Die Bayern-SPD war am Tiefpunkt, als Ronja Endres und Florian von Brunn vor einem Jahr als Landesvorsitzende gewählt wurden. Bei sieben Prozent stand die Partei damals in den Umfragen. Noch schlechter also, als das Landtagswahlergebnis 2018, als die SPD mit 9,7 Prozent nicht mal mehr zweistellig wurde. Doch von Brunn wollte unbedingt Landesvorsitzender werden. Er hatte sich mit Ronja Endres eine Frau an seiner Seite gesucht, mit dem Kalkül, dass nicht nur er, sondern auch das Modell Doppelspitze bei den Genossinnen und Genossen zieht. So kam es dann auch: Der in der Partei zumindest gefühlt beliebtere Bundestagsabgeordnete Uli Grötsch hatte das Nachsehen.
Doppelspitze verspürt "neuen Schwung"
Nach einem Jahr ziehen die beiden SPD-Landesvorsitzenden Bilanz. "Wir haben neuen Schwung in die Partei gebracht", sagt etwa Florian von Brunn im BR24-Interview und Ronja Endres ist überzeugt, dass die Doppelspitze viel dazu beigetragen hat: "Für einen alleine ist es einfach zu viel, eine Partei wieder nach oben zu hieven". Während von Brunn mehr für das "Außen" und "die Fraktion" zuständig sei, arbeite sie mehr "nach innen und in die Partei". Tatsächlich steht die Partei in Umfragen derzeit besser da als noch vor einem Jahr. Um die 14 Prozent erreichte die Bayern-SPD zuletzt in der Sonntagsfrage. Die Bayern-SPD trete dadurch "selbstbewusster" auf, stellt die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch fest. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass die Bayern-SPD zuletzt vor allem vom Scholz-Effekt profitierte, von einer anderen Wahrnehmung der SPD insgesamt, meint die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing.
Und: Mit 14 Prozent am Wahltag wären die selbst gesteckten Ziele wohl nur schwer zu erreichen.
Das Ziel: Zweitstärkste Kraft und Regierungsverantwortung
Ein "richtig gutes Ergebnis, zweitstärkste Kraft und Regierungsverantwortung", haben sie sich für die Wahl in eineinhalb Jahren vorgenommen, verrät Ronja Endres. Und Florian von Brunn glaubt: "Eine Ampel ist auch in Bayern möglich." Noch reicht es in Umfragen dafür aber bei Weitem nicht. Und: Zuletzt waren die Landtagsgrünen konstant und deutlich stärker als die SPD. Im Zweifel also hätten die Grünen den Anspruch auf den Ministerpräsidentenposten. Das lässt von Brunn so nicht gelten. Bei der Bundestagswahl habe man gesehen, wie schnell sich Dinge verändern könnten. Niemand habe ein paar Monate vor der Wahl gedacht, dass die SPD stärkste Kraft werden könnte und Olaf Scholz eine Ampelregierung anführen werde. Es ist von Brunn anzumerken, dass er insgeheim hofft, den Bayern-Scholz machen zu können. Als so gut wie sicher gilt, dass er derjenige sein wird, der die Partei als Spitzenkandidat in die Landtagswahl führt.
Natürlicher Spitzenkandidat: von Brunn
Zwar hat der Münchner seine Kandidatur bislang nicht offiziell erklärt, doch im BR24-Interview macht er keinen Hehl daraus, dass er "bereit" steht. Und "natürlich" habe er sich mit dieser Frage auseinandergesetzt, als er sich für das Amt des Landesvorsitzenden und des Fraktionsvorsitzenden beworben hatte. Ihm sei klar gewesen, dass er eine Spitzenkandidatur dann "nicht ausschlagen" könne. Entscheiden, wer letztlich die Spitzenkandidatur übernimmt, sollen der Landesvorstand und ein Parteitag.
Von Brunns Co-Parteichefin Ronja Endres betont, es müsse jemand "mit Landtagserfahrung" machen. Die hat von Brunn. Endres nicht. Und: Endres wäre mit ihren 36 Jahren zudem zu jung, um –theoretisch – Ministerpräsidentin zu werden. Denn laut Landesverfassung muss ein Ministerpräsident oder eine Ministerpräsidentin mindestens 40 Jahre alt sein. "Ich kann mir das vorstellen", sagt Florian von Brunn auf die Frage, ob er denn wirklich ernsthaft das Amt des Ministerpräsidenten anstrebe. Er räumt ein "ehrgeizig zu sein" und "gerne in der ersten Reihe" zu stehen: "Weil ich dann die Ideen und Konzepte, von denen ich überzeugt bin, auch eher umsetzen kann."
Wohnraum als Wahlkampfthema Nummer eins
Bei der Generaldebatte zum Haushalt 2022 hatte Florian von Brunn vor wenigen Wochen betont, dass "bezahlbarer Wohnraum" das Top-Thema der SPD in Bayern in den nächsten Monaten sein werde. Und er forderte "eine Wohnungsmilliarde". Eine plakative Summe, die an Ministerpräsident Markus Söders "Klimamilliarde" erinnert. Darauf angesprochen erklärt von Brunn, eine Milliarde sei einerseits einprägsam – aber eben auch "ein klares Signal an die Menschen, dass die SPD sich um Wohnraum kümmert". Aus Sicht der Politikwissenschaftlerin Ursula Münch ist das Thema gut gewählt, auch in strategischer Hinsicht: Denn gerade in den Städten ist Wohnraum ein heißes Eisen – hier könne die SPD mit diesem Schwerpunkt Boden gutmachen gegen die Konkurrenz von den Grünen.
Abteilung Attacke im Landtag
Doch wie will von Brunn die Genossen fit machen für die großen Ziele? Einen kleinen Vorgeschmack konnte man in den vergangenen Monaten bekommen. Von Brunn versuchte sich Gehör zu verschaffen: ob mit einem Nazi-Vergleich gegen die CSU, der ihm eine Rüge der Landtagspräsidentin einbrachte, oder aber in Form von öffentlichkeitswirksamen Klagen. Von Brunn sei einer, der "sehr kämpferisch, manchmal fast schrill auftritt" findet Münch. Manchem – übrigens auch aus den eigenen Reihen – ist das manchmal zu kämpferisch. Doch gerade als kleine Oppositionspartei, sei die SPD-Landtagsfraktion darauf angewiesen, auf sich aufmerksam zu machen, auch in Abgrenzung zum Oppositionsführer – den Grünen, so Münch.
Das alte SPD-Leid der Geschlossenheit
Auch wenn gerade alles auf Florian von Brunn als Spitzenkandidaten für die Landtagswahl zuzulaufen scheint: Unumstritten ist der passionierte Bergsteiger nicht. Von Brunn musste sich sowohl für den Partei- als auch für den Fraktionsvorsitz Kampfabstimmungen stellen. Es waren jeweils knappe Entscheidungen. In die Ämter gerufen oder gar gedrängt wurde er von seinen Leuten nicht. Lange Zeit galt er den innerparteilichen Kritikern als nicht teamfähig, zu skandalisierend und inhaltlich zu weit weg vom SPD-Kernthema Sozialpolitik.
Da habe sich der Wirtschafts-, Energie- und Umweltpolitiker von Brunn inzwischen "breiter aufgestellt", da habe er "dazugelernt", sagt nun etwa der schwäbische Landtagsabgeordnete Harald Güller. Und auch der Hofer Abgeordnete Klaus Adelt attestiert von Brunn, dass er versuche "alle mitzunehmen". Adelt sagt aber auch ganz klar: "Sein Kommunikationsstil ist nicht meiner." Trotzdem: Insgesamt wirke die Bayern-SPD als Partei und Fraktion seit einiger Zeit geschlossener, beobachtet die Politikwissenschaftlerin Münch. Doch wenn sich der Erfolg nicht einstellt, kann es damit auch schnell wieder vorbei sein.
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