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Streit ums Betreuungsgeld

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Söders Wende in der Familienpolitik

Geld für alle statt Hilfe für einige: Mit der geplanten Einführung eines bayerischen Familiengelds verabschiedet sich Bayerns Ministerpräsident Söder vom CSU-Kurs der vergangenen Jahre. Eine Analyse. Von Petr Jerabek

Es war ein Feuerwerk an Versprechen, das Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gestern bei seiner ersten Regierungserklärung im Landtag zündete: Sein Zehn-Punkte-Programm füllte er mit rund 100 Einzelmaßnahmen und kündigte zusätzliche Ausgaben in Höhe von einer Milliarde Euro an.

Da ging es ein wenig unter, dass das versprochene neue Familiengeld für die CSU einen Kurswechsel bedeutet. Denn es soll neben dem Landeserziehungsgeld auch das Betreuungsgeld ersetzen – vielen besser bekannt unter dem Begriff "Herdprämie", mit dem Kritiker gegen die Leistung wetterten.

Betreuungsgeld war CSU-Wahlkampfschlager

Ein Jahrzehnt lang trug die CSU das Betreuungsgeld als eines ihrer zentralen bundespolitischen Anliegen vor sich her. Neben der Pkw-Maut für Ausländer erregte wohl keine andere CSU-Forderung so viel Aufmerksamkeit und Widerspruch wie das Betreuungsgeld. Es war vor allem CSU-Chef Horst Seehofer, der das Thema auf die politische Agenda setzte, doch auch von Söder lassen sich flammende Plädoyers für das Betreuungsgeld finden.

Mit dem Geld, so die bisherige CSU-Linie, sollten Eltern von Kleinkindern Wahlfreiheit bekommen: Ob sie einen staatlich geförderten Kinderbetreuungsplatz in Anspruch nehmen wollen oder ihre kleine Tochter oder Sohn lieber daheim betreuen – und dafür vom Staat finanzielle Unterstützung erhalten. "Der Staat kann nicht nur eine Lebensform fördern", betonte 2007 der damalige CSU-Generalsekretär Söder in einem Interview. "Es geht auch darum, das traditionelle Familienbild zu unterstützen."

Vom Bundesverfassungsgericht gekippt

Gegen zum Teil erbitterte Widerstände setzte die CSU die Leistung schließlich zunächst in der schwarz-gelben Koalition und dann 2012 auch im Bundestag durch, bis das Betreuungsgeld 2015 vom Bundesverfassungsgericht wieder gekippt wurde. Dafür führte die Staatsregierung im Juni 2016 umgehend ein bayerisches Betreuungsgeld ein. Seither verbreitete das bayerische Familienministerium in schöner Regelmäßigkeit Jubelmeldungen über das große Interesse der Bevölkerung am Betreuungsgeld und erklärte es ein ums andere Mal zu einem „Riesenerfolg“ und einer Bestätigung der Familienpolitik im Freistaat.

Ab sofort soll die bisherige CSU-Argumentation offenbar nicht mehr gelten. Nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten will Söder Wahlfreiheit für Familien nun anders verstanden wissen: Künftig sollen nicht nur bestimmte Eltern Geld vom Staat bekommen – sondern alle.

Söder gibt neue Devise aus

Das bisherige Landeserziehungsgeld gibt es nur bis zu bestimmten Einkommensgrenzen, das Betreuungsgeld ausschließlich, wenn das Kind keine Krippe besucht. Das neue Familiengeld für Eltern von ein- und zweijährigen Kindern soll an keine weiteren Voraussetzungen gebunden sein: Es gibt künftig 250 Euro pro Kind im Monat - egal ob Mutter und Vater als Topmanager ein Spitzengehalt beziehen oder sich mit mehreren Jobs mühsam über Wasser halten, egal ob das Kind den Tag in der Krippe verbringt oder von einem Elternteil daheim betreut wird. Ab dem dritten Kind werden sogar 300 Euro im Monat gezahlt.

Als neue Devise soll laut Söder nun gelten: "Jungen Familien helfen und ihnen nicht ständig ein schlechtes Gewissen machen, wenn sie sich für eine bestimmte Form der Kinderbetreuung entscheiden." Damit schaffe Bayern "maximale - und das erste Mal echte - Wahlfreiheit für junge Familien".