Schild mit Text "Corona-Lügen stoppen"
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Symbolbild: In einer Sprachnachricht stellt eine AfD-Funktionärin aus Freising-Pfaffenhofen zahlreiche Falschbehauptungen auf.

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Sprachnachricht: AfD-Politikerin verbreitet Falschbehauptungen

Eine Sprachnachricht einer AfD-Funktionärin des Kreisverbands Freising-Pfaffenhofen zur mittlerweile beschlossenen Änderung des Infektionsschutzgesetzes kursiert aktuell im Netz. Darin finden sich zahlreiche Falschbehauptungen. Ein #Faktenfuchs.

Gut neun Minuten lang ist die Sprachnachricht, die Andrea Haberl aufgenommen hat. Haberl ist Schriftführerin im AfD-Kreisverband Freising-Pfaffenhofen, Medienberichten zufolge seit Oktober 2020.

Die Sprachnachricht hat sich über Messenger-Dienste wie Telegram verbreitet, sie liegt BR24 in voller Länge vor. Sie verbreitete sich bereits Mitte April, als die Diskussion über die sogenannte Bundes-Notbremse Fahrt aufnahm. Andrea Haberl spricht über die mittlerweile beschlossene Änderung des Infektionsschutzgesetzes, Corona-Impfungen und einen "Great Reset". Neben den zahlreichen Behauptungen rund um die Corona-Pandemie fordert Haberl einen Systemsturz. Sie sagt: "Das einzige, was uns noch retten kann, ist dieses System zu stürzen."

Dass solche Äußerungen und Verschwörungserzählungen auf Kommunikationsplattformen der Corona-leugnenden Szene häufiger vorkommen, zeigt dieser Artikel von BR24.

Auf der Webseite des AfD-Kreisverbands war Haberl zwischenzeitlich nicht mehr zu finden, laut AfD-Kreisvorsitzendem Johannes Huber auf ihren eigenen Wunsch. In einem Interview mit dem "Donaukurier" bestätigt er, dass Andrea Haberl die Sprachnachricht in einer Chatgruppe verbreitet hat. Mittlerweile ist Haberl auf der Website wieder als Vorstandsmitglied aufgeführt, allerdings ohne Foto.

Der #Faktenfuchs hat Haberls Aussagen gecheckt.

1. Der unzutreffende Vergleich mit dem Ermächtigungsgesetz

Die Behauptung von Haberl: Angela Merkel erhalte nach der Verabschiedung der Gesetzesänderung des Infektionsschutzgesetzes die alleinige Macht und Herrschaft, es gebe "ein zweites 1933".

Die Fakten: Der Vergleich ist falsch. Schon im November 2020 wurde im Bundestag über das Infektionsschutzgesetz abgestimmt. Dabei spielte die AfD-Fraktion immer wieder auf das Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten im Jahr 1933 an, das zur Machtübernahme Adolf Hitlers geführt hat. Warum das Infektionsschutzgesetz mit dem damaligen Ermächtigungsgesetz nichts zu tun hat, zeigen diese Artikel von BR24 und "Tagesschau".

Entscheidende Unterschiede sind laut BR-Artikel: "Für Hitlers Ermächtigungsgesetz wurde 1933 die Geschäftsordnung des Reichstags geändert. Die Mandate von verhafteten KPD-Abgeordneten wurden annulliert, um die nötige Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Außerdem waren bewaffnete SA- und SS-Leute bei der Abstimmung anwesend. Im Gegensatz dazu verabschiedeten Bundestag und Bundesrat das Infektionsschutzgesetz durch einen ordentlichen Beschluss."

Durch die Neuregelung des Infektionsschutzgesetzes hat der Bund erstmals weitreichende Kompetenzen in der Pandemiebekämpfung von den Ländern übernommen.

  • Bundesweite Corona-Notbremse tritt ab heute in Kraft

2. Der "Great Reset" - umgedeutet als Verschwörungsmythos

Die Behauptung: Angela Merkel sei Teil einer Elite, die den sogenannten "Great Reset" als neue Weltordnung bestimmt habe, so Andrea Haberl in der Sprachnachricht. Haberl sagt, "alles" solle verstaatlicht werden. Dieser Plan sei beim sogenannten “Bilderberg-Treffen” im Jahr 2019 entstanden.

Die Fakten: Dafür gibt es keine Belege. Haberl bezieht sich auf einen Verschwörungsmythos, der häufig im Internet geteilt wird. Er geht auf eine Initiative des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos für eine nachhaltigere Wirtschaft zurück. Der Gründer des WEF, Klaus Schwab, verwendet den Begriff in einem Buch, das den Titel "Great Reset" trägt, in der deutschen Übersetzung "Der große Umbruch". Schwab sagt, die Corona-Pandemie sei eine Zeitenwende, eine Chance für eine neue, nachhaltigere Wirtschaft, und entwickelt Szenarien für die Zeit danach.

Eine Einschätzung der BR-Wirtschaftsexpertin Christine Bergmann zum Buch "Great Reset" lesen Sie hier.

Der Verschwörungsmythos deutet den "Great Reset" hingegen als ein Komplott der Eliten in der Corona-Pandemie, mit dem Ziel, Zwangsimpfungen, digitale Ausweise oder das Ende von Privateigentum umzusetzen. Dieser Mythos ist weltweit verbreitet.

Die jährliche Bilderberg-Konferenz ist ein häufiges Ziel von Verschwörungserzählungen. Bei der Konferenz kommen hochrangige Leute aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammen. Die Öffentlichkeit hat keinen Zutritt. Die Teilnehmenden verpflichten sich zur Verschwiegenheit, was Verschwörungserzählungen anheizt. Der Hamburger Historiker Bernd Greiner sagte dem öffentlich rechtlichen Magazin "Planet Wissen", dass es ein einziges, "steuerndes Zentrum weder in der Ökonomie, noch in der Politik gebe".

Darüber hinaus ist das Treffen nicht so geheim, wie häufig behauptet: Das Programm und die Teilnehmenden der jeweiligen Jahre lassen sich auf der Website der Konferenz einsehen. Angela Merkel war demnach 2019, anders als Haberl in ihrer Sprachnachricht behauptet, kein Gast der Bilderberg-Konferenz.

3. Falschbehauptungen zu den Impfungen

Die Behauptung: In der Sprachnachricht spricht die AfD-Schriftführerin mehrere Verschwörungsmythen zu den Corona-Impfstoffen an und meint, diese seien für zahlreiche Todesfälle verantwortlich und hätten das Ziel, die Weltbevölkerung zu reduzieren. Außerdem behauptet sie, mRNA-Impfstoffe veränderten die DNA.

Die Fakten: Die Behauptungen von Haberl zur Corona-Impfung sind falsch. Die Impfzentren und Arztpraxen melden mögliche Impfnebenwirkungen und Todesfälle zentral an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Dort werden sie ausgewertet. Durch dieses Meldesystem kann das PEI auch sehr seltene Nebenwirkungen und Risiken erfassen, zum Beispiel die Sinusvenenthrombosen-Fälle in Zusammenhang mit dem Astrazeneca-Impfstoff.

Das Paul-Ehrlich-Institut veröffentlicht die aktuellen Zahlen in seinem Sicherheitsbericht. Bis zum 2. April 2021 wurden bei insgesamt 14.381.068 Impfungen in Deutschland folgende Verdachtsfälle gemeldet: 12.409 mit Biontech/Pfizer (Comirnaty), 1.139 Verdachtsfälle zu dem COVID19-Impfstoff von Moderna, 17.170 Verdachtsfälle zu Astrazeneca (Vaxzevria) und "in 431 gemeldeten Verdachtsfällen wurde der COVID-19-Impfstoff nicht spezifiziert".

3.436 dieser Fälle wurden als "schwerwiegend" gemeldet, die Geimpften mussten dabei zum Beispiel ins Krankenhaus.

Insgesamt wurden dem PEI 407 Todesfälle in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung gemeldet, das mittlere Alter der Verstorbenen betrug 82 Jahre. Das Institut weist im Bericht darauf hin: "Bei der überwiegenden Mehrzahl der Personen, bei welchen nicht eine COVID-19-Infektion oder andere Erkrankungen zum Tod geführt hatten, bestanden zum Teil multiple Vorerkrankungen, wie z. B. Karzinome, Niereninsuffizienz, Herzerkrankungen und arteriosklerotische Veränderungen, die vermutlich todesursächlich waren."

Wenn man die Zahl der Impfdosen den Todesfällen in zeitlichem Zusammenhang und den schwerwiegenden Fällen von Nebenwirkungen gegenüberstellt, zeigt sich, dass die Zahl der deutschland- sowie weltweit am Virus gestorbenen Menschen um ein Vielfaches höher ist.

Auch der Vorwurf, mRNA-Impfstoffe wie der von Biontech/Pfizer oder Moderna würden die DNA, das menschliche Erbgut, verändern, ist schon mehrfach widerlegt worden, etwa vom #Faktenfuchs oder von MaiLab. Eine Erbgutveränderung ist demnach nicht möglich, da sich die mRNA außerhalb des Zellkerns befindet und eine andere Struktur als die DNA hat. Sie kann daher nicht von dieser integriert werden.

Das Video von MaiLab erklärt außerdem, wie es sein kann, dass die Impfstoffherstellung ungewöhnlich schnell gegangen ist und warum das die Sicherheit der Impfstoffe nicht beeinträchtigt.

Darüber hinaus wird zu mRNA-Impfstoffen nicht erst seit kurzem geforscht. Gerade in der Krebsbehandlung sind mRNA-Therapien schon länger in der Entwicklung, unter anderem bei den Pharmafirmen Curevac und Biontech, die nun auch mRNA-Impfstoffe entwickeln oder entwickelt haben.

4. Angebliche Impfpflicht

Die Behauptung: Wenn die Änderung im Infektionsschutzgesetz beschlossen sei, dürfe man ohne Impfung nichts mehr, zum Beispiel auch nicht mehr einkaufen. Es gebe dadurch eine indirekte Impfpflicht.

Die Fakten: Die Impfung ist freiwillig, auch in der neuen Fassung des Infektionsschutzgesetzes gibt es keine Aussagen darüber, dass etwa Einkaufen nur noch mit Impfung möglich sei.

Die EU diskutiert seit längerem über einen digitalen Impfnachweis. Dadurch könnten zum Beispiel Reiseerleichterungen möglich werden. Dabei geht es nicht darum, dass ohne Impfung das Reisen ins EU-Ausland nicht erlaubt wird, sondern dass für Reisende Quarantäne-Regeln oder Corona-Tests unnötig werden könnten.

Medienberichten zufolge könnte dies auch Erleichterungen für den Besuch von Einkaufszentren oder Museen bedeuten. Entschieden ist allerdings noch nichts.

5. Eigener Garten nicht von Ausgangssperre betroffen

Die Behauptung: Wenn die Ausgangsbeschränkungen in einer Region mit einem Inzidenzwert von über 100 gelten, dürfe man nach 21 Uhr nicht mehr in den eigenen Garten gehen.

Die Fakten: Der Garten ist von Ausgangsbeschränkungen nicht betroffen. Die Ausgangsbeschränkungen, die ab einem Inzidenzwert von 100 Fällen pro 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen gelten, beziehen sich laut Infektionsschutzgesetz auf den Bereich "außerhalb einer Wohnung oder einer Unterkunft und dem jeweils dazugehörigen befriedeten Besitztum".

Das "befriedete Besitztum" beinhaltet laut Rechtssprechung den privaten Garten. Es ist also weiterhin erlaubt, sich auch während einer Ausgangsbeschränkung nach 21 Uhr im eigenen Garten aufzuhalten.

Zum Artikel: "Bundes-Notbremse: Ausgangssperre weniger streng: Nächtliche Ausgangssperre erst ab 22 Uhr"

Eine Sprecherin des Bayerischen Gesundheitsministerium bestätigt dies in einer Mail an den #Faktenfuchs:

"Vom Begriff der Wohnung im Sinne von § 26 der 12. IfSMV [Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, Anm.d.Red.] sind sämtliche Räumlichkeiten umfasst, welche dem dauerhaften Aufenthalt von Menschen dienen." Zu diesen Räumlichkeiten gehören laut Ministerium auch "dauerhaft privat genutzte Flächen, wie z.B. Gärten, Terrassen und Balkone".

Es komme bei der Abgrenzung also darauf an, ob man sich in einem Bereich befindet, "zu welchem Dritte keine Zugangsberechtigung haben".

Und was ist mit dem Aufruf zum Umsturz?

In ihrer Sprachnachricht rief Andrea Haberl - wie erwähnt - auch dazu auf, das System zu stürzen. Laut dem Würzburger Anwalt Chan-jo Jun kann das strafrechtliche Konsequenzen haben. Auf Twitter schrieb er, dass der Aufruf unter Umständen mit lebenslanger Haft bestraft werden könne, "wenn man die Erklärung als hinreichend ernsten und bestimmten Beginn der Unternehmung ansieht". Jun verweist in diesem Zusammenhang auf den Paragraphen 81 des Strafgesetzbuches, der einen "Hochverrat gegen den Bund" regelt.

Fazit

Die Behauptungen von Andrea Haberl, AfD-Schriftführerin des Kreisverbands Freising-Pfaffenhofen, die sie in einer Sprachnachricht verbreitet hat, sind falsch. Viele dieser Behauptungen sind nicht neu. Dass etwa eine mRNA-Impfung das eigene Erbgut verändert, ist bereits häufig widerlegt worden, auch durch den #Faktenfuchs. Dazu kommen haltlose Vergleiche zwischen der heutigen Zeit und den Jahren der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. Außerdem führt Haberl bekannte Verschwörungserzählungen an, die sich auch international verbreiten, wie etwa die Erzählung von einem "Great Reset", durch den die Menschheit angeblich enteignet werden soll. Belege für Ihre Aussagen führt Haberl nicht an.

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