Im Bayerischen Landtag gibt es inzwischen vier Untersuchungsausschüsse
Bildrechte: picture alliance/Bildagentur-online/Joko

Im Bayerischen Landtag gibt es inzwischen vier Untersuchungsausschüsse.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Stammstrecke und Museum: Untersuchungsausschüsse eingesetzt

Sie gelten als "schärfstes Schwert der Opposition": Untersuchungsausschüsse. Der Landtag hat zwei Gremien eingesetzt, um die Kostenexplosion bei der S-Bahn-Stammstrecke und beim Zukunftsmuseum Nürnberg zu beleuchten. Viel Zeit bleibt dafür nicht.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Mit insgesamt vier Untersuchungsausschüssen startet der Bayerische Landtag ins Wahljahr 2023. Das Landtagsplenum hat am Mittwoch fraktionsübergreifend beschlossen, neben dem bereits laufenden Untersuchungsausschuss "Maske" und dem ebenfalls bereits tätigen Untersuchungsausschuss "NSU II", noch zwei weitere Gremien einzurichten. Die Abgeordneten wollen nun auch die Kostenexplosion bei der zweiten S-Bahn-Stammstrecke genauer beleuchten und zudem herausfinden, warum der Freistaat die Immobilie für das Zukunftsmuseum in Nürnberg zu einem womöglich überhöhten Preis angemietet hat.

Streit um Fragenkatalog

So harmonisch wie die einmütige Abstimmung Mittwochnachmittag im Landtagsplenum vordergründig vermuten lässt, verläuft die Debatte zwischen Regierungsfraktionen und Opposition allerdings nicht. Gerade die CSU kritisiert die Forderung von Grünen, FDP und SPD die beiden Untersuchungsausschüsse einzurichten als "Wahlkampfgetöse" und "parteipolitisch motiviert".

Der zunächst von den drei Oppositionsparteien etwa zum Zukunftsmuseum in Nürnberg eingereichte Fragenkatalog sei "tendenziös, suggestiv und verfassungswidrig", prangert beispielsweise der CSU-Rechtspolitiker Tobias Reiß an: "Sie müssen sich überlegen, welche Behauptungen Sie aufstellen, die Sie am Ende nicht belegen werden können", ruft der CSU-Abgeordnete in Richtung Grüne, SPD und vor allem an die Adresse der FDP.

Erst am Montag hatte man sich auf einen rund 150 Fragen starken Katalog geeinigt. "Wir sind hier, weil wir für Transparenz stehen", so Reiß. Man gehe "mit Gelassenheit" in den Untersuchungsausschuss. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler, Fabian Mehring, betont, die Einsetzung des Untersuchungsausschusses sei richtig, man wolle als "in der Sache unbeteiligte" Partei "unaufgeregt" mitarbeiten. Die Ampelparteien kritisiert er für eine "Debatte", die die "Schlussberichte" vorwegnehme.

Zukunftsmuseum: Frage nach der Rolle Söders

Beim Untersuchungsausschuss "Zukunftsmuseum Nürnberg" geht es um - aus Sicht der Opposition - überhöhte Mietkosten und um die Rolle, die der damalige Finanzminister und jetzige bayerische Ministerpräsident, Markus Söder (CSU), dabei spielt.

Vom "teuersten Mietvertrag Deutschlands" spricht die Nürnberger Grünen-Abgeordnete Verena Osgyan. Sie rechnet vor, dass sich die Kosten von der ursprünglichen Schätzung um rund 2.000 Prozent erhöht haben – auf 200 Millionen Euro. Eine Zahl des Obersten Bayerischen Rechnungshofs. Und Osgyan glaubt: "Da ist was faul an allen Ecken und Enden."

Das vermuten auch SPD und FDP. Sie gehen davon aus, dass sich Markus Söder damals noch als Finanz- und Heimatminister für die überteuerte Immobilie eingesetzt hat. Doch warum? Volkmar Halbleib, SPD, hat jedenfalls viele Fragen: "Hat Markus Söder das Projekt in seiner Heimatstadt gegen jede wirtschaftliche Vernunft durchgedrückt", will Halbleib wissen, und, in welchem Verhältnis Söder oder andere Mitglieder der Staatsregierung zum Investor standen, der in den Jahren 2018/2019 knapp 100.000 Euro an die CSU gespendet haben soll: "Wir wollen wissen, war das eine Gegenleistung?"

Als "einmaligen Vorgang", bezeichnet FDP-Baupolitiker Sebastian Körber das und fordert: "Wir müssen das Dunkelfeld beleuchten". Und auch für den AfD-Abgeordneten Ferdinand Mang "wirft dieser Sachverhalt Fragen auf".

Mit Blick auf beide Untersuchungsausschüsse kritisiert die AfD, in die gemeinsame Vorbereitung der Ampelparteien nicht eingebunden und bei der Formulierung der Einsetzungsanträge und der Erstellung der Fragenkataloge ausgeschlossen worden zu sein.

Zweite Stammstrecke: Wann wusste die Staatsregierung von der Kostenexplosion?

Auf rund 70 Fragen haben sich Regierungsfraktionen und Opposition für den Untersuchungsausschuss zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München geeinigt. Im Fokus steht hier, warum die Öffentlichkeit erst in diesem Jahr von der enormen Verzögerung und der immensen Kostenexplosion erfahren hat, wann das Verkehrsministerium selbst davon wusste, und, warum es nicht früher eingeschritten ist.

Von einem "Verdruss-Projekt" spricht der Grüne Verkehrsexperte Martin Runge. Der Staatsregierung wirft er in der Debatte um die Verzögerung und Kostenexplosion "Tricksen und Täuschen - dem Parlament und der Öffentlichkeit die Unwahrheit zu sagen - vulgo - zu lügen" vor. Bayern sei als Auftraggeber durchaus verantwortlich für das Fortkommen des Projekts. Runge verweist auch auf eine Einschätzung des Bundesrechnungshofs, der die Kosten-Nutzen-Analyse des Projekts bereits vor einigen Jahren erheblich in Frage gestellt hatte.

Die Rednerin der SPD-Fraktion, Inge Aures, bedauert, dass es überhaupt zu einem Untersuchungsausschuss gekommen ist. Hätte man die Fragen im Bauausschuss ausreichend beantwortet bekommen von der Staatsregierung, wäre das "schärfste Schwert der Opposition" nicht nötig gewesen. Es sei ein "Unding", dass das Parlament nur über die Medien und nicht von der Regierung über Verzögerungen und höhere Kosten Kenntnis erlangt habe, sagt die SPD-Politikerin. FDP-Mann Sebastian Körber kritisiert ein Schwarzer-Peter-Spiel: Nicht, wie die Staatsregierung gerne behaupte, sei "der Bund" schuld. "Die Staatsregierung kann Großprojekte einfach nicht", schimpft Körber.

Auch die AfD prangert Steuergeldverschwendung an. Ingo Hahn von der AfD sieht "schwarze Löcher" in der Stammstreckenbaustelle, in denen viel Geld und viel Zeit verschwinden. Die AfD ärgert sich zudem darüber, dass sie in die Vorbereitung der Untersuchungsschüsse nicht eingebunden wurde.

CSU: Deutsche Bahn hat bei Stammstrecke "versagt"

Tobias Reiß, CSU, weist die Vorwürfe gegen die von seiner Partei geführte Staatsregierung zurück. Die Deutsche Bahn habe bei dem Projekt versagt, sie sei oberster Vorhabensträger. "Dass da nicht immer alles rund läuft, da glaube ich, sind wir uns einig", so Reiß. Die Bahn sei zudem nicht vom Freistaat Bayern kontrollierbar. Er könne auch kein Zurückhalten von Informationen der Staatsregierung gegenüber dem Parlament erkennen, so der CSU-Abgeordnete.

Begleitgremium zur Stammstrecke - ein "Feigenblatt"?

Zusätzlich zum Untersuchungsausschuss zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke hat der Landtag auch einen "Unterausschuss" - angesiedelt beim Verkehrsausschuss des Landtags - eingesetzt. Der Unterschied: Während der Untersuchungsausschuss die Vergangenheit beleuchtet, soll sich das Begleitgremium mit der aktuellen Weiterentwicklung des Projekts beschäftigen. Einig sind sich die Fraktionen, dass dieses Gremium nötig ist, "besser wäre es schon vor zwei Jahren gewesen", so FDP-Fraktionschef Martin Hagen. Und Horst Arnold, Rechtspolitiker der SPD-Fraktion, bezeichnet den Unterausschuss als "Feigenblatt" der Regierungsfraktionen - auch wenn er ihn grundsätzlich für "sinnvoll" erachtet und hofft, dass dieser dann "als Vermächtnis dem neu gewählten Landtag im Herbst übergeben" wird.

Debatte um generellen Sinn der zweiten S-Bahn-Stammstrecke

Die Grünen dürften in diesem Gremium erneut die, wie es der Rechtsexperte der Grünen, Toni Schuberl, formuliert, "generelle Sinnfrage" des umstrittenen Stammstrecken-Projekts stellen. Ihm zufolge habe es günstigere Alternativen zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke gegeben, etwa den S-Bahn-Südring und die Ertüchtigung anderer bereits bestehender Angebote: "Nehmen wir das Gremium ernst und nutzen wir es, um zu hinterfragen", so Schuberl. Widerspruch kommt da von der CSU: Der Münchner Abgeordnete Josef Schmid etwa betont, wenn man das Projekt generell in Frage stelle oder gar beerdigen wolle, dann "stampft man alles in die Tonne, dann überlässt man 3,4 Millionen Menschen im Großraum München dem Zustand, der heutzutage herrscht". Das, so Schmid, könne niemand wollen.

Aktenstudium und Zeugenbefragung unter enormem Zeitdruck

Nach der offiziellen Einsetzung am Mittwoch will sich der Ausschuss zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke unter Leitung von Bernhard Pohl (FW) am Donnerstag konstituieren. Wann sich der Untersuchungsausschuss zum Zukunftsmuseum mit dem Vorsitzenden Josef Schmid (CSU) zum ersten Mal trifft, ist dagegen noch nicht klar. Anfang 2023 werden die Abgeordneten dann mit der eigentlichen Arbeit beginnen: mit Aktenstudium und Zeugenbefragungen. Für all das bleibt allerdings nur wenig Zeit: Untersuchungsausschüsse müssen mit dem Ende der Legislaturperiode ihre Arbeit abgeschlossen haben. Und diese dauert nur noch bis zur nächsten Landtagswahl im Herbst.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!