Auf einer Fläche von 23 Fußballfeldern müsste Bayern täglich Solarparks bauen, um bis 2040 klimaneutral zu sein - zusätzlich zu deutlich mehr Photovoltaik auf Gebäuden und Windenergie. Das hat der Verband der Bayerischen Energiewirtschaft kürzlich berechnet. Die Dimensionen sind also gewaltig.
Und schon jetzt lehnen viele Anwohner neue Solarparks aus Sorge um die Landschaft und die Ackerflächen ab. Wie können Photovoltaik-Anlagen so gebaut werden, dass sie landschafts- und umweltverträglich sind?
Keine Chance für Solarstrom?
Albert Busch steht vor einem seiner Äcker in Rott am Inn. Knapp fünf Hektar direkt an der Bahnlinie. Noch wächst hier Kleegras - Futter für die Kühe vom Bauern nebenan, der den Acker gepachtet hat. Doch Busch möchte hier Sonnenstrom für 1.200 Haushalte erzeugen. Rott am Inn wäre damit versorgt.
Busch träumt seit Jahren davon, seit er sich 2009 die erste Solaranlage aufs Hofdach gebaut hat. Aber: Die Gemeinde war dagegen, als Busch vor knapp zwei Jahren deswegen vorgefühlt hat. Aus Sorge um das Ortsbild, erinnert sich Busch. Und: Die Landwirte am Ort sähen es kritisch, wenn Ackerland verloren gehe.
550 Tier- und Pflanzenarten auf Photovoltaik-Freifläche
Busch gibt trotzdem nicht auf. Er holt sich Hilfe bei Andreas Engl. Der gelernte Landschaftsarchitekt setzt sich für eine umweltverträgliche Energiewende ein - im Projekt EULE, gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Engls Ansatz: Sonnenstrom und Artenschutz kombinieren. Also zum Beispiel wenig ertragreiche Grün- und Ackerflächen in Solarfeld-Biotope umbauen.
Wie so ein EULE-Solarfeld aussehen kann, zeigt das Beispiel von Engls eigener Anlage. Im niederbayerischen Bodenkirchen hat er vor zehn Jahren Photovoltaik auf einen ertragsarmen Acker seines Großvaters gesetzt. Um die Solarpaneele herum gibt es jetzt Streuobstbäume, Totholz, Brombeerhecken und Trockensteinmauern als Unterschlupf für Kleintiere. Zwischen den Modulen wuchern Gräser, Brennnesseln und Hecken. Eidechsen huschen durch, Spinnen hängen an den Gestängen. 550 Pflanzen- und Tierarten hat Engl hier nachgewiesen - allein schon bis zu fünfmal mehr Pflanzenarten als auf einem konventionell bewirtschafteten Acker.
- Zum Artikel: Solarparks auf Ackerland: Muss das sein?
Solarfeld plus Artenschutz überzeugt Gemeinderat
Engl hat mit Busch in Rott am Inn ein vergleichbares Konzept für dessen Solarfeld erstellt. Das Ergebnis: Diesen Sommer hat die Mehrheit im Gemeinderat zugestimmt. Vor dem Hintergrund der Energiekrise natürlich. Aber was die meisten Gemeinderäte und auch ihn überzeugt habe, so Bürgermeister Daniel Wendrock: Dass hier nicht ein Großkonzern, sondern ein örtlicher Entwickler dahinterstehe. Und dass eine ökologisch sehr hochwertige Fläche nach klaren Richtlinien entstehen solle.
Engl produziert auf seinen gut zwei Hektar in Bodenkirchen Strom für 350 Haushalte. Grundsätzlich gilt: Die Artenschutz-Maßnahmen brauchen zwar etwas mehr Platz zwischen oder neben den Solar-Modulen. Aber der Stromertrag reduziere sich dadurch um höchstens zehn Prozent, sagt der Landschaftsökologe Prof. Markus Reinke von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Dazu kommt: In vielen neuen Anlagen werden die Module ohnehin nicht so eng wie eigentlich möglich gesetzt - weil sonst die Netzkapazitäten überlastet wären.
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Andreas Engl hat auf seinem Solarfeld in Bodenkirchen Lebensraum für 550 Tier- und Pflanzenarten geschaffen, mit Totholz für Insekten etwa.
Intakte Moore und ertragreiche Äcker eignen sich nicht
Landschaftsökologe Reinke hat im Rahmen des EULE-Projekts Kriterien für umweltverträgliche Solarfelder entwickelt. Für den Landkreis Freising hat er damit jetzt ganz konkret untersucht: Welche Flächen eignen sich für EULE-Solarfelder und welche nicht?
Das Ergebnis: Feuchtwiesen oder intakte Moore kommen nicht in Frage, weil hier beim Bauen zu viel CO2 aus dem Boden freigesetzt würde. Genauso wenig besonders gute, ertragreiche Äcker - wegen der Nahrungskonkurrenz. Dort sei es eher sinnvoll, sogenannte Agri-Photovoltaik einzusetzen. Dabei werden z.B. Weizenfelder oder Obstplantagen mit besonders hohen und lichtdurchlässigen Modulen überdacht. In diesem Bereich wird derzeit viel geforscht.
- Zum Artikel: Strom von der Obstplantage: Doppelte Ernte oder Ausfall?
Solarfelder können Erosion verhindern
Viele Flächen entlang von Autobahnen und Bahnlinien kämen dagegen sehr gut in Frage, sagt Landschaftsökologe Prof. Reinke. Sie seien durch Emissionen und schlechte Entwässerung vorbelastet. Ihr Zustand könnte durch Artenschutz-Solarfelder verbessert werden.
Auch auf schlechten, wenig ertragreichen Äckern seien Photovoltaikanlagen nach EULE-Standards ein echter Gewinn, so Reinke. Zum einen, weil Dünger und Pestizide wegfallen. Zum anderen, weil sich mit Blühwiesen, die nur ein- oder zweimal im Jahr gemäht werden, wieder Humus aufbauen kann, der wiederum CO2 speichert.
Flächenkonkurrenz bleibt Thema
Trotzdem: In Rott am Inn wird Albert Busch für den Landwirt, der bisher seinen Acker pachtet, demnächst eine neue Fläche suchen müssen - um der guten Nachbarschaft willen. Auch Bürgermeister Wendrock sagt: Es gebe immer noch Gegner des Solarfelds im Ort, auch im Gemeinderat. Wegen der steigenden Pachten, aber auch wegen des grundsätzlichen Unbehagens, auf einem Acker keine Nahrung zu produzieren. Die Gemeinde hat festgelegt, dass es bei diesem einen Solarfeld bleiben soll.
Solarstrom verbraucht deutlich weniger Fläche als Biogas-Mais
Allerdings: Auf 130.000 Hektar wird in Bayern derzeit Mais für Biogas angebaut, so die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft. Ein Solarfeld erzeugt - bezogen auf die Fläche - aber rund vierzigmal so viel Energie wie ein Maisfeld. Selbst wenn die Speicherverluste bei Solarstrom eingerechnet werden, sind es nach Angaben des Umweltbundesamtes immer noch zwanzig Mal mehr Energie.
Busch ist jedenfalls froh, dass sein Traum vom Solarfeld jetzt wahr werden soll. Wenn er einen Schäfer findet, möchte er sogar Schafe unter seinen Modulen halten lassen - für die Vielfalt.