsteht schnell eine Reizüberflutung, weil der multisensorische Raum im Blindeninstitut Aschaffenburg so viel zu bieten hat: Hier blinkt es, da blubbert es, dort vibriert es. Für die seh- und mehrfachbehinderten Kinder und Jugendlichen jedoch ist genau das Gegenteil der Fall. Ihr Alltag ist durch die verschiedensten körperlichen und geistigen Einschränkungen sehr herausfordernd.

Menschen, die mit komplexen Behinderungen klarkommen müssen, empfinden die Welt häufig als Chaos. Situationen sind immer wieder undurchschaubar und die vielen Sinnesreize können nur unter Anstrengung gefiltert und verarbeitet werden. Deshalb sollte es am neuen Förderzentrum Sehen einen Raum geben, in dem blinde, seh- und mehrfachbehinderte Kinder und Jugendliche zur Ruhe kommen können. Sternstunden hat diese Bedürfnisse erkannt und den sogenannten Erfahrungsraum Sinne mit Spenden in Höhe von 45.000 Euro unterstützt.

Motivation durch neuen Erfahrungsraum

Davon profitiert auch die siebenjährige Hannah. "Hannah ist oft gut gelaunt, aber phasenweise auch schwer zufriedenzustellen", sagt die Leiterin des Blindeninstituts Aschaffenburg, Andrea Karl. Durch den von "Sternstunden" geförderten neuen Raum, habe Hannah in kurzer Zeit große Fortschritte gemacht: Anfangs sei Hannah nur ganz schlecht gelaufen, mittlerweile gehe sie an der Hand und wage erste Schritte alleine. "Diese Selbstaktivierung zu sehen macht große Freude," erzählt Andrea Karl begeistert und fährt fort: "Solche Erfolgserlebnisse motivieren nicht nur die Kinder und Jugendlichen, sondern auch unsere Therapeuten – da macht arbeiten Spaß!"

Während Hannah zufrieden die Wassersäule beobachtet, kann sich die Physiotherapeutin Sigrid Grund nebenan um Jaylen kümmern. Der Vierjährige ist hochgradig sehbehindert und hat zu wenig Muskelkraft, um sein eigenes Gewicht auf den Füßen zu übernehmen. Jaylen kann nicht laufen und wird getragen. Fasziniert beobachtet er eine Lichterkette, greift danach und parallel kann ihn die Physiotherapeutin mobilisieren. "Seine Streckspannung lässt so schön nach, dass ich ihn bewegen kann, gleichzeitig ist er beschäftigt mit dem Licht", erklärt Sigrid Grund. "Also eine gute Mischung aus Entspannung und Bewegung", sagt sie.

"Erfahrungsraum Sinne" im Aschaffenburger Blindeninstitut
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"Erfahrungsraum Sinne"

Von Aktivierung bis Entspannung – ungeahnte Möglichkeiten

Interaktive Raumelemente, wie Wassersäule und Lichtfaservorhänge schärfen Sinne und Reizwahrnehmung. Die individuelle Ansteuerung der verschiedenen Elemente ermöglicht es, ganz unterschiedliche Welten zu erschaffen und den Raum für alle Altersklassen und Entwicklungsstufen passend zu gestalten.

Sinnesraum – Maximum noch gar nicht herausgeholt

"Auch wir haben noch nicht alles ausprobiert", sagt Leiterin Andrea Karl schmunzelnd. Dank moderner Technik seien die Möglichkeiten im Erfahrungsraum Sinne riesengroß. Hier können therapeutische und didaktische Ansätze umgesetzt werden. Andrea Karl nimmt das Tablet in die Hand und erklärt, dass hier sogar Unterricht gemacht werden könne. Von Rechenaufgaben bis hin zu Vorlesegeschichten, sei hier vieles möglich. Auch Fußball spielen, Äpfel einsammeln oder Fotos von Haustieren der Kinder und Jugendlichen einzublenden, sei mit ein paar Klicks machbar.

Wahrnehmung über möglichst viele Kanäle

Neben Bild- und Videoprojektionen ist das Bällebad sehr beliebt. Ein Druck auf die Tasten am Rand und schon ändert sich die Farbe. "Das Grundprinzip ist hier, dass die Kinder etwas selbst auslösen können", erklärt Karl. Und das zeigt gerade der siebenjährige Elias beispielhaft: Er kann nicht sprechen und gibt nur Laute von sich – aber seine Augen leuchten. Die Physiotherapeutin gibt ihm ein Board mit sechs verschiedenen Farben in die Hand. Elias klickt auf eine Farbe, die warme weibliche Computerstimme ertönt und sagt "rot", gleichzeitig ändert der Raum seine Farbe. Elias ist begeistert, dass er die Lichter steuern kann – und das geht auch mit dem Fuß. Elias kringelt sich vor Lachen und taucht den Raum mit einem Klick in grün.

Anschließend entspannt er auf dem Sitzsack, der vibriert. Er könne aber auch Musik übertragen, erklärt Andrea Karl. Damit sei eine Tonwahrnehmung auf basaler Ebene möglich. "Die basale Stimulation, also das Ansprechen der Körperwahrnehmung, ist ganz wichtig", erläutert sie. Schwerstbehinderte Kinder und Jugendliche dürfen durch das vielseitige Angebot im Erfahrungsraum Sinne ihren Körper ganz bewusst wahrnehmen. Sie können beispielsweise nicht sehen, wo ihr Körper endet, aber sie können es vielleicht nach und nach erspüren.

Enorme Fortschritte dank Seifenblasen-Maschine und "Magic Carpet"

Lichtfaservorhang und der sogenannte Magic Carpet, der magische Teppich, runden das Angebot ab: Nach bunten Blumen werden auf einmal schwimmende Fische auf den Boden projiziert. Hannah setzt sich ganz achtsam dazwischen, senkt den Kopf, dreht ihn immer wieder leicht und versucht so, ihr restliches Sehvermögen zu aktivieren. Sie wird ganz ruhig und es wirkt, als hätte sie sich ein Stück weit freigeschwommen. Dazu aktiviert Andrea Karl mit einem Tastendruck die Seifenblasenmaschine und den Ventilator. Der Raum ist in blau gedimmt und die Szenerie wirkt geradezu magisch, als die Seifenblasen durch die Luft tanzen. Trotz aller Herausforderungen, die sie haben, machen schwerstbehinderte Kinder und Jugendliche in diesem multisensorischen Raum enorme Fortschritte. Der Erfahrungsraum Sinne ist ein Volltreffer – dank der großzügigen Spenden von Sternstunden.

Sternstunden – nachhaltiges Engagement für Kinder in Not

Das Förderzentrum Sehen des Blindeninstituts Aschaffenburg umfasst Therapieabteilung, Frühförderung, Heilpädagogische Tagesstätte und Schule. Es ist auf die besonderen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen zugeschnitten, so dass diese sich gut orientieren und Pflegebedürftige bestens versorgt werden können. Das interdisziplinäre Team aus Lehrern, Therapeuten und Pflegefachkräften will den Kindern und Jugendlichen mit großem Unterstützungsbedarf eine Perspektive für ihr Leben bieten und einen Ort der Begegnung schaffen, an dem gelernt, aber auch zusammen gelacht und gespielt wird. Nach einer dreijährigen Bauphase zog das Blindeninstitut im März 2022 von den Standorten in Elsenfeld und Niedernberg nach Aschaffenburg. Sternstunden unterstützte das Förderzentrum Sehen mit 884.000 Euro und hat 2022 noch eins draufgesetzt: mit den 45.000 Euro, die in das Herzstück des blindengerechten Baus flossen. Entstanden ist der Erfahrungsraum Sinne – eine echte Bereicherung.

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