Das Modell Mieterstrom funktioniert so: Ein Dienstleister installiert Solarzellen, zahlt dem Vermieter etwas Pacht fürs Dach, und verkauft den Strom dann verbilligt an die Bewohner. Gerade jetzt bei den steigenden Strompreisen eine prima Idee, findet Angela Lutz-Plank vom Mieterverein München: "Mieter haben ansonsten relativ wenig Möglichkeiten im Vergleich zu Eigentümern."
Sie können weder ihre Wohnung isolieren, noch die Heizung ändern, und die eigenen Möglichkeiten bei Photovoltaik beschränken sich für Mieter auf kleine Balkonanlagen. Deswegen betont die Mieter-Vertreterin: "Wir würden es gut finden, wenn viele Vermieter Mieterstrom anbieten würden."
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Mieterstrom gibt es seit fünf Jahren – aber bisher noch selten
Doch, obwohl es das Modell Mieterstrom schon seit 2017 gibt, hat es sich bisher kaum durchgesetzt. So sind in einer Eineinhalb-Millionen-Stadt wie München mit ihren vielen Mietshäusern bisher nicht einmal 6.000 Photovoltaikanlagen installiert. Die Gründe: zu hohe technische und bürokratische Hürden, und ein zu geringer Preisunterschied zum normalen Strom.
Das Interesse von Wohnungsunternehmen steigt
Zuletzt sei das Interesse an Mieterstrom jedoch merklich gestiegen, berichtet etwa das Münchner Energie-Unternehmen "Polarstern", das sich auf dieses Modell spezialisiert hat. Man installiere inzwischen rund fünf Mal so viele Mieterstromanlagen wie in der Anfangszeit, so Geschäftsführer Florian Henle: "Die Akzeptanz in der Immobilienwirtschaft und bei Bauträgern ist viel größer geworden, das Modell ist nicht mehr so exotisch."
Auch die Stadtwerke München (SWM) berichten, das Interesse an Mieterstrom habe in den vergangenen zwölf Monaten deutlich zugenommen. Der Solarverband Bayern berichtet von stark zugenommenem Interesse an Mieterstrom auf Seiten von Wohnungseigentümergemeinschaften, für die sich das Modell ebenfalls eignet.
In der Energiekrise lohnt es sich mehr
Der Hintergrund sind die stark gestiegenen Energiepreise. Mit selbst produziertem Solarstrom vom Dach lässt sich im Vergleich zu früher noch deutlich mehr pro Kilowattstunde sparen. So wird es prinzipiell leichter, Mietern einen deutlich reduzierten Strompreis anzubieten, obwohl ja sowohl Vermieter als auch Strom-Dienstleister ebenfalls noch finanziell profitieren wollen.
Der Strompreis für Mieter muss beim Mieterstrom-Modell laut Gesetz mindestens zehn Prozent unter dem der örtlichen Grundversorgung liegen. Den Mietern steht es dabei stets frei, ob sie das Angebot akzeptieren oder andere Stromanbieter bevorzugen.
Ampelregierung hat Bedingungen verbessert
Die Bundesregierung hat jetzt auch eine Benachteiligung von Mietern gegenüber Hauseigentümern beseitigt: Früher musste bei Mieterstrom, anders als beim Eigenstrom im Einfamilienhaus, die EEG-Umlage bezahlt werden, zuletzt 3,72 Cent pro Kilowattstunde. Diese EEG-Umlage ist seit 1. Juli 2022 generell abgeschafft. Als eher enttäuschend bewerten Marktteilnehmer jedoch, dass sich in Sachen Entbürokratisierung beim Mieterstrom auch unter der neuen Bundesregierung wenig getan habe.
Es gibt jedoch noch Probleme
"Ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, Mieterstrom voranzubringen, hat die Bundesregierung bislang nicht eingelöst", kritisiert etwa Tim Loppe von Naturstrom. Sogar im Gegenteil: Weil seit der letzten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) die Einspeisevergütung für Solaranlagen, die komplett ins öffentliche Netz einspeisen, deutlich gestiegen sei, werde es für Immobilienbesitzer weniger attraktiv, den "zusätzlichen Aufwand einer Mieterstromlösung auf sich zu nehmen".
Loppe macht außerdem auf ein zusätzliches Problem aufmerksam: Auch beim Mieterstrom ist nie eine 100 prozentige Versorgung mit eigener Photovoltaik möglich, der Rest des Stroms muss aus dem Netz bezogen werden. Und weil dieser Strom-Anteil bei Neuverträgen derzeit extrem teuer sei, werde es schwierig, ein günstiges Angebot zu machen.
Im Neubau könnte Mieterstrom Standard werden
Dieses Problem werde jedoch nicht von Dauer sein. Generell zeichnet sich ab, dass die Ausrüstung von Bestandshäusern mit Mieterstrom weiter nur in geringem Umfang passiert. Bei Neubauten könnte es jedoch anders aussehen. Mieterstrom bedeute einen Mehrwert für die Immobilie, betont Michael Joachim vom Bauträger "NEST Ecoarchitektur", der gerade ein Mieterstrom-Projekt im Münchner Neubauviertel Prinz-Eugen-Park realisiert hat. Ein Objekt mit Mieterstrom sei besser vermarktbar und vermietbar, deshalb meint der Architekt: "Das wird Standard, ganz sicher."
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