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Sollte Angriff auf Flüchtlingsunterkunft vertuscht werden?

Sollte Angriff auf Flüchtlingsunterkunft vertuscht werden?

Erst zehn Monate nach der Überschwemmung in einer neu errichteten Asylbewerberunterkunft im Münchner Norden taucht der Fall im Sicherheitsreport der Münchner Polizei auf. Warum wurde die Öffentlichkeit nicht viel schneller informiert? Von H. Pfeifer

Eine Asylbewerberunterkunft im Münchner Norden. Sie ist neu gebaut, aber noch nicht bezogen. Sie hätte Platz geboten für 50 junge Flüchtlinge. Dann, im Juni 2017, wird sie überschwemmt. Von unbekannten Tätern, die einen Schlauch durch ein gekipptes Fenster geführt und dann das Wasser aufgedreht hatten. Der Schaden immens: Bei drei Millionen Euro soll er liegen. Die Unterkunft ist unbrauchbar geworden. Das Besondere an dieser Geschichte: Die Öffentlichkeit wurde nie darüber informiert, obwohl es sich um einen Angriff auf eine Asylbewerberunterkunft handelt, bei dem im vergangenen Jahr einer der höchsten Schäden angerichtet wurde. BR-Polizeireporter Henning Pfeifer ist der Frage auf den Grund gegangen, warum die Öffentlichkeit davon nichts erfahren sollte.

Herausragendes Beispiel für ein Verbrechen

Der Sicherheitsreport des Münchner Polizeipräsidiums für das Jahr 2017: Erschienen ist er Ende April. Auf Seite 72 geht es um politisch motivierte Kriminalität von rechts. Als herausragendes Beispiel für ein Verbrechen ist eine überschwemmte Asylbewerberunterkunft im Norden der Stadt besonders erwähnt. Wörtlich ist vom "Verbrechen des Herbeiführens einer Überschwemmung" die Rede. Es entstand ein Schaden in Höhe von etwa drei Millionen Euro. Erst mit dem Sicherheitsreport findet dieser Fall, der bis heute ungeklärt ist, seinen Weg in die Öffentlichkeit, zehn Monate später. Warum ist er seinerzeit nicht berichtet worden? Warum hat es – wie bei ungeklärten Straftaten oft üblich – nie einen Zeugenaufruf gegeben? Immerhin stehen um das neu errichtete Gebäude zahlreiche Wohnhäuser. Fragen, die auch Katharina Schulze interessieren, sie ist Vorsitzende und Sicherheitsexpertin der Grünen-Fraktion im bayerischen Landtag.

"Jetzt haben wir erneut die Sachlage, dass auch 2017 nicht über alle rechtsextremen Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte es jeweils eine Polizeipressemitteilung gab. Die Polizei gibt ab und zu eine Pressemitteilung über eine rechtsextreme Straftat heraus, aber nicht immer. Und was mich an dieser ganzen Sache interessieren würde: Was sind denn die Richtlinien oder die Kriterien, die da drunter liegen, wann es eine Pressemeldung gibt und wann nicht." Katharina Schulze, Sicherheitsexpertin der Grünen-Fraktion im bayerischen Landtag

"Pressebericht - Nein“

Katharina Schulze fragt jährlich ab, zu welchen Straftaten aus dem rechten Spektrum Presseberichte veröffentlicht wurden und zu welchen nicht. In der Antwort der Staatsregierung findet sich auch der Angriff auf die noch unfertige Asylbewerberunterkunft in München wieder, verbunden mit dem Hinweis: "Pressebericht - Nein“. Was sind also die Kriterien, ab wann eine ideologisch motivierte Straftat berichtet wird oder nicht?

"Grundsätzlich ist es so, dass wir alle Delikte, die im Zusammenhang mit Zuwanderern sich ereignen oder in die Zuwanderer verwickelt sind, also auch als Geschädigte natürlich, dass wir hier ein besonderes Augenmerk darauf legen, dass diese von der Staatsschutzdienststelle bearbeitet werden. Im Regelfall, es mag Ausnahmen geben, weil wir hier besonders sensibel reagieren. Und das wollen wir auch in Form unserer Berichterstattung. Das heißt, dass wir bei ideologisch oder politisch motivierten Straftaten aller Art die Öffentlichkeit verständigen, wenn keine ermittlungstaktischen Gründe dagegen sprechen und die Staatsanwaltschaft uns ihr O.K. gegeben hat." Angela Samietz, Sprecherin des Münchner Polizeipräsidiums

"Ermittlungstaktische Gründe"

Nicht nur bei politischen Straftaten entscheiden die sogenannten ermittlungstaktischen Gründe darüber, was berichtet wird und was nicht. Das betrifft Informationen zu bestimmten Einzelheiten, die nur ein Täter wissen kann. Sie werden zurückgehalten, damit gefasste Tatverdächtige damit konfrontiert werden, ohne dass sie diese Details über die Medien bereits erfahren haben. Allerdings werden Straftaten von gewisser Bedeutung in der Regel grundsätzlich berichtet. So war das auch 2016, als zunächst unbekannte Täter im Münchner Stadtteil Harthof wiederholt Schäden am Neubau einer noch nicht bezogenen Asylbewerberunterkunft angerichtet hatten. Mal wurden Fenster an Baufahrzeugen eingeworfen, mal wurden Molotowcocktails geworfen, die aber nicht zündeten. Die Polizei berichtete diese Vorfälle damals, obwohl die Täter unbekannt waren. So hätte es also auch bei der Unterkunft im Stadtteil Fasanerie-Nord im vergangenen Jahr laufen können. Also die Frage an Präsidiumssprecherin Angela Samietz, warum der Angriff auf die Asylbewerberunterkunft in der Fasanerie-Nord anders als bei dem früheren Münchner Fall nicht berichtet wurde – trotz des viel höheren Schadens. Die Antwort hält dann doch eine Überraschung parat:

"Es hat sich ein Verdacht im Zusammenhang mit einem Versicherungsmissbrauch ergeben. Konkrete Erkenntnisse zu einer politisch oder ideologisch motivierten Straftat liegen uns bis jetzt nicht vor." Angela Samietz, Sprecherin des Münchner Polizeipräsidiums

Also am Ende keine Straftat von Asylgegnern? Die Ermittlungen dauern noch an. Das Gebäude, in dem 50 jugendliche Flüchtlinge ursprünglich untergebracht werden sollten – es steht bis heute leer.